Sweelinck, J. P. (Van der Kamp)
Die weltlichen Vokalwerke
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Info |
Musikrichtung:
Barock Madrigal
VÖ: 01.05.2009
(Glossa / Note 1 / 3 CD / DDD / 2003-2004 / Best. Nr. GCD 922401)
Gesamtspielzeit: 202:40
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ANMUTIG
Stimmen wie Samt und Seide. Das Gesualdo Consort Amsterdam klingt einfach fantastisch: so federleicht und klar der vokale Ansatz, so berückend sinnlich und überraschend farbenreich ist doch die Wirkung. Eine Verführung zum Hören.
Und so bezaubert, unbeschadet der Qualität der Musik, vor allem anderen dieser Klang das Ohr, wenn die drei Damen und vier Herren unter der Leitung (und Bass-Mitwirkung) von Harry van der Kamp sämtliche weltlichen Werke Jan Pieterzoon Sweelincks (1562-1621) in einer mustergültigen Einspielung vorlegen.
Hauptsächlich bekannt für seine Cembalo- und Orgelmusik, zierte der Niederländer Sweelinck einst den 10-Gulden-Schein. Seine Berühmtheit, die zu Lebzeiten zur Ausbildung einer eigenen Sweelinck-Schule führte, ist heute auf die eines „Missing Links“ geschrumpft, das in Musikgeschichtswerken meist dazu dient, die historische Verbindung zu den Orgelwerken Buxtehudes und Bachs herzustellen. Das klingt nach dem typischen Schicksal eines gediegenen Kleinmeisters, der eigentlich ein bisschen langweilig ist, aber Mangels Alternativen zu dem niederländischen Komponisten des Barock (und vielleicht auch insgesamt und überhaupt) avancierte.
Wenn jetzt das Label Glossa eine aufwändige Edition unter dem Titel The Sweelinck Monument gleich mit einer drei CDs umfassenden Gesamteinspielung der weltlichen Vokalmusik beginnt, dann scheint das auf eine veränderte Wahrnehmung hinzudeuten. Denn bislang erfreuten sich gerade Sweelincks Chansons, Reime, Kanons und Madrigale, die immerhin zu seinen Lebzeiten erfolgreich in Druck gingen, keiner besonderen Wertschätzung. Sie galten als Ausläufer einer späten Spätrenaissance, einerseits stilistisch schon nicht mehr taufrisch und andererseits noch nicht modern genug, um mit den Schöpfungen eines Claudio Monteverdi mithalten zu können.
Diese Einschätzung könnte sich jetzt ändern.
Es ist richtig, dass man die prickelnde Chromatik und den hitzigen Ausdruck der Italiener bei Sweelinck nicht findet, ganz zu schweigen von vorausweisenden formalen Experimenten wie in Monteverdis späten Madrigalbüchern. Der Kontrapunkt wirkt schlichter, er gibt sich gewissermaßen sanglicher und melodischer sowie im Ausdruck verbindlicher als bei der franko-flämischen Vorgängergeneration.
Gerade deshalb aber braucht sich Sweelincks Vokalmusik nicht zu verstecken. Sie ist alles andere als trockene calvinische Kost für den Hausgebrauch. Sie ist schlicht schön, unmittelbar ansprechend, ja eingängig, ohne jemals simpel zu sein.
Die Anmut seiner mühelos gefügten Sätze, bei der selbst anspruchsvolle Kanonführungen nicht akademisch wirken, nimmt vom ersten Takt für sich ein. Soeben höre ich noch einmal den zweistimmigen italienischen Reim Che giova posseder. Was für eine delikate Komposition! Tenor und Bass umspielen einander imitatorisch, werden dabei von den Sängern mit fein gestufter p- und pp-Dynamik im Ausdruck weiter intensiviert. Ein nachdenklicher melancholischer Ton dominiert die moralisierende Botschaft der Textvorlage, eine Stanze von Pietro Bembo. Im anschließenden dreistimmigen Lascia filli mia cara gibt es dann tänzerische Leichtigkeit und swingende Rhythmen sowie subtile Tonmalerei. Der Schönheit vertikaler Zusammenklänge huldigt dagegen der homophone, harmoniebetonte Satz von Hor che soave l’aura.
Im Grunde kann man in dieser 3-CD-Edition reinhören, wo man möchte – Sweelincks Musik ist durchweg von erlesener Qualität, ein Balsam für Ohren und Herz des Hörers.
Dass die kräftigeren Farben und reifen Geschmäcker der Italiener fehlen, ist kein Manko. Und das stilsichere Gesualdo Consort Amsterdam versucht zum Glück nicht, die Musik „anders“ oder „interessanter“ klingen zu lassen, als sie ist: nämlich sehr schön!
Georg Henkel
Trackliste |
CD I: Chansons 63:40
CD II: Italienische Reime / Madrigale 68:01
CD III: Französische Reime / Kanons / Stücke für Laute 70:59 |
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Besetzung |
Gesualdo Consort Amsterdam
Harry van der Kamp: Bass & Leitung
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