Reinhard Mey

Mein Achtel Lorbeerblatt (Vinyl)


Info
Musikrichtung: Liedermacher / Chanson

VÖ: 12.05.2017 (1972)

(Universal)

Gesamtspielzeit: 40:02

Internet:

http://www.reinhard-mey.de


Reinhard Mey, die zweite! Und das ist eine deutliche Steigerung zum zuvor besprochenen Album. Zu Recht hat der Berliner Liedermacher mit Mein achtel Lorbeerblatt zum ersten (und bis 2007 letzten) Mal die Pole Position der deutschen Album Charts erreicht. Die Hälfte der hier vertretenen Stücke gehört zu den Top-Titeln seines Backkatalogs.

Die humorvolle Seite kommt dabei bei der Pseudo-Intellektuellen-Parodie „Annabelle, ach Annabelle“ im schwungvollen Charleston-Rhythmus und der grandiosen Karikatur „Die heiße Schlacht am kalten Buffet“ zu ihrem Recht. Ein echter Klassiker ist das einzige nicht von Mey selbst geschriebene „Gute Nacht, Freunde“, das wieder einmal die Party im Freundeskreis zum Thema hat. Politisch völlig unkorrekt wäre das Vorurteil beladene und dieselben enttarnende „Musikanten sind in der Stadt“.
„Bevor ich mit den Wölfen heule“ ist mit fast karibischen Rhythmen quasi das inhaltliche Gegenbild zu „Annabelle“ und steckt den Erwartungshaltungen anderer genau wie „Mein achtel Lorbeerblatt“ den Stinkefinge entgegen – im Prinzip auf ganz anderem Niveau eine Haltung, die die Onkelz auf fast jedem ihrer Alben einnehmen.

Aber auch das Beiblatt hat noch einiges parat. Schwächeln tun das wiederum umständliche Liebeslied (Das ist nicht Meys Genre!) „Manchmal wünscht‘ ich“ und das schräge (zum Glück nicht queere – das wäre hier heute denkbar) „Ich wollte immer schon ein Mannequin sein“ und das Nonsens-Stück „Alles was ich habe“ zur Küchenschabe.

„Schade, daß Du gehen mußt“ beschäftigt sich wieder mal mit dem (St)Erben. Bemerkenswert ist „In Tyrannis“, das sich ähnlich wie „Aus meinem Tagebuch“ in einen anderen Menschen hinein versetzt. Dieses Mal ist es jemand, der offenbar aus politischen Gründen in einer Zelle sitzt und mit Rechtlosigkeit und Willkür fertig werden muss. So konkret politisch habe ich Reinhard Mey sonst noch nie erlebt. Offen bleibt, worauf sich der Sänger bezieht. Ist hier 1972 bereits an die Terroristen-Hatz in der BRD zu denken? Oder sind hier Gefängnisse in der DDR oder Lateinamerika gemeint? Mit Andeutungen hält sich der Sänger konsequent zurück.

Der Vinyl-Re-Release kommt – wie gehabt – im originalgetreuen Nachdruck der 72er Erstausgabe. Dieses Mal allerdings im aufklappbaren Gatefold-Cover. Neben dem Universal-Logo ist dieses Mal auch die Adresse der Mey-Website auf dem Cover aufgedruckt. Das 180g Vinyl steckt wiederum im unbedruckten und ungefütterten weißen Innencover. Der LP liegt ein Downloadcode bei. (Das war auch beim Vorgänger so – nur hatte ich dort den Bierdeckel großen Einleger übersehen.)

Wer sich nur ein Reinhard Mey-Album zulegen will, sollte das Achtel Lorbeerblatt nehmen, oder auf das 74er Live-Album 20.00 Uhr zurückgreifen, auf dem neun der zwölf Songs enthalten sind – nebst einigen weiteren Klassikern.



Norbert von Fransecky



Trackliste
Seite 1
1 Musikanten sind in der Stadt (3:23)
2 Manchmal wünscht' ich (2:58)
3 Annabelle, ach Annabelle (4:03)
4 Alles, was ich habe (1:55)
5 Schade, daß Du gehen mußt (4:22)
6 Die heiße Schlacht am kalten Buffet (3:16)

Seite 2
7 Mein achtel Lorbeerblatt (3:28)
8 Herbstgewitter über Dächern (3:13)
9 In Tyrannis (Von Wand zu Wand sind es vier Schritte) (5:30)
10 Bevor ich mit den Wölfen heule (2:53)
11 Ich wollte schon immer ein Mannequin sein (2:10)
12 Gute Nacht, Freunde (2:51)
Besetzung

Reinhard Mey (Voc, Git)
Heinz Cramer (Git)
Kai Rautenberg (Klavier, Glockenspiel, Cembalo)
Hajo Lange (B)
Heinz Niemeyer (Dr)
Addi Feuerstein (Flöte)
Hubert Schulte (Flöte)



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