Gluck, Chr. W. (Fasolis)
Orfeo ed Euridice
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Info |
Musikrichtung:
Oper
VÖ: 18.05.2018
(Erato / Warner / CD / 2017 / Best. Nr. 0190295707941)
Gesamtspielzeit: 77:38
Internet:
Philippe Jaroussky
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ORPHEUS IST SPÄT DRAN
Um bei Christoph Willibald Glucks Oper „Orfeo ed Eurdice“ noch zu einer Weltersteinspielung zu gelangen, braucht es schon einige Verrenkungen. Aber es geht. Nun gut, jetzt kennen wir also auch die Version, die 1774 in Neapel als dortige Erstaufführung über die Bühne ging. Sie ist allerdings so neu nicht, ähnelt sie doch in vielem der schon bekannten Version, die Gluck selbst 1769 für Parma erstellt hatte: Die Partie des Orfeo wird dementsprechend auch hier auf Sopran-Höhe angehoben, die Orchestrierung vereinfacht (Zinken, Posaunen, Englischhorn und Chalumeau entfallen), die Balletteinlagen gekürzt oder gestrafft. Als wäre dies der Eingriffe zu Lasten der Farbigkeit nicht schon genug, wartet die Neapel-Version dann noch mit zwei Einschüben auf, die nicht von Gluck, sondern vom dilettierenden Adligen Diego Naselli stammen. Er ergänzte das Werk um eine bravouröse Arie der Euridice („Tu sospiri…“, wofür das „Che fiero tormento“ entfällt) sowie um eine eigene, recht deutlich veränderte Version des Duetts der beiden Liebenden („Vieni, appage il tuo consorte“). Letzteres mag man als vom Ton her brillanter, in der Anlage dramatischer als Glucks Originalfassung noch durchgehen lassen. Euridices Arie hingegen ist von ärgerlicher Gewöhnlichkeit und von Glucks kompositorischem Niveau Lichtjahre entfernt.
All das wären – heute wie damals – lässliche Marketingsünden, würde die Einspielung sich denn im Übrigen als wirklich innovativ erweisen. Doch das ist nicht der Fall. Das Orchester I Barocchisti spielt unter Leitung von Diego Fasolis flott, zum Teil auch etwas spitz bis zackig. Der Coro della Radiotelevisione svizzera lässt die Monster und Furien der Unterwelt, die Orpheus den Zutritt zunächst verwehren wollen, recht glatt und wenig unheimlich oder gar grausam tönen.
Also müsste der Star in der Titelpartie es herausreißen. Und: Ja, die Gestaltungs- und sublime Verzierungskunst von Philippe Jaroussky ist unverändert bewundernswert. Da hat noch immer jede Note, jede Silbe Bedeutung. Hochdramatische Zuspitzungen sind nicht unbedingt seine Sache, wie sich schon im anfänglichen Verzweiflungsruf „Euridice“ hören lässt, der leicht unsauber übersteuert wirkt. Jarousskys Stärke lag und liegt in der Gestaltung der ruhigen Momente, in der Differenzierung des Tons. Hier aber zeigt sich auch, dass diese Einspielung für ihn leider etwas zu spät kommt – die Spitzentöne der Sopranpartie liegen mittlerweile etwas zu hoch für den Countertenor, dessen Stimme naturgemäß nachgedunkelt ist. Dies führt dazu, dass dieser Orpheus zwar immer noch gefällt, aber nicht so süß betörend und überirdisch perfekt auftritt, dass er ein Herz aus Stein rühren würde.
Amanda Forsythes mädchenhafte Euridice kann das nicht wettmachen und auch der überaus pfiffige, charmante Amor, den Emöke Baráth gibt, hebt die Einspielung nicht auf jene Spitzenposition, die man angesichts der Besetzungsliste erwarten würde.
Sven Kerkhoff
Besetzung |
Philippe Jaroussky, Countertenor: Orfeo
Amanda Forsythe, Sopran: Euridice
Emöke Baráth, Sopran: Amor
I Barocchisti
Coro della Radiotelevisione svizzera
Diego Fasolis: Ltg.
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