Sleeplord

Levels Of Perception


Info
Musikrichtung: Stoner Metal

VÖ: 31.05.2019

(Pure Steel / Soulfood)

Gesamtspielzeit: 40:06


Der Name Calvin Burgess wird dem einen oder anderen US-Szenekenner ein Begriff sein, obwohl keine der Bands, in denen der Bassist in den Achtzigern und Neunzigern aktiv war, richtig populär wurde: nicht die Powerspeedies Mystik (bzw. deren Vorläufer Sinister), nicht die ihren Metal geringfügig zurückhaltender anlegenden Attaxe und auch nicht die Thrasher Chemikill. Mit seinem aktuellen Betätigungsfeld Sleeplord fügt Burgess der Genreliste noch einen weiteren Eintrag hinzu: Das Quartett agiert auf Levels Of Perception irgendwo im Stoner-Dunstkreis, allerdings mit relativ überschaubarem Kifferfaktor und statt dessen schärfer ausgefeilter Metalkante, allerdings einer moderneren Form des Thrashs, der freilich wiederum ohne Biopanturahead-Anklänge auskommt. Für die Einstufung ins Doom-Genre spielen Sleeplord nicht langsam genug – der Rhythmus in der ersten Hälfte von „Bigfoot“ entpuppt sich beim genaueren Hinhören hintergründig als sehr beschwingt, und die gelegentlichen Herunterschaltungen in groovige Verschleppungen sorgen zwar für Massivität, aber nicht für düstere Stimmung. Auch der Song namens „Stoner“ beginnt zügiger und schaltet erst in der zweiten Hälfte herunter – inhaltlich geht es übrigens nicht um Rauchwaren, sondern um dem Umgang mit einem puren Egoisten. Einige Rhythmen muten generell etwas ungewöhnlich an, neben dem erwähnten in „Bigfoot“ etwa auch der seltsame, der „Reason To Live“ einleitet und mehrfach wiederkehrt, unterbrochen allerdings jeweils von klassischen Vierertakten, die in der Gesamtsituation auch klar dominieren. Da Sleeplord mit Joshua Pitz nur einen Gitarristen besitzen, legen sie das Riffing klar so an, dass es auch in der Konzertsituation mit nur einem Gitarristen adäquat umzusetzen ist, was dann beispielsweise in „Reason To Live“ oder „Drill Bit“ dazu führt, dass unter dem Hauptsolo keine Rhythmusgitarre liegt, während einige andere Songs gleich ganz auf Soloarbeit verzichten. Diese Ausrichtung überrascht ebenso wie die grundsätzliche Herangehensweise der Band, scheint doch Michael Schenker irgendeine Aktie an ihrem Zusammenkommen gehabt zu haben, und der macht bekanntlich ganz andere Musik.
Aber eine MSG-Kopie wäre mit Ted Andersons Stimme auch schwierig umzusetzen gewesen. Der Mann, manchem Szenekenner vielleicht von Lick The Blade geläufig, singt bzw. shoutet überwiegend in mäßig rauher Lage, baut hier und da höhere Schreie ein und schaltet gelegentlich auch auf dunklen Klargesang um. Okay, vielleicht verfügt auch er noch über ein deutlich breiteres Spektrum, das er hier nur nicht zeigt – aber zur Musik von Sleeplord paßt das, was er von sich gibt, erstmal durchaus gut, zumal er nicht ohne Sinn und Verstand ins Mikro grölt, sondern das Gefühl vermittelt, er wisse, was er da tut. Die Texte scheinen der Band auch nicht ganz unwichtig zu sein, wie schon im Opener „Sobibor“ deutlich wird, der sich mit dem gleichnamigen nationalsozialistischen Lager beschäftigt und offenbar mehr sein will als eine simple Schreckensbeschreibung. Als christliche Band begreifen sich Sleeplord hingegen zumindest von der lyrischen Ausrichtung her offenbar nicht, obwohl bei drei der vier Mitglieder (allen außer Drummer Mick Ross) Gott an erster Stelle der persönlichen Dankesliste vorkommt (bei Ross nimmt übrigens Michael Schenker besagte Stelle ein). Interessanterweise hat der Layouter eine Hauptschriftart gewählt, bei der das t in ein aufrecht stehendes, das g aber in ein Petruskreuz ausläuft.
Levels Of Perception ist das Debütalbum von Sleeplord und mit 40 Minuten klassisch für einen Vinylrelease dimensioniert, den es aber scheinbar bisher nicht gibt. Allerdings sitzt die Band sowieso ein bißchen zwischen den Stühlen: für die Stoner-Anhänger nicht bekifft genug, für Freunde modernen Groove Metals zu altbacken, für Traditionalisten zu modern, für Doomer zu schnell, für Speedfreaks zu langsam ... Ob sich eine Zielgruppe dafür begeistern läßt, bleibt abzuwarten, zumal auch kein richtiger großer unter den zehn Songs enthalten ist, an den man sich automatisch auch noch Jahre später erinnert. Klar, viele Riffs wissen zu gefallen (die Iommi-Schule lugt regelmäßig um die Ecke), und man entdeckt auch so manches interessante Detail – man lausche nur mal, wie Burgess in „Mrs. Simms“ unter dem Hauptsolo mit seinem Baß wunderbare akustische Bilder malt! Aber für die Suche nach solchen Preziosen haben Sleeplord wiederum zu wenige davon versteckt, so dass man relativ schnell alle gefunden hat. Möglicherweise überzeugen die Songs live stärker als auf der nichtsdestotrotz hörenswerten und zudem gut und fett, aber nicht überfett produzierten Tonkonserve. Wer sich vorstellen könne, seinen Platz genau zwischen den beschriebenen Stühlen finden zu können, macht mit Levels Of Perception nichts verkehrt. Dass im Text übrigens keinerlei Namen von Vergleichsbands vorkommen, hat einen guten Grund: Dem Rezensenten ist schlicht und einfach keine richtig passende solche eingefallen.



Roland Ludwig



Trackliste
1 Sobibor4:50
2Bigfoot3:45
3Stoner2:59
4Reason To Live3:03
5Drill Bit4:59
6The Hammer4:36
7Blood Eagle4:19
8Mrs. Simms3:47
9Wasted3:40
10Graveyard Rodeo4:01
Besetzung

Ted Anderson (Voc)
Joshua Pitz (Git)
Calvin Burgess (B)
Mick Ross (Dr)



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