Kleiner Ausflug zum Wudzdog Open Air 2018 mit Willow Child, My Baby und Fischer-Z




Info
Künstler: Wudzdog Open Air 2018

Zeit: 01.06.2018

Ort: Dorndstadt

Fotograf: Ulrich Hopp (Bilder von Willow Child)

Internet:
http://www.waldgeister-dornstadt.de

Das Wudzdog-Festival findet heuer bereits zum 18. Mal statt! Es ist unglaublich, wie schnell die Jahre vergehen… Auch diesmal ist es den umtriebigen „Waldgeistern“ wieder gelungen, ein abwechslungsreiches Programm auf die Beine zu stellen. Da mich Fischer Z am meisten interessieren, habe ich mir ein Tagesticket für 27,50 Euro gekauft – ein fairer Preis!

Dornstadt befindet sich in der Nähe von Oettingen in Bayern. Die Stadt dürfte durch das Bier auch in ganz Deutschland bekannt sein. Die Bewohner des Dörfchens Dornstadt helfen alle zusammen und bereiten schon Wochen vorher in unzähligen ehrenamtlichen Stunden alles für das Festival vor. Es ist immer wieder erstaunlich, welcher Einsatz hier gezeigt wird! Das Festivalgelände liegt traumhaft neben einem Weiher und wird von malerischen Wiesen und etlichen Bäumen umrahmt. Eine paradiesische Idylle, die dem Hippie-Ideal von Woodstock ziemlich nahe kommen dürfte. Vom Publikum her sind sehr viele junge Fans von 16 - 25 Jahre vor Ort, die mittlerweile nachgerückt sind. Aber auch von den Hippies, die schon vor 18 Jahren dabei waren, sind noch genügend am Start. Ein richtig gemütliches Publikum sozusagen!


Die erste Band WILLOW CHILD aus Nürnberg habe ich bereits 2017 in Nürnberg als Vorband von Wolvespirit gesehen. Damals haben sie schon einen starken Auftritt hingelegt. Mittlerweile haben die Musiker aus Erlangen ihr erstes Album Paradise And Nadir am Start, das sie auf der gerade aktuellen Tour präsentieren. Die Tour hat sie sogar ins Nachbarland Österreich geführt, das muss man als Band erst einmal schaffen! Das Quintett startet um 18 Uhr und für diese Tageszeit hat hier schon eine beachtliche Zuschauermenge vor der Bühne versammelt.

Mit ihrem sehr angesagten Retro-Rock legen die Musiker fulminant los und scheren sich nichts um die Tageszeit oder darum, dass sie die erste Band des Tages sind. Wie eine gut geölte Maschine lassen sie Song um Song vom Stapel. Man merkt ihnen deutlich an, dass sie sich auf der laufenden Tour befinden und seit dem 18.5. bereits elf Auftritte hinter sich gebracht haben.

Sängerin Eva Kohl hat im Vergleich zum vergangenen Jahr einiges an Routine und Bühnenpräsenz dazugewonnen. Sicher und souverän steht sie in der Mitte der Bühne und zieht die Zuschauer in ihren Bann. Die Musiker ziehen bewusst Vintage-Klamotten an und benutzen auch Instrumente, die man durchaus als „oldschool“ bezeichnen kann. Der Sound vor der Bühne ist sehr laut, ansonsten aber sauber ausgesteuert. Für mich als alter Uriah-Heep und Deep-Purple-Fan ist das Highlight natürlich die gute alte Hammond-Orgel, aus der Organist Johnny wie einst Jon Lord ultraharte Sägesounds rausprügelt. Für mich ein Markenzeichen der Band, das man heutzutage lange suchen kann. Gitarrist Flo lässt seine Einflüsse wie Eric Clapton oder Jimi Hendrix klar durchschimmern, stellt diese jedoch perfekt in den Dienst der Band. Die Rhythmusgruppe um den dynamischen Schlagzeuger David und den präzisen Javier am Bass lässt nix anbrennen und setzt die Musik rhythmisch perfekt in Szene. Sängerin Eva spielt hin und wieder selbst eine Gibson Flying V. Zwischen manchen Stücken wird locker improvisiert, was jedoch nie langweilig oder nervig ist. Die 90 Minuten vergehen wie im Flug und die „Weidenkinder“ bekommen von den anwesenden Blumenkindern nach dem abwechslungsreichen und starken Gig ordentlich Beifall, den sie sich hoch verdient haben. Ich denke, dass die Musik noch besser wirken würde, wenn sie bei Dunkelheit präsentiert wird.

Setlist Willow Child:
1. Red Wood
2. Holy town
3. Hale rose
4. Little Owl
5. Land of sloe
6. Intro (Jam)
7. Beyond the blue fields
8. Eirene
9. Intro (Jam)
10. Easy Road to Luck
11. Starry road
12. Mayflies
13. Dragonaut (Coverversionen, Original von Sleep)
14. Unspoken

Willow Child




Zwischen den jeweiligen Hauptacts spielen auf einer kleinen Nebenbühne noch PICHI & FRIENDS diverse Rockklassiker von Jimi Hendrix, Led Zeppelin oder The Who. Auch hier sind etliche Zuschauer vor der Bühne versammelt und lauschen den bunten Klängen, die er zusammen mit einem Schlagzeuger und einem Bassisten gekonnt vom Stapel lässt.

Das durchaus gewollte Hippie-Flair ist auf dem Festival jederzeit mehr als deutlich spürbar. Es gibt verschiedene Stände, bei denen man Räucherstäbchen, diverse Hippie-Klamotten, Traumfänger, Schallplatten usw. kaufen kann. Hier ist keiner in Hektik, alle sind relaxt und gut drauf. Die eine oder andere Kräuterzigarette dürfte zu dieser Entspanntheit natürlich schon auch beigetragen haben… Daneben gibt es etliche Essensstände, bei denen es preisgünstiges und qualitativ hochwertiges Essen zu kaufen gibt. Auch die Getränkepreise sind mehr als fair. Sehr empfehlenswert ist die Kuchentheke! Hier gibt es tollen Kaffee und hausgemachten Kuchen, einer leckerer als der andere.


Die nächste Band war bereits 2017 auf dem Wudzdog-Festival und hat da schon ordentlich abgeräumt. Die Rede ist von MY BABY aus Amsterdam. Die Band beschreibt ihre Musik selbst als „prähistorischer Rhythmus“, der geprägt ist von alten Stammesrhythmen und Schamanentänzen. Sängerin Cato van Dyck und Schlagzeuger Sheik sind Geschwister, die von dem neuseeländischen Gitarristen Daniel “da Freez” Johnston komplettiert werden. Die Vorfreude der Festivalbesucher auf diese Band ist riesengroß, sie haben bereits im letzten Jahr um Mitternacht mächtig abgeräumt. Können sie diesen Erfolg wiederholen?

Das Trio betritt die Bühne und sofort merkt man, dass hier etwas Außergewöhnliches am Start ist. Die extravagante Sängerin Cato und Gitarrist Daniel Johnston spielen abwechselnd Gitarre und Bass. Bei manchen Songs spielt die Sängerin noch eine phantastische E-Geige. Die Solos, die sie dabei dem Instrument entlockt, würden Jimi Page definitiv zum Heulen bringen!

Rhythmisch ist das Ganze für mich eine Mischung aus Trance- und Techno-Musik. Es ist so unwirklich, bei diesem abgefahrenen Sound drei Leute auf der Bühne stehen zu sehen, die diese Musik „von Hand“ selbst machen. Der Schlagzeuger ist irre, ein absolutes Vorbild an Präzision und Timing. Er spielt den ganzen Abend nahezu denselben Rhythmus und kommt dabei nicht einmal aus dem Takt. Die zierliche Sängerin Cato hat eine Stimme, die so durchdringend und atmosphärisch ist, dass sie einem schier das Blut in den Adern gefrieren lässt. Dem Rhythmus kann sich selbst ein ausgemachter Tanzmuffel wie ich nicht entziehen. Selbst ein ordentlicher Regenschauer tut der Stimmung keinen Abbruch, der Platz vor der Bühne bleibt voll. Diese Musik ist nicht einzuordnen, Einflüsse von Blues und Funk schimmern hier ebenso durch wie Rock-Anleihen, die jedoch ganz gezielt eingesetzt werden. Die Stimmung im Publikum ist der Hammer, hier geht definitiv die Post ab! Die Musiker selbst spielen sich in einen wahren Spiel-Rausch, den sie jedoch jederzeit kontrollieren können. Was dieses Trio an Energie freisetzt, muss man einfach erlebt haben. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, diese Musik bei mir zu Hause anzuhören. Live funktioniert diese abenteuerliche Mischung jedoch bestens. Nach 90 Minuten bekommen die Holländer frenetischen Applaus, die Musiker sind sichtlich gerührt von den sympathischen Publikumsreaktionen.


Jetzt wird es für FISCHER-Z um das einzig verbliebene Ur-Mitglied und Sänger John Watts schwierig, dieses Energielevel zu halten. Bereits beim Soundcheck zeigt sich, dass ein Großteil der jungen Zuschauer nach My Baby das Festivalgelände verlassen und sich aufs Campinggelände zurückgezogen hat. Fischer-Z machen das Beste daraus und fangen trotz des gehörigen Schwunds vor der Bühne einfach mal an. Klangtechnisch haben auch sie einen hervorragenden Einstieg erwischt. Der Sound ist klar und deutlich, man kann jedes Instrument perfekt heraushören. Sänger und Gitarrist John Watts wirkt sehr agil und stimmlich voll auf der Höhe. Ich kenne von der Band lediglich die beiden Alben Going deaf for a living und Red Skies Over Paradise“. Von daher lasse ich mich einfach überraschen. Bereits der zweite Song „Room Service“ gefällt mir ausgezeichnet, etliche Leute bewegen sich zu dem doch sehr bekannten Stück, das mit deutlichen Reggae-Anleihen gewürzt ist.

Und was ich schon nicht mehr für möglich gehalten hatte, gelingt der Truppe: Sie bekommen trotz My Baby noch gehörige Aufmerksamkeit vom Wudzdog-Publikum und ziehen dies in ihren Bann. Natürlich können sie energiemäßig mit My Baby nicht mithalten, aber das wollen sie auch gar nicht. Die Musiker sind allesamt Meister ihres Fachs, die alle Stücke perfekt in Szene setzen und den bestens aufgelegten John Watts sehr gut aussehen lassen. Schlagzeuger Sinisa Banovic und Bassist Jesse Cuts sorgen für einen unbändigen Groove, der für diese Art von Musik sehr wichtig ist. Gitarrist Marian Menge unterstützt John Watts nach Kräften und haut tolle Solos raus. Überhaupt klingen die Songs keinesfalls angestaubt, sondern frisch und zeitgemäß, ohne den ursprünglichen Charakter der Stücke zu zerstören. Viel improvisiert wird hier nicht, die Lieder werden schnörkellos nahe den Studioversionen gespielt. Für die besonderen Farbtupfer sorgt Keyboarder Adrien Rodes, der perfekt die sehr wichtigen Passagen gezielt einbringt.

John Watts ist ein Mensch, der sein Ohr immer am Puls der Zeit hat und aktuelle Strömungen und politische Veränderungen durchaus mit wachem Geist beobachtet und daraus seine Inspiration für die Texte nimmt. Das Dornstädter Publikum hat im positiven Sinne manchmal schon einen Sprung in der Schüssel. Zu „Limbo“ setzen einige jüngere Besucher das Motto des Songs um und tanzen unter einer Stange tatsächlich Limbo, was wirklich zum Schießen ist. Am besten gefallen mir natürlich die Songs von der Red Skies Over Paradise-Scheibe, wobei mir hier natürlich „Cruise Missiles“ gefehlt hat. „Cruise Missiles“ zeigt deutlich die damalige angespannte politische Situation des kalten Krieges, bei dem die Supermächte ein gegenseitiges Wettrüsten veranstaltet haben.

Die Klassiker dieses Album bilden dann auch den Abschluss eines äußerst kurzweiligen Konzerts. Songs wie das fabelhafte „Marliese“, das lässige „In England“, das fabelhafte „So Long“ und natürlich „Berlin“ bringen die Stimmung zum Schluss hin noch einmal auf Hochtouren. John Watts ist sichtlich erfreut über die positiven Publikumsreaktionen und verabschiedet sich mit dem Song „Further From Love“, bei dem er alle Musiker einzeln vorstellt. Das ist originell: Die Musiker gehen jeweils nach der Vorstellung von der Bühne, am Schluss steht nur noch Watts auf ihr, der sich winkend vom Publikum verabschiedet. Für mich ein starker Auftritt einer Truppe, der man es mit der Band vorher verdammt schwergemacht hat. Hier wäre es vielleicht besser gewesen, zuerst Fischer-Z und dann My Baby spielen zu lassen. Aber wie sagt ein Festivalbesucher neben mir: Das Leben ist kein Wunschkonzert! Damit hat er recht – und Fischer-Z haben das Beste daraus gemacht.

ca. Setlist Fischer Z:
1. Angel of Gardenia
2. Room Service
3. So Close
4. Wax Dolls
5. The Worker
6. Battalions of Strangers
7. So Long
8. Limbo
9. Row Boys Row
10. Red Skies Over Paradise
11. Wild Wild Wild Wild
12. Pretty Paracetamol
13. One Voice
14. Marliese
15. The Perfect Day
16. In England
17. Berlin
18. Further From Love


Danach spielt von 0.45 Uhr bis 2.15 Uhr noch die Band España Circo Este. Ich bin jedoch so fertig, dass ich nach Fischer-Z heimgehe und daher über die letzte Band des Tages nichts mehr berichten kann.

Fazit: Ein äußerst gelungenes Festival, bei dem auch das Ambiente stimmt. Wäre schön, wenn auch nächstes Jahr wieder für mich etwas dabei ist. Ich komme gerne wieder!



Stefan Graßl



 << 
Zurück zur Artikelübersicht