Delalande - Lully - Couperin u. a. (Jarry)
Messe du roi soleil
DER KÖNIG BETET
Das gesamte Leben Ludwig XIV. war ein Gesamtkunstwerk der Repräsentation, bei dem die Musik eine zentrale Rolle spielte. Als Kenner und Liebhaber trug der Sonnenkönig Sorge dafür, dass alle Ereignisse bei Hof klanglich opluent ausgestattet wurden. Dazu gehörte auch die tägliche Messe, die der König mit seinem Hofstaat morgens beiwohnte, bevor es ans Regieren ging. Zu den Besonderheiten gehörte an den normalen Wochentagen die Aufführung einer großen Motette für Soli, Chor und Orchester, während der Geistliche quasi für sich alleine am Altar zelebrierte. Für die intimeren Momente konnte die Besetzung auch auf ein "petit Motet" reduziert werden.
Lediglich an Sonn- und Feiertagen wurde ausschließlich Gregorianik gesungen, begleitet von der Orgel - interessant, das die eigentlichen musikalischen Höhepunkte der "Alltagsmesse" vorbehalten waren. Die Musik diente der Andacht und Erbauung, sie schlug zumindest eine ideelle Brücke zwischen Gemeinde und Zelebrant. Ab 1710 fanden die Gottesdienst in der neuerbauten Hofkapelle statt, die gleichsam als Konzertsaal für Sakralmusik gedacht war. Ludwig XIV. persönlich soll den Aufstellungsort für Orgel und Musiker bestimmt haben: Genau über dem Hochaltar, auf der umlaufenden Galerie - direkt gegenüber dem Sitzplazt der Königs auf der Westseite.
Die vorliegende Aufnahme ist in der Versailler Schlosskapelle entstanden und vermittelt einen exemplarischen Eindruck von der liturgischen Musik des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Dabei kommen alle genannten Stile zumindest in kurzen Beispielen vor: Je ein "grand Motet" von M. R. Delalande und G. B. Lully, ein "petit Motet" von F. Couperin, einige kürzere Orgelstücke von Couperin und J.-A. Guilain sowie ein kurzer greogrianischer Einwurf zur Kommunion. Zur Eröffnung kündigt ein kurzer Marsch von F-A. Dancian Philidor den Eintritt des Königs an.
Das Ensemble Marguerite Louise singt und spielt dieses Repertoire ebenso klangschön wie klangprächtig und - darauf lässt der Schlussapplaus schließen - offenbar live. Das mag den spannungsvollen, lebendigen Zugriff erklären, der sich hier aufs glücklichste mit technischer Souveränität und musikalischer Präzision verbindet. Ob es sich um die ausdrucksvolle Eleganz Delalandes, die rhythmisch-vitale Energie eines Lully oder die Zartheit der Musik Couperins handelt: Bei diesen Musikern klingen sozusagen alle Register vorzüglich. Das Orchesterspiel ist farbig artikuliert und flexibel. Der Chor besticht durch einen vollen, reifen und frischen Klang - es wundert nicht, dass auch alle Solist*innen aus dieser Formation stammen. Sehr schön ist auch die Einbeziehung von archaischen Instrumenten wie dem Serpent sowie das vollmundige Orgelfundament. Sie verleihen der Musik ein samtig-dunkles Bassfundament, das sich deutlich von den heute im Konzertsaal üblichen Truhenorgeln abhebt (besonders schön zu hören im Chorsatz "Ad te clamabo" in der Delalande-Motette).
Unter der Leitung von Gaétan Jarry, der auch die Solostücke für Orgel beisteuert, ist ein eindrucksvolles, sinnlich-andächtiges Porträt aus dem goldenen Zeitalter der Versailler Sakralmusik entstanden, das zudem aufnahmetechnisch keine Wünsche übrig lässt. Das zweisprachige Booklet führt umfassend in die Musik ein.
Georg Henkel
Trackliste |
01 Philidor: Marche pour fifres et tambours
02 Guilain: Suite du troisième ton
03-10 Delalande: Exaltabo te Domine
11 Couperin: Messe des Couvents
12 Couperin: Venite, exultemus
13 Couperin: Messe des Couvents
14 Introibo in Domum tuam Domine
15-21 Exaudiat te Dominus |
|
|
|
|
Besetzung |
Chor und Orchester Marguerite Louise
Gaétan Jarry, Leitung und Orgel
|
|
|
|
|