Leoparden sorgen für anhaltende Taubheit: Def Leppard zusammen mit den Black Star Riders live in Stuttgart
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Mit Def Leppard kommt eine Band nach Deutschland, die sich nur sehr selten in unsere Breitengrade „verirrt“. Die letzte Tour fand 2003 statt. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Veranstaltung nahezu ausverkauft ist. Viele Fans laufen mit einem Shirt der Pyromania-Scheibe herum. Ich bin sehr beeindruckt, damit hätte ich nicht gerechnet. Das Rätsel wird jedoch gelüftet. Vor ca. einer Woche hat ein Discounter genau dieses Shirt für 5 Euro verscherbelt… Diese Aktion und Preise von 30 Euro aufwärts pro Shirt sorgen dafür, dass kaum offizielles Merchandise verkauft wird.
Ich war vorher noch nie in der Porsche-Arena. Sie liegt direkt gegenüber der Schleyerhalle und ist sogar durch das gleiche Foyer begehbar. Allerdings ist die Halle deutlich kleiner. Ich schätze, dass ca. 6.000 Zuschauer reinpassen. Als Anheizer haben sich Def Leppard die BLACK STAR RIDERS an Land gezogen. Die sagenhafte Live-Band um den ehemaligen Thin-Lizzy-Veteran Scott Gorham habe ich mir letztes Jahr im Nürnberger Hirsch angeschaut und war hellauf begeistert. Mit dem neuen Album Killer Instinct im Gepäck bin ich auf die Songauswahl sehr gespannt.
Mit einem Westernintro kommt die spielfreudige Truppe auf die Bühne. Mittlerweile hat für den altbekannten Bassisten Marco Mendoza, der sich leider verabschiedet hat, Robbie Crane seinen Platz eingenommen. Die Black Star Riders setzen alles auf eine Karte und fangen mit dem schmissigen „Bound For Glory“ von ihrem Debüt-Album an. Sie könnten es sich auch leicht machen und gleich zu Beginn einen Song von Thin Lizzy spielen, was sie aber eben gerade nicht tun. Natürlich kommt mit „Jailbreak“ und dem umjubelten „The Boys Are Back In Town“ auch der eine oder andere Lizzy-Kracher. Aber es überwiegt ganz klar der Black-Star-Riders-Anteil. Die Songs des ersten Albums kenne ich gut. Sie sorgen für Partystimmung im Publikum und heizen den Stuttgartern ordentlich ein. Ricky Warwick gibt wie immer alles und hat von Beginn an das Ziel, das Publikum anzustacheln. Das gelingt ihm auch ganz gut. Diese Spielfreude steckt die ganze Band an. Egal auf wen man schaut: alle sind hochmotiviert. Die Doppel-Lead-Gitarren von Scott Gorham und Damon Johnson sind eine wahre Ohrenweide. Gorham scheint in einen Jungbrunnen gefallen zu sein und lässt sich sichtlich begeistert von seinen teilweise doch deutlich jüngeren Bandkollegen mitreißen. Jimmy DeGrasso und Robbie Crane sorgen für ordentlich Rhythmus. Robbie Crane hat sich sehr gut in die Band integriert und grinst fast das ganze Set durch bis über beide Ohren.
Das abschließende „Whiskey In The Jar“ sorgt für Feierlaune in der Halle. Die Band schafft es tatsächlich, dass fast die komplette Arena mitsingt! Unter großem Jubel verlassen die Musiker die Bühne. Die haben den Job des „Anheizers“ wirklich toll ausgefüllt, besser kann man es definitiv nicht machen. Was ich jedoch sehr schade finde: Der Sound ist hundsmiserabel. Bass und Schlagzeug sind viel zu laut eingestellt. Das ganze schmerzt akustisch regelrecht, ich habe manchmal das Gefühl, dass es mich umhaut oder mir jemand eine Bratpfanne über die Ohren knallt. Die Gitarren hört man nicht optimal, was vor allem bei den Soli den Hörgenuss deutlich reduziert. Und in die neuen Songs kann ich mich zumindest nicht reinhören, weil man die Strukturen und Melodien nicht klar erkennen kann. Fazit: Wer eine tolle Vorband engagiert, sollte dieser auch einen ordentlichen Sound geben!
Setlist Black Star Riders:
Bound for Glory
Jailbreak
Kingdom of the Lost
Are You Ready
Bloodshot
Through the Motions
The Boys Are Back in Town
The Killer Instinct
Whiskey in the Jar
Nun steigt die Vorfreude im Rund deutlich. Ich bin sehr auf die Setlist der „tauben Leoparden“ gespannt. Als Intro fungiert der Song „Won’t Get Fooled Again von The Who. Bereits hier fällt auf, wie brutal Bass und Schlagzeug eingestellt sind. Wohlgemerkt: Der Song kommt vom Band! Als DEF LEPPARD dann mit „Rock! Rock! (Till You Drop)“ auf die Bühne steigen, bin ich total baff. Der Sound ist genauso grottig wie bei der Vorband, allerdings noch viel lauter! Den Gesang von Joe Elliot hört man zuerst fast gar nicht. Was brutal dominiert ist der Bass. Rick Savage haut ziemlich rein, man hört jedoch keinen einzigen Ton, sondern nur ein abartiges Wummern. Schlagzeuger Rick Allen verstärkt das ganze noch. Heraus kommt ein einziger undefinierbarer Brei. Ich habe Stöpsel in den Ohren und halte mir zusätzlich meine Lauscherchen zu. Was soll das denn bitte?
Für optischen Brechreiz sorgt Gitarrist Phil Collen. Dass er gerne in die Muckibude geht, ist ja hinlänglich bekannt. Aber muss es sein, dass er sich vor dem Auftritt einölt? Sowas deppertes hab ich lange nicht mehr gesehen. Bei jedem Solo hat man außerdem das Gefühl er stellt sich so hin, dass seine Muckis möglichst gut zur Geltung kommen. Kann man mögen - ich finde es sehr übertrieben. Musikalisch kann man ihm keinen Vorwurf machen, er spielt astrein und ist ein zuverlässiger Background-Sänger. Joe Elliot ist heute ein wahrer Entertainer. Er heizt die Fans an, macht wahre David-Coverdale-Gedächtnisübungen mit seinem Mikrophonständer, singt kraftvoll und sehr gut.
„Animal“ kommt beim Publikum erwartungsgemäß super an. Überhaupt sind die Fans in der Porsche-Arena in sehr guter Laune und feiern die Jungs wie verlorene Söhne. „Let It Go“ ist mein persönliches Highlight. Die Band spielt den Song sehr schmissig und rotzig. Mir gefällt die Scheibe High'n'Dry ingesamt sehr gut. Wegen mir hätten sie davon ruhig noch ein paar Songs mehr spielen können. Joe Elliot stellt während des Konzerts sämtliche Bandmitglieder vor. Am meisten freut er sich über Vivian Campbell, der nach überstandener Krebserkrankung wieder gesund ist und weiterhin fest zur Band gehört. Auch Campbell ist sichtlich gerührt über die Ansage und spielt einen beeindruckenden Gig. Von seiner Krankheit merkt man nichts. Ich habe eher den Eindruck, dass er sich regelrecht zurückgefightet hat. Auf der Bühne ist ständig Bewegung angesagt. Die Musiker nutzen die volle Breite der coolen Bühne, die mit einer tollen Video-Leinwand ausgestattet ist. Vor allem Rick Savage müsste Kilometergeld bekommen - er ist immer in Action!
Mein Kumpel und ich schauen uns beide recht entgeistert an, als „Love Bites“ anfängt. Die Einblendungen zu Beginn gehen so dermaßen in die Magengrube, dass wir wirklich flüchten und uns weiter hinten in die Halle zurückziehen. Das anschließende Basssolo, bei dem man es nur wummern hört und keinen einzigen gespielten Ton, gibt uns den Rest und wir verlassen die Halle in Richtung Foyer. Da zeigt es sich, dass wir bei weitem nicht die einzigen sind. Etliche Fans lassen draußen die Köpfe hängen und sind sehr traurig darüber, dass diese tollen Songs mit so einem Horror-Sound präsentiert werden. Nicht wenige verlassen auch vorzeitig das Konzert. Das Problem ist: Die Jungs können ja spielen! Der Gesang von Joe Elliot ist gut, der Background hervorragend und sämtliche Instrumentalisten sind für mich absolute Top-Musiker. Aber der Sound ist sehr grenzwertig. Einige im Foyer sprechen gar von „Körperverletzung“.
Wir versuchen unser Glück bei „Hysteria“ ein zweites Mal, jetzt auf der Tribüne. Da ist es ein bisschen besser, geht aber auch nicht besonders lange gut. Der Bass dröhnt und wummert, es ist eine einzige Sauerei. Bis nach „Let’s Get Rocked“ halten wir’s aus, dann streichen wir endgültig die Segel. Ich hab die Schnauze voll, so was hab ich in all den Jahren in denen ich auf Konzerte gehe, noch nicht erlebt. Nicht mal bei Motörhead, Ted Nugent oder Manowar. Da war der Sound auch laut, aber wenigstens gut ausgesteuert. Nach „Photograph“ und ziemlich exakt 90 Minuten hören die Engländer dann auf. Das Publikum feiert die Rückkehrer ziemlich enthusiastisch und das auch völlig zurecht. Die Band hat während der eineinhalb Stunden alles gegeben und Hit auf Hit präsentiert. Nur: Für den Sound haben sie von mir keinen Applaus verdient! Entweder hat der Mischer das gar nicht gemerkt oder es ist so beabsichtigt gewesen. Direkt vor der Bühne soll der Sound gut gewesen sein. Andere berichten dass es auch dort nicht auszuhalten war.
Fazit: Musikalisch sicher ein sehr gutes Konzert! Vom Sound her kann man der Band allerdings höchstens Regionalliga-Niveau bescheinigen, und das ist für eine Klasse-Combo wie Def Leppard in meinen Augen viel zu wenig. Für mich war das definitiv mein letztes Def-Leppard-Konzert!
Setlist Def Leppard:
Rock! Rock! (Till You Drop)
Animal
Let It Go
Foolin'
Promises
Paper Sun
Love Bites
Armageddon It
Bass Solo
Rock On
Two Steps Behind
Rocket
Bringin' on the Heartbreak
Switch 625
Hysteria
Let's Get Rocked
Pour Some Sugar on Me
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Rock of Ages
Photograph
Stefan Graßl
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