Musik an sich


Reviews
Frescobaldi, G. (Schlimé)

Dialogues


Info
Musikrichtung: Klavier

VÖ: 01.06.2007

Sisyphe / Note 1
CD DDD (AD 2006) / Best. Nr. SISYPHE008


Gesamtspielzeit: 77:00



NEUE KONTEXTE

Frescobali im Nachtclub. Das kann man bei diese Aufnahme nicht nur hören, sondern auch auf einer Bonus-DVD sehen: Der Pianist Francesco Tristano Schlimé spielt 12 Toccaten des berühmten Italieners aus dem frühen 17. Jahrhundert im Pariser Club La Scène Bastille und konfrontiert sie mit freien Improvisationen, die er bei aller Eigenart als Antwort auf die frühbarocken Werke verstanden wissen will: Dialogues ist das Programm daher auch überschrieben.
Wobei der Übergang zwischen Komponiertem und Improvisierten schon bei Frescobaldi fließend ist. Schlimé begreift dessen Stücke nicht zu Unrecht als eine Art Baukasten mit Fertigteilen, deren endgültige Gestalt und Anordnung vom Interpreten frei bestimmt wird. Dass Schlimé auf dem modernen Flügel spielt, erhöht die gestalterischen Möglichkeiten gegenüber den klassischen barocken Tasteninstrumenten um ein Vielfaches. Dabei beweist der Spieler viel Fingerspitzengefühl, wenn er die ursprünglich für Cembalo oder Orgel gedachten Stücke für sein modernes Medium übersetzt. Frescobaldis phantasievoll gestalteten und in barocker Verzierungsüppigkeit blühenden Stücke, die heutige Hörer wegen ihrer Sprunghaftigkeit verwirren und auch ermüden können, gewinnen auf dem Flügel deutlich an innerem Zusammenhalt. Wie viel Swing, wie viel Blues steckt in dieser Musik!
Schlimé gelingt es, große Bögen zu modellieren und das kompositorische Kalkül in diesen scheinbar so frei schweifenden Fantasien aufzudecken. Dabei setzt er nicht auf große Gesten und Effekte, sondern auf eine ganz nach innen gekehrte, bei aller spielerischen Leichtigkeit und Spontaneität konzentrierten Darbietung, die offenbar auch das Publikum augenblicklich in seinen Bann geschlagen hat. Hörte man nicht zu Beginn und am Schluss das diskrete Hintergrundmurmeln der Gäste und sähe man nicht auf der Bonus-DVD eine Bar im Hintergrund, man würde kaum einen Unterschied zur klassischen Konzertsaalsituation bemerken. Diese Produktion reiht sich damit erfolgreich in die jüngsten Versuche ein, barocke Cembalomusik für den modernen Flügel zurückzugewinnen. Dass sie dabei „klassische“ Grenzen in unterschiedlicher Richtung überschreitet, ohne sich durch ihr neuartiges Konzept einfach anzubiedern, ist ein zusätzliches Plus.



Georg Henkel



Trackliste
CD: 52:00
Bonus-DVD: 25:00
Besetzung

Francesco Tristano Schlimé, Klavier


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>