Ritchie Blackmore spannt in München seinen Rainbow auf
Ritchie Blackmore hat 2016 völlig überraschend verkündet, unter dem Rainbow-Banner einige exklusive Konzerte zu geben und sich danach wieder ausschließlich Blackmore’s Night zu widmen. Er hat es sich bekannterweise anders überlegt und 2017 und 2018 vereinzelt Gigs absolviert. Der heutige Auftritt ist der einzige in Deutschland, sonst tritt er noch bei einigen Festivals als Headliner auf. Ausverkauft ist es heute trotzdem nicht, die Olympiahalle ist vom Veranstalter verkleinert worden. Ich schätze, dass ein Drittel der Tickets nicht verkauft wurde. Die Stimmung bei den Fans ist gut, etliche warten sehnsüchtig auf den Auftritt ihres Gitarren-Idols aus den 70ern. Die Shirts, die zu einem moderaten Preis von 25 bis 35 Euro verkauft werden, gehen weg wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Dazu wird noch eine Maxi-CD mit drei neuen Stücken verkauft, die mit 10 Euro auch in Ordnung geht. Als Vorband wurde die deutsch-österreichische Band Tokyo engagiert. Mir war gar nicht klar, dass die Band aktuell noch existiert. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich außer den gleichnamigen Hit „Tokyo“ auch nichts von der Band kenne. Die Truppe beginnt sehr souverän und versucht von Beginn an, das Publikum mitzunehmen. Die Musiker um Robby Musenbichler sind hervorragend aufeinander eingespielt und technisch stark. Leider ist der Sound etwas dumpf, was ihre Musik nicht so wirklich zur Geltung kommen lässt. Der Hit „Tokyo“ wird vom Münchener Publikum ordentlich beklatscht, beim Rest kommt leider nur Höflichkeitsapplaus auf. Schade, die Band hätte einen besseren Sound und mehr Unterstützung verdient gehabt. Setlist Tokyo: Stand Up Teenage Shooter Tokyo One World Too High Dreamin' of You Give Me Power Nach einer kurzen Umbaupause kommt das bekannte Intro und Ritchie Blackmore’s Rainbow kommen auf die Bühne. Als Opener wird das äußerst passende „Spotlight Kid“ präsentiert, was mir gleich zu Beginn sämtliche Nackenhaare zu Berge stehen lässt. Sänger Ronnie Romero sieht im Vergleich zu dem Auftritt 2016 in Bietigheim schon mehr wie ein Rockstar aus. Die Haare sind länger, die Tattoos sind zahlreicher geworden und er agiert wesentlich souveräner auf der Bühne. Gleich im Anschluss folgt mit „I Surrender“ eine weitere Nummer des Difficult To Cure-Albums, die auch in einer bärenstarken Version gespielt wird. Der Sound ist im Gegensatz zu Tokyo um Längen besser, man hört jedes Instrument glasklar heraus. Ritchie Blackmore postiert sich in der Mitte der Bühne und scheint sehr auf sein Gitarrenspiel konzentriert zu sein. Der Mega-Kracher „Mistreated“ versetzt die Olympiahalle in kollektive Verzückung. Romeros Gesang thront hier über allem, er setzt dem Ganzen mit seiner Vokalakrobatik wirklich das Sahnehäubchen auf. Begleitet wird er von den beiden Background-Sängerinnen Candice Night und einer weiteren Sängerin, die ich ebenfalls beim Blackmore’s-Night-Gefolge verorte. Das Stück wird heute Abend nicht so lange gespielt, wie man es von diversen Live-Aufnahmen kennt. Blackmores Soli sind gut, aber die spielerische Brillanz und die Schnelligkeit von einst hat er mittlerweile leider eingebüßt. Trotzdem ist das Gebotene immer noch ganz große Kunst an der Gitarre! Er scheint Lust auf seine Party-Kracher von einst zu haben. Anders lässt es sich nicht erklären, dass er sogar das ihm sonst so verhasste „Since You’ve Been Gone“ in einer kurzen Variante vom Stapel lässt. Blackmore spielt auf was er gerade Lust hat und so gestaltet sich dann auch die Setlist. So bleiben Deep-Purple-Kracher natürlich nicht aus, wobei der Fokus erfreulicherweise auf dem Rainbow-Material liegt. Bei den Purple-Nummern geht Blackmore auf Nummer sicher und bietet mit dem partytauglichen „Black Night“ und dem von Jens Johansson in bester Jon-Lord-Manier gespieltem „Perfect Strangers“ feinste Gourmetkost, die allen Anwesenden bekannt sind. Blackmore ist ganz klar der Chef im Ring. Wenn improvisiert wird, bestimmt er das Ende und macht sich dabei optisch recht deutlich bemerkbar. Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie er bei den Soli geradezu mit seinem Instrument verschmilzt und dadurch einen entrückten Eindruck macht. Zwischen den Songs wirkt er gut gelaunt und dirigiert sogar die Fans bei „Black Night“ während des Gesangs. Direkt mit dem Publikum spricht er auch heute nicht. Manchmal sagt er etwas zu Romero, der es dann dem Publikum „übersetzt“. So witzig oder herausragend ist das Ganze dann allerdings nicht, von daher hätte man sich das auch sparen können. „Difficult To Cure“ ist Blackmore’s Paradestück, das viele jedoch für eine kurze Pinkel- oder Bierpause nutzen. Musikalisch ist die Band im Gegensatz zu dem Auftritt 2016 viel besser aufeinander eingespielt. Die Rhythmusgruppe um Schlagzeuger David Keith und Bassist Bob Nouveau scheint sich gefunden zu haben. Jens Johansson sorgt für das angenehme Hammond-Gurgeln im Hintergrund und Candice Night sorgt mit ihrer Kollegin für einen ordentlichen Background-Gesang, der vor allem bei den Joe-Lynn-Turner- und Graham-Bonnet-Nummern sehr gut dazu passt. Ein wirkliches „Band-Gefühl“ kommt aber auch heute nicht auf. Witzig finde ich, dass sich Candice Night und Kollegin nicht lumpen lassen und bei den Dio-Nummern – ganz besonders bei „Stargazer“ – am rechten Bühnenrand zu headbangen, was das Zeug hält. So überzeugend sie normalerweise bei Blackmore’s Night agieren, so engagiert bringen sie sich auch heute ein. Respekt! Bei „Carry On… Jon“, einem Blackmore’s-Night-Stück, werden im Hintergrund Fotos von Ritchie Blackmore zusammen mit Jon Lord eingeblendet. Das sorgt teilweise für Szenenapplaus, ich finde diese Hommage an Lord eine feine Sache. Nach dem Konzert regen sich einige Fans vehement darüber auf, dass Ronnie James Dio mit keiner Silbe oder keinem Foto erwähnt wurde… Das Publikum geht gut mit, auch bei diversen Mitsing-Spielchen beweisen die Fans aus allen Ecken Europas Textsicherheit. Wobei man sagen muss: echte Begeisterung kommt heute Abend nicht auf. Woran es liegt, kann ich nicht wirklich sagen. Für mich war der Auftritt 2016 wesentlich eindrucksvoller. Der „Überraschungsmoment“ Ronnie Romero und schon allein die Tatsache, dass sich Blackmore wieder die weiße Fender Stratocaster umgehängt hat, war für mich damals schon Grund genug, schon Wochen vor dem Auftritt euphorisch zu sein. Das wuchtige „Burn“ beendet nach grandiosen Orgel- und Gitarrensoli den regulären Teil. Der gute Ritchie zeigt sich hier äußerst fannah und wirft in rauen Mengen Tourshirts und CDs ins Publikum. Als Zugabe wird dem Publikum noch eine recht originelle Version des Alltime-Krachers „Smoke On The Water“ um die Ohren gehauen, bei dem der Party-Faktor noch einmal ziemlich an die Decke schnellt. Danach ist Feierabend, das Licht geht an und Ritchie Blackmore’s Rainbow verlassen unter großem Beifall die Bühne. Insgesamt geht der Auftritt mehr als in Ordnung, das Publikum dürfte größtenteils sehr zufrieden und mit einem breiten Grinsen im Gesicht nach Hause gehen. Wie lange Blackmore das Rainbow-Ding noch durchzieht, wird er vermutlich selbst noch gar nicht richtig wissen. Prinzipiell spricht nichts gegen eine Koexistenz seiner beiden musikalischen Formationen. So lange es die Fans noch sehen wollen und zu den Konzerten kommen, wird Herr Schwarzmeer vermutlich mit Rainbow noch eine Weile weitermachen. Setlist Ritchie Blackmore’s Rainbow: Spotlight Kid I Surrender Mistreated Since You Been Gone Man on the Silver Mountain / Woman From Tokyo Perfect Strangers Black Night Difficult to Cure All Night Long Stargazer Long Live Rock 'n' Roll Carry On... Jon Burn Smoke on the Water Stefan Graßl |
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