Musik an sich


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Runderneuert wollen Cryptex mit ihrem zweiten Album die Welt erobern




Info
Gesprächspartner: Andre Mertens (Git)

Zeit: 15.05.2015

Ort: Hannover-List, Café Tabac

Interview: Face 2 Face

Internet:
http://www.cryptexmusic.com

Vor dreieinhalb Jahren hatte uns Simon Moskon erste Fragen zu Cryptex beantwortet. Damals war gerade das Debüt-Album erschienen, hatte gute Kritiken eingefahren und aus den Antworten von Simon sprach die Hoffnung oder sogar die Erwartung, dass es jetzt mit der Band richtig losgeht. Im April ist Madeleine Effect, das zweite Album der Folk-Progger aus Hannover, erschienen. Vieles hat sich seit dem Debüt verändert - unter anderem die komplette Besetzung mit Ausnahme von Simon Moskon. Norbert hat sich mit dem neuen Gitarristen Andre Mertens im Café Tabac in Hannover-List zusammengesetzt, um zu erfahren, ob Album Nummer zwei eine ähnliche Aufbruchsstimmung ausgelöst hat, wie das Debüt.

Andre Mertens: Ja, auf jeden Fall. Das erste Album, das ja überall recht gute Kritiken bekommen hat und auch international sehr gut angekommen ist, hat ein paar gute Support-Tourneen ermöglicht, wie Du bestimmt auch mitbekommen hast, 2012 die ganze Europatour mit Pain of Salvation 2012 und Threshold 2013. Das war noch mal ein riesiger Eyeopener für Cryptex. Das war ja noch das andere Line up, aber Simon hat uns viel darüber erzählt. Dadurch haben wir auf Europaebene mehr Fans dazu gewonnen. Das ist für Cryptex wichtig, weil wir international ausgerichtet sind. Wir wollen so viel spielen wie möglich und so international wie möglich.

MAS: Du hast jetzt noch mal auf die Touren nach dem ersten Album zurückgegriffen. Habt ihr nach dem zweiten Album auch so einen Plopeffekt, Jetzt geht’s los!?

Andre Mertens: Ja. Wir haben die erste Tour zum Madeleine Effect Album ja schon hinter uns – acht Dates insgesamt. Das ist super gelaufen – bis jetzt. Wir haben jetzt noch einen Auftritt im Sommer und vielleicht kommt noch der eine oder andere dazu. Von den Zuschauerzahlen haben wir teilweise ein ziemlich gutes Feedback bekommen und wollen jetzt mit dem Album die nächsten anderthalb Jahre viel spielen. Wir planen für das nächste Jahr vielleicht wieder eine Support-Tour durch Europa. Wir wissen noch nicht mit wem, aber können uns gut vorstellen, dass das noch mal klappen wird. Das ist alles noch in Verhandlungen.

MAS: Pain of Salvation und Threshold sind ja beides Bands von Nuclear Blast.

Andre Mertens: Genau! Wir haben ja im Prinzip so kleine Partner. Wir haben einmal eine Promotionagentur, CMM aus Hannover, die ziemlich viel für uns macht; Top Sounds, ein kleines Label und ein Vertrieb, und wir halten die Augen auf. Gerade jetzt, weil das Album auch sehr gut ankommt. Vielleicht bekommen wir in den nächsten Monaten oder Jahren noch ein größeres Label, das auch im Pop-Bereich angesiedelt ist. Da gab es schon die einen oder anderen Überlegungen und Gespräche. Simon kümmert sich primär um diese Geschichten, weil er die ganzen Partner schon kennt. Und Wolfgang Rott, der CEO von CMM, versucht auch viel in der Richtung zu machen.

Jetzt im November startet der nächste Teil der Tour, also die Madeleien Effect-Tour, Part II mit zehn bis zwölf Dates innerhalb Deutschlands.


MAS: Nach dem letzten Interview gab es 2012 die Auftritte im Vorprogramm von Pain of Salvation, die später auch als DVD veröffentlicht wurden. Im Herbst 2013 wurde dann nach einem Gitarristen gesucht. Und als nun die neue CD erschien war alles ganz anders. Von der Ur-Besetzung ist nur noch Simon übrig. Der Rest der Band ist neu. Was ist passiert?

Andre Mertens: Das hat viele Gründe. Das weiß ich jetzt alles aus Erzählungen von Simon. Über die Jahre hinweg gab es immer mehr private Probleme – mit Ramon auf der einen Seite, aber auch mit Martin Linke. Vor allem Martin Linke war wohl immer so ein kleiner Problempunkt. Die hatten sich im Laufe der Jahre gut eingestimmt zusammen. Aber es war bald klar, dass das Madeleine Effect Album komplizierter wird, weil viele Songs, die jetzt auf dem Album sind, Ideen beinhalten, die schon einige Jahr alt sind. Das war dementsprechend für die Besetzung schwer umzusetzen. Man hat sich also einmal aus musikalischen Gründen getrennt, und einmal auch auf privater Ebene, weil ziemlich viel passiert ist zwischen Simon, Martin und Ramon.
Das Album hat Ramon auch gar nicht mehr eingespielt, sondern Kristof Hinz, ein Schlagzeuger aus Hannover, der dort an der Uni Dozent ist. Der hat dann auch den Kontakt zu dem neuen Drummer Simon Schröder hergestellt. Simon studiert auch dort in der UNI, wo Kristof Hinz Schlagzeug Dozent ist. So kam der Kontakt zustande. Ich studiere dort auch. Kristof Hinz ist auch einer meiner Dozenten. Ich studiere Gitarre an der Musikhochschule und über diese Umwege kam es dann letztlich zustande, dass wir zusammen zu der Cryptex-Audition gefahren sind. Das hat dort auf der musikalischen Seite und auch auf der privaten Seite so gut harmoniert hat, dass wir das Ganze zum Quartett gemacht haben.

MAS: Das hört sich so an, als könne man Cryptex wirklich als Band bezeichnen, und nicht nur als Sache von Simon Moskon, der seine Ideen mit willigen Musikern umsetzt?

Andre Mertens: Richtig. Auf jeden Fall.

MAS: Wie ist das mit Euerm Input zum neuen Album?

Andre Mertens: Simon Schröder, der Schlagzeuger, und ich sind erst nach der Einspielung des Albums in die Band eingetreten. Die Aufnahmen haben ja schon 2013 begonnen. Marc Andrejkovitz hatte vor mir den Gitarrenposten übernommen und die ganzen Gitarren für das Album eingespielt. Viele Songs standen schon lange. Simon hatte vieles detailliert ausgearbeitet und den Hauptinput in das Album. Es ist für Simon auch ein sehr autobiographisches Album.
In Zukunft wollen wir das auf jeden Fall zusammen machen, weil wir alle auch im Songwriting Bereich wirklich sehr viel machen wollen.

Bandkopf Simon moskon

MAS: Simon hatte mir im letzten Interview erzählt, er versuche sich seinen Lebensunterhalt als freiberuflicher Musiker und Mediengestalter zu verdienen. Und auch der Rest der Band war noch anderweitig beschäftigt. Ich nehme mal an, dass sich das nicht geändert hat.
Was machen die neuen beruflich?


Andre Mertens: Simon Schröder und ich, studieren Musik, unterrichten auch und machen gelegentlich mal Jobs. Simon, also der Drummer Simon, spielt viel Musicals. Das mache ich zwischendurch auch, oder Studioeinspielungen oder Auftritte für andere Künstler, wo man halt was verdienen kann.

MAS: Aber alle im Prinzip im musikalischen Bereich?

Andre Mertens: Genau! Im Prinzip machen wir nur Musik. Simon Moskon auch. Der ist außerdem immer noch der Hauptgesellschafter, und er ist auch bei der GEMA im Moment noch der alleinige Urheber von Cryptex. Er gibt aber auch Gesangs- und Bassunterricht.

MAS: Haben die neuen Musiker einen bestimmten Musik-biographischen Hintergrund?

Andre Mertens: Ja, viel! Marc Andrejkovitz kommt aus Kassel. Der hat auch vorher schon mit mehreren Bands gespielt. Spit heißt die eine; Bloodmother – glaube ich – die andere. Da hat er noch kurz vor dem Einstieg bei Cryptex mitgespielt. Simon Schröder spielt auch schon sehr lange Schlagzeug und hat bereits mit diversen Bands gespielt. Ich ebenso.
2011, als das Cryptex Album raus kam, hatte ich grad mein Abi gemacht, hatte dann einen Gitarrenwettbewerb in Hamburg gewonnen, wo Uli Jon Roth in der Jury saß. Vielleicht kennst du den?

MAS: Als Hannoveraner muss man den kennen.

Andre Mertens: Genau. Der war da in der Jury und da hatte ich den Robert Johnson Guitar Award gewonnen und dann war ich 2012 insgesamt fünf Wochen in Amerika auf Tour mit Uli Jon Roth.

MAS: War das die Tour, wo er seine Scorpions-Sachen gespielt hat?

Andre Mertens: Genau. Das war die erste Scorpions Revival Tour 2012. Da haben wir viele alte Scorpions Sachen zusammen gespielt. Das war ziemlich cool, in New York, Chicago, überall. Das war richtig cool. Und seit 2013 studiere ich jetzt Musik hier in Hannover. Simon Schröder studiert schon zwei Semester länger

Das Debüt-Album der hannoverschen Proggies Rough Silk

MAS: Die Vorbilder für Cryptex liegen bei folkigem Prog, Queen und frühen Rough Silk – könntest Du dem zustimmen?

Andre Mertens: Ja, Queen ist sehr wichtig, auf jeden Fall. Die Beatles sind vor allem von Simon einer der wichtigsten Einflüsse, aber auch von uns Allen und rockige Bands wie Deep Purple und Led Zeppelin.

MAS: Sagt dir Rough Silk was?

Andre Mertens: Ja.

MAS: Das fand ich auch relativ dicht dran.

Andre Mertens: Die klingen tatsächlich ähnlich.

MAS: Die Truppe kommt ja auch hier aus dem Bereich – aus Seelze ursprünglich.

Andre Mertens: Ja, richtig. Ich weiß gar nicht, inwieweit Simon da auch Einflüsse hat.

MAS: Mir war der Gedanke gekommen, ob vielleicht jemand vom neuen Cryptex Line up aus dem Rough Silk Stall kommt. Ich habe die Namen der Rough Silk Mitglieder nicht so im Kopf; fand die Parallelen aber noch ähnlicher, als beim ersten Album.

Andre Mertens: Ja, das stimmt schon.

MAS: `Good Morning, how did you live?´ kam sehr farbenfroh daher. Und auch wenn es im Kern von dem Trio Moskon – Fleig – Linke eingespielt wurde, war die Produktion mit Heeren von Gästen - icl. Kinderchor und Bläserquintett – recht opulent. `Madeleine Effect´ kommt schon rein äußerlich mit dem schwarz weißen Scherenschnitt Artwork wesentlich zurückhaltender rüber – und ihr seid als Band auch im Wesentlich unter Euch geblieben. Eine bewusste Reduktion??

Das Cryptex-Debüt

Andre Mertens: Das erste Album, da ist ja stilistisch alles Mögliche drin. Da gibt es zwei, drei Metalsongs, Gospel, akustische Folkelemente. Dann wird es sehr proggend, King Crimson, sehr old schoolig proggig. Bei dem neuen Album gab es die Ambition, es homogener zu machen und einen roten Faden zu haben. Es ist teilweise ein relativ düsteres Album, weil es sich um sehr persönliche Dinge von Simon Moskon dreht. Viele persönliche Songs von ihm sind darin. Dadurch ist es, wie ich finde, auch schlüssiger komponiert.
Trotzdem ist es auch sehr aufwendig. Es gibt auch dieses Mal Gastmusiker, z.B. einen Gospelchor. Anca Graterol, eine Sängerin, die aus Hannover stammt, hat die Gospelsachen mit anderen Gospelsängern eingesungen.
Die Arrangements sind sehr dicht. Da ist sehr viel drin. Es sind viele Instrumente im Einsatz: Glockenspiel und Percussion und in „Romper Stomper“ auch wieder Cajon. Das ist dies Mal sehr aufwendig produziert.

Das erste Album ist ja klanglich auch viel, viel schlechter. Es wurde bei dem neuen Album viel mehr Geld in die Hand genommen. Deshalb hatten wir auch diese Crowdfunding Sache gemacht, von der Du bestimmt auch gehört hast. Die hat letzten Endes den letzten Feinschliff finanziell möglich gemacht hat.

MAS: Eure Artworks, die viktorianische Kleidung beim Debüt, der Scherenschnitt jetzt, greifen auf ungewöhnliche Stilepochen zurück – für Rockbands erstaunlich altmodisch. Die DVD und auch die Fotos im aktuellen Booklet lassen dann an Öko-Freaks aus den späten 70ern denken.

Andre Mertens: Jaaah, so'n bisschen mit der Nostalgie haben wir es irgendwie alle. Das ist auch das Tolle, weil wir alle zwar so einen ähnlichen Musikgeschmack haben. Wir sind mit der Musik der 50er, 60er, 70er Jahre Musik verwurzelt. Und der Madeleine Effekt bezeichnet ja im Prinzip die Assoziation mit Vergangenem über Sinneswahrnehmungen, wie Geruch oder Geschmack. Das wollten wir gerade auch mit den Shootings verdeutlichen - eine äußere Umgebung aus vergangenen Zeiten. Ja, das ist schon richtig.

MAS: Es sind aber andere Vergangenheiten, als sie in der Rockmusik üblich sind. Normalerweise geht man dann gleich ein bisschen weiter zurück, in die Renaissance, oder zu den Wikingern. Aber die Viktorianische Zeit, bei uns die Kaiserzeit, das ist eher ungewöhnlich.

Andre Mertens: Ja, richtig. Das stimmt. Das ist schon außergewöhnlich. Aber Cryptex sind schon im Feeling sehr speziell. Und das finde ich toll, weil es heutzutage sehr schwer ist Alleinstellungsmerkmale herzustellen. Aber Cryptex hat die schon, weil der Sound halt sehr eigen ist.

MAS: Ich will mich nicht als Englisch-Koryphäe darstellen, aber ich kann wissenschaftlichen Tagungen auf Englisch folgen und habe auch schon in den USA auf Englisch gepredigt. Dennoch stehe ich vor den Texten von Simon etwas ratlos. Verstehst Du, von was er singt und erzählt?

Andre Mertens: Es ist sehr kompliziert. Es ist wirklich sehr kompliziert. Ich hab da Simon auch schon mal gefragt. „Release my Body“ z.B. ist ein sehr persönlicher Song für ihn, Aber es gibt auch „New York Foxy“.

MAS: Ja, da konnte ich auch mit schwimmen.

Andre Mertens: Da geht’s wieder. Da ist klar, worum es geht. New York – und die krassen Gegensätze. Aber manches ist schon sehr verkopft. „Madame de Salm“ zum Beispiel. Sehr kompliziert. Da ist zum Schluss auch dieses Goebbels-Zitat und wenn man sich den Text anguckt, wundert man sich wahrscheinlich im ersten Moment. Es ist fast ein kleiner Schock. Aber hinter „Madame de Salm“ steht eine Geschichte. Simon Moskons Oma soll Jüdin gewesen sein soll. Das ist allerdings nicht bestätigt Sie wurde in der Schule immer runter gemacht und hat dann irgendwann diese „Madame de Salm“ kennen gelernt. Der Mann von „Madame de Salm“ war Bildhauer und hat von der Oma von Simon ein Bild angefertigt. Ich weiß nicht, ob es ein Bild oder eine Skulptur war. Und er hat ihr gesagt: „Guck mal, Du bist ein schönes Mädchen. Nur weil Du Jude bist, bist Du nicht anders.“ Die Galerie, in der das stand, ist leider im Krieg zerstört worden. Deswegen ist es halt nicht sicher, ob es wirklich so war. Aber das ist quasi die Story von „Madame de Salm“. Deswegen ist der Schluss total okay. „Wollt Ihr den totalen Krieg?“. Die Erinnerungen sind verloren. Aber der Krieg war der allgegenwärtig.
Andre nach dem Interview vor dem Café Tabac

Die Thematik ist also schon sehr verkopft. Und das Englisch ist teilweise auch nicht einfach, gerade auf diesem Album, finde ich. Aber ich glaube, das ist auch ein bisschen die Intention, wenn einer Lyrik schreibt, dass man sich da wirklich rein versetzen muss, dass man sich seinen eigenen Sinn raus zieht. Er will jetzt nicht nette Texte schreiben, wo alles sofort klar ist, damit man sich wirklich in die Geschichte hinein versetzt.

MAS: Simon selber sagt, er führe mit den Texten auch einen Kampf gegen seine persönlichen Dämonen, wie Suchtveranlagung und Depressionen. Dafür klingen Cryptex erstaunlich fröhlich und lebensfroh. Täuscht das?

Andre Mertens: Nein, das stimmt. Es gibt Songs, die klingen sehr happy. „The Knowledge of Being“ zum Beispiel. Aber es ist trotzdem auch ein sehr düsterer Text. Ich glaub, das hat Simon auch wieder extra gemacht. So soll es rüber kommen. Fröhlich, aber wenn man es sich genau anguckt, dann steckt da halt mehr drin so.

MAS: Gerade wenn man sich die Live-DVD anguckt, ist ja nun wirklich eine ausgesprochen fröhliche Atmosphäre auf der Bühne.

Andre Mertens: Es soll ja auch trotzdem Spaß machen. Je nachdem, was wir für Songs spielen. Wenn wir traurige Songs spielen, dann gehen wir weniger ab. „Release my Body“ ist ein sehr trauriger Song. Aber es gibt auch immer wieder Songs, bei denen man mittanzen kann, wo man wirklich Spaß nach außen ausstrahlt.

MAS: Das heißt aber, wahrscheinlich wird sich die Atmosphäre, mit dem neuen Album ein Stückchen weit ändern, denn diese düstere oder dramatische Wendung, die habe ich zumindest bei dem ersten Album nicht so gesehen.

Andre Mertens: Ja, richtig!

MAS: Beim Madeleine Effect sehe ich das vor allem in der zweiten Hälfte.

Andre Mertens: Ja, richtig!

MAS: Bei ersten vier Stücken hatte ich das Gefühl, das waren die Cryptex, die ich kannte.

Das aktuelle Cryptex-Album Madeleine Effect

Andre Mertens: Und dann wird es sin bisschen anders. Ja, genau! Das ist auch so. Das war live auch so. Wir haben das komplette Album live gespielt und da haben wir festgestellt. Es gab spezielle Songs, wie „Madame de Salm“ zum Beispiel. Das war für das Publikum manchmal gar nicht so einfach aufzufassen. Sobald es eine straighte Mitmachnummer gab, „New York Foxy“ zum Beispiel, geht es super, ganz einfach. „A Quarter Doyen in Ounces“ zum Beispiel, ist, wie ich finde, auch ein guter Song, der sehr dramatisch und auch wieder sehr persönlich ist. Aber er kommt sehr gut, weil es ein sehr rockiges Brett ist, weil dieses Dakedake Gaa Dadada Daa Riffing massiv einschlägt und der Chor nach außen geht. Das kommt sehr gut.

Wichtig ist es jetzt, wo wir eine komplett neue Besetzung sind, in der jeder musikalisch seinen eigenen Charakter hat, dass das live verschmilzt. Ich finde, das hat man jetzt bei der ersten Tour gemerkt. Vorher hat es schon zwei gemeinsame Auftritte gegeben, aber erst diese Tour hat uns als Band gefestigt - auf der Bühne und auch neben der Bühne. Wir haben halt viel im Tourbus zusammen gehangen und sind uns auch auf die Nerven gegangen. Wie es halt so ist. Aber es war trotzdem super. Live funktioniert das wirklich gut. Es gibt bei dem Line up auch ein breiteres Fundament. Vorher war es der Fall, wenn Simon, der ja sehr viel Klavier spielt, dann war halt kein Bass da. Jetzt spielt Marc bei den meisten Songs Bass. Dadurch ist da Fundament ein ganz anderes. Das tut der Musik auch live ziemlich gut.

MAS: Es gibt ja sicher auch das eine oder andere, das Ihr abrufen müsst bei der Musik, die Ihr macht.

Andre Mertens: Ja, genau! Wir machen so viel, wie möglich. Wir singen auch alle, bis auf Simon Schröder, der sich lieber nur um sein Drum Set kümmert, weil da ziemlich viel zu tun ist. Also singen Simon, Marc und ich, und es kommen noch zwei, drei Stimmen vom Band. Dadurch haben wir sehr viel Fülle. Funktioniert auch sehr gut. Sonst ist es einfach zu dünn, weil es gerade auf dem Album sehr sehr dichte Chor Arrangements gibt.

MAS: Wo habt Ihr das Album aufgenommen – hier in Hannover?

Andre Mertens: In Hannover, im Horus Studio, in der Innenstadt, kennst du bestimmt.

MAS: Das Studio von Frank Bornemann. Dagewesen bin ich noch nicht. Ich habe aber gelegentlich mal mit ihm telefoniert.

Andre Mertens: Genau! Frank Bornemann hat das aber vor Kurzem verkauft oder an Mirko Hoffmann übergeben. Mirko Hoffmann hat das Album produziert und stand auch hinter den Reglern. Das ist sehr gut geworden, auch vom Sound her.

In der zweiten Hälfte der 70er haben Bands, wie die Scorpions und Frank Bornemanns Eloy Hannover zu einer der deutschen Rock-Hochburgen gemacht.

MAS: Der Ort von Bornemann passt prima zu Cryptex. Er erinnert an die Zeit, in der hier in Hannover die Scorpions und Eloy groß geworden sind. Es ist vielleicht etwas viel gesagt, aber in diesen Spannungsbogen und diesen zeitlichen Bezug passen Cryptex eigentlich sehr gut rein.

Andre Mertens: Deswegen hoffen wir ja auch, dass wir genau dasselbe schaffen. (Lacht!) wir arbeiten auf jeden Fall hart dran!

MAS: Wie sehen Eure konkreten Planungen für die nähere Zukunft aus?

Andre Mertens: Im November, wenn die nächste Tour startet, werden wir das Album noch mal auf Vinyl raus bringen. Das passt auch zu diesem kleinen Nostalgietrip. Aber Vinyl ist in den letzten Jahren ja wieder in Mode gekommen. Klar hat sich die Musikwelt sehr verändert. Wenn man das Radio anmacht, hört man eigentlich nur Chartmusik, aber trotzdem gibt es eine riesige Szene für Bands, die Qualität abliefern und die alte Schule machen.

MAS: Wobei mir in den letzten Jahren auch bei Progressive– und Artrock-Bands häufig die Füße einschlafen. Cryptex ist da eine der wenigen Acts, wo ich sage, da kommt was Neues mit Substanz, das mich auch packt.

Andre Mertens: Wir haben das Glück, dass Cryptex schon so viel gemacht haben und wir jetzt nicht von Null anfangen. Klar, sind wir im internationalen Maßstab immer noch am Anfang, aber ich glaube, dadurch, dass die Basis, das Fundament schon da ist, haben wir eine Chance, wenn wir jetzt alle wirklich zusammenhalten.

MAS: Du hast sehr begeistert von der Produktion des neuen Albums gesprochen. Für mich war das erste deutlich stärker, gerade wegen der zweiten Hälfte von Madeleine Effect. Vielleicht sind da die ruhigen Teile einfach zu geblockt.

Andre Mertens: Ja, das kann sein.

MAS: Irgendwann bekommt man den Drang weiter zu skippen.

Andre Mertens: Das stimmt. Das kann ich verstehen, ja. Auf dem ersten Album waren Nummern, die knackiger sind. Beide Alben sind je für sich sehr gut. Sie sind für mich einfach komplett anders.

MAS: Angesichts des stilistischen Wechsels war die DVD, die Ihr auf der Tour mit Pain of Salvation aufgenommen habt, eine tolle Chance, das erste Album praktisch komplett live für die Nachwelt festzuhalten. Nachdem jetzt ein weiteres Album erschienen ist, wird eine solche Gelegenheit so bald nicht wieder kommen.

Andre Mertens: Das war echt cool. Wir hoffen jetzt, dass wir wieder eine Support Tour machen können. Mit wem ist noch völlig offen. Wolfgang Rott klemmt sich da hinter. Es ist, dass wir den haben. Er hatte auch die Alice Cooper Support Show an Land gezogen. Bevor wir eingestiegen sind haben Cryptex eine riesige Arena Show im Vorprogramm von Alice Cooper gespielt.


Norbert von Fransecky



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