Seven Kingdoms

Decennium


Info
Musikrichtung: Speed Metal

VÖ: 05.05.2017

(Napalm)

Gesamtspielzeit: 71:44

Internet:

http://www.napalmrecords.com
http://www.sevenkingdoms.net


The Fire Is Mine, der Albumdrittling, ermöglichte es Seven Kingdoms, erstmals auch in Europa auf Tour zu gehen, und zwar als Support von Stratovarius und Amaranthe. Direkt anknüpfen konnten sie an diesen popularitätstechnisch bedeutenden Schritt jedoch nicht: Erst 2017 erblickte das Folgealbum Decennium das Licht der Welt, mittels einer Kickstarter-Crowdfundingaktion vorfinanziert, im März 2017 als 10-Track-Eigenproduktion in limitierter Auflage von 1000 CDs und 250 LPs erschienen und letztlich im Mai 2017 bei Napalm Records veröffentlicht, die im gleichen Zuge auch die drei früheren Alben neu herausbrachten, von denen speziell das Debüt Brothers Of The Night, weiland als Eigenproduktion erschienen und lediglich im Vertrieb von Nightmare Records, weitreichend unbekannt geblieben sein dürfte. Zwischen dem Viertling und dessen Vorgänger lagert allerdings noch eine 2016 veröffentlichte EP namens In The Walls – wer diese verpaßt hat, braucht sich allerdings nicht zu grämen: Sowohl der Titeltrack als auch „Undying“ befinden sich als neu aufgenommene Fassungen auch auf Decennium (der Soundunterschied ist hörbar, aber nicht gewaltig, und in die Songgrundstrukturen wurde kaum eingegriffen), und die dem Rezensenten vorliegende Napalm-Pressung des Viertlings geht gar noch weiter, indem nach den regulären zehn Albumtracks auch noch alle vier EP-Songs erklingen, also neben den beiden genannten noch die Neueinspielungen von „The Bloody Meadow“ und „Stormborn“, beide original auf dem Debütalbum stehend und hier nun mit Sabrina Valentine am Mikrofon, während die Zweitgrunzstimme offensichtlich vom Original übernommen wurde – dieses Stilmittel ist seit dem Drittling bei Seven Kingdoms ja ausgestorben.
Ob auf dem Album freilich überhaupt Sabrina Valentine singt, ist ungewiß: Im Booklet changiert ihre Namensnennung nämlich zwischen Sabrina Valentine und Sabrina Cruz – Bandkopf Camden Cruz und sie sind also offensichtlich inzwischen verheiratet. Ansonsten aber hat sich nichts Grundsätzliches in der Band verändert – mit einer Ausnahme: Seven Kingdoms zählten ja schon immer zu den relativ flotten Vertretern ihrer Zunft, auf Decennium aber setzen sie fast ausschließlich auf die Speedkarte. Im Prinzip enthält jeder Song mindestens ein Grundelement, das klar im Speed-Metal-Bereich anzusiedeln ist, und abgesehen von „Undying“, „Neverending“ und „Castles In The Snow“ dominieren diese Bestandteile den jeweiligen Song relativ deutlich. Das schließt gewisse Überraschungen natürlich nicht aus, wie die halbakustische und mit einem seltsamen Gitarrensound unterlegte Bridge gleich im Opener „Stargazer“ (kein Rainbow-Cover natürlich und auch keine leicht umbenannte Nightwish-Adaption) unter Beweis stellt. Erhalten geblieben ist das latente Folkelement, das zumindest in einzelnen Tracks Riffing und Melodik prägt, hier am ausgeprägtesten in „The Tale Of Deathface Ginny“, das zudem in den Chorelementen Parallelen zu Blind Guardian aufweist und sich daher ähnlich tief vor den Krefeldern verbeugt wie so manche frühere Komposition der Floridaner, ohne dass man freilich geneigt wäre, ihnen Kopismus vorzuwerfen. Die Chorbesetzung hat sich auf Decennium wieder leicht verändert, Ur-Keyboarder John Zambrotto und Ur-Sänger Bryan Edwards sind dort allerdings erneut mit von der Partie, und Edwards bleibt für einen Teil der Lyrics zuständig, während das Album diesmal komplett ohne Keyboards auskommt, während dieses Instrument auf The Fire Is Mine zumindest noch in einem Song ein Motiv einwerfen durfte. Statt dessen zaubert das Gitarrenduo Cruz/Byrd wieder, was das Zeug hält, ohne sich aber von den Grundbedürfnissen des Songs gar zu weit zu entfernen, und auch die Rhythmusgruppe arbeitet gekonnt mit, wobei vor allem Drummer Keith Byrd mit vielseitigem, bedarfsweise auch sehr lockerem Spiel sein Scherflein zum Gelingen des Gesamtwerkes beiträgt. Die konsequentere Speedorientierung führt allerdings auch dazu, dass sich die Songs stärker ähneln als zuvor, und da es diesmal keine Ballade gibt, fällt das angefolkte „The Tale Of Deathface Ginny“ vielleicht am stärksten auf, ohne aber zwingend einen Anspieltip herzugeben: Decennium steht wie ein großer Block vor dem Hörer, durch die vier Zusatzsongs und die daraus resultierende Spielzeit von über 70 Minuten noch größer wirkend, und erfordert daher so manches an Erschließungsarbeit, obwohl die Songs per se die heute üblichen Komplexitätsgrenzen im Speed Metal nicht überschreiten. Vielleicht bleiben „Undying“ und „In The Walls“ am schnellsten beim Hörer hängen, einfach weil sie zweimal auf dem Album stehen und die Unterschiede zwischen den Fassungen nicht so groß sind, dass man bestimmte Motive gar nicht mehr wiedererkennen würde – so hört man sie aber bei jedem Durchlauf zweimal und kann sie sich schneller erschließen, angefangen mit den Refrains, wobei die Chöre von „In The Walls“ in der EP-Fassung noch ein wenig stärker nach Blind Guardian tönen als in der Albumfassung.
Vom Grundkonzept her hat sich bei den Floridanern natürlich nichts verändert – sie kümmern sich immer noch um das Schaffen George R.R. Martins, und Kenner von A Song Of Fire And Ice können vermutlich auch die Wesen auf dem Cover benennen und klarstellen, warum das Cover einen durchgehenden Rosastich besitzt. Verändert hat sich allerdings die Aufnahmestruktur: Jim Morris hat Decennium zwar abermals produziert, aber diesmal in seinem Studio nur den Mix erledigt, während die Aufnahmen in zwei anderen floridanischen Studios stattfanden (allerdings unter seiner Leitung) und man das Mastering in die Hände von Jacob Hansen gab, der hier beweist, dass er durchaus nicht nur mit modernem Metal umgehen kann, sondern auch eine Hand fürs Traditionelle und einen ganz und gar „unmodernen“ Sound besitzt – die kurzen verzerrten Vokaleinwürfe in „Neverending“ und „Awakened From Nothing“ stellen neben den bereits erwähnten Gitarrenelementen in „Stargazer“ und den Grunzern in den Bonustracks die einzigen nicht konsequent traditionsmetallischen Elemente der Scheibe dar, sofern man nicht so weit gehen will, den weiblichen Gesang auch in diese Kategorie zu stellen. Sabrina singt gefühlt grundsätzlich ein wenig höher als auf ihren beiden früheren Alben, bleibt allerdings grundsätzlich im nichtklassischen Bereich und kratzt nur in wenigen Höhenlagen, etwa gleich wieder in „Stargazer“, an Farben, die man auch von Sharon den Adel kennt. Dass sie im Refrain der Neueinspielung von „The Bloody Meadow“ vom Chor zugedeckt wird – geschenkt. Insofern herrscht bei Seven Kingdoms also business as usual, und das ist in diesem Falle auch gut so: Wer mit den beiden Vorgängeralben etwas anfangen konnte, der stärkeren Geschwindigkeitsneigung nicht grundsätzlich abgeneigt ist und nicht gerade auf den schrägen Schlittenglockensound erpicht ist, der auf dem Vorgänger hier und da zu hören war und auf dem neuen Album fehlt, der macht auch mit Decennium definitiv nichts falsch.



Roland Ludwig



Trackliste
1Stargazer5:08
2 Undying5:12
3 In The Walls4:52
4 The Tale Of Deathface Ginny4:55
5 Castles In The Snow5:09
6 Kingslayer5:56
7 The Faceless Hero4:16
8 Neverending5:46
9 Hollow4:49
10 Awakened From Nothing5:32
11 In The Walls (EP Master)4:52
12 Undying (EP Master)5:11
13 The Bloody Meadow (Re-Recording)6:16
14 Stormborn (Re-Recording)3:45
Besetzung

Sabrina Valentine/Cruz (Voc)
Camden Cruz (Git)
Kevin Byrd (Git)
Aaron Sluss (B)
Keith Byrd (Dr)



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