Ravel, M. (Roth, F.-X.)

Ma mère l'Oye - Shéhérezade - Le Tombeau de Couperin


Info
Musikrichtung: Impressionismus Orchester

VÖ: 20.04.2018

(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / CD / DDD / 2016-17 / Best. Nr. HMM 905281)

Gesamtspielzeit: 56:00



ZAUBERKLANG

Nach ihrer vorzüglichen Einspielung von Maurice Ravels Ballett Daphnis et Chloé haben sich Dirigent François-Xavier Roth und das von ihm gegründete Orchester Les Siècles nun dreier weiterer Werke von Ravel angenommen, die sie ebenso erfolgreich interpretieren. Und obwohl die drei Stücke für kleinere Orchester geschrieben wurden, sind sie klanglich nicht weniger attraktiv.

D abei gehen zwei der Werke auf Klavierzyklen zurück: Ma mère l'Oye entstand als eine Reihe von Stücken für vier Hände, die von Märchen von Charles Perrault ('Contes de ma mère l'Oye' - 'Geschichten von Mutter Gans') inspiriert sind. Das Ergebnis ist eine anspruchsvolle und zugleich sehr zugängliche, charmante Musik, die er eigentlich für die beiden Kinder einer befreundeten Familie geschrieben hatte. Die vier Märchenbilder wurden dann zu Orchesterstücken erweitert, mit Vor- und Zwischenspielen versehen und zu einer Folge von Ballettszenen ausgebaut. Diese Orchesterversion verstärkt noch den Eindruck, ein imaginäres Feenreich zu betreten: Das überwiegend zarte Spiel der Farben, die langsamen, verträumten Tempi, der sanfte Wechsel von Licht- und Schatten dienen der Beschwörung von geheimnisvollen Orten, verzauberten Wäldern und Gärten oder den fabelhaften Wesen, die dort wohnen, und lassen die Musik wirklich wie musikalische Illustrationen zu den erzählten Geschichten wirken.
Roth und sein Orchester nähern sich der Musik behutsam und sensibel, kosten die vielen delikaten instrumentalen Einfälle und melodischen Wendungen aus - und nutzen zugleich die Möglichkeiten ihres historischen Instrumentariums, um pointierte klangliche Akzente zu setzen, wenn z. B. Vogelrufe imitiert werden. Die Darmsaiten der Streicher und etwas anderen Mensuren der Bläser sorgen für einen ingesamt durchsichtigeren, seidig schimmernden aber bei entsprechendem Ansatz auch effektvoll konturierten Klang.

Es ist diese Mischung aus Feinheit und klarer Durchzeichnung der Musik, die auch bei einem Stück wie der Ouvertüre Shéhérezade aufhorchen lässt. Der bei der Entstehung 24jährige Komponist zeigt hier bereits eine große Begabung für exotische Orchestrierungen und eine Vorliebe für märchenhafte Stoffe, musste seinerzeit aber neben Applaus aber auch manche Buh-Rufe einstecken. Vielleicht lag dies daran, dass das Werk insgesamt etwas schwerfällig wirkt. Erst 1975 erschien die Partitur und es ist schön, dass dieses wenig bekannte und selten gespielte Stück hier auf einem Niveau interpretiert wird, dass man seine Schwächen nur wenig wahrnimmt.

Dem reifen Künstler begegnet man bei der zweiten Orchesteradaption des Programms, der Suite Le Tombeau de Couperin, für das vier Sätze des gleichnamigen Klavierzyklus von Ravel orchestriert wurden. Ravel gelingt hier ein raffiniertes Spiel mit antiken barocken Tanzformen, die er in seine unverkennbar eigene musikalische Sprache übersetzt. So klingt die Musik trotz der Anlehnung an alte Modell in jedem Moment neu und frisch - um so mehr, als dass Roths historisch-informierter Ansatz die stilisierte Eleganz und Grazie, aber auch die Melancholie einer vergangenen Epoche vorbildlich mit dem sehr gegenwärtigen Elan und Temperament Ravels verbindet. Man hört heraus, wie der Komponist den Orchesterklang seiner eigenen Zeit experimentell erweitert und insbesondere bei den Holzbläsern eine neuartige Virtuosität fordert.

Das Klangbild der während diverser Konzerte an verschiedenen Orten mitgeschnittenen Stücke ist tadellos und einheitlicher, als man angesichts der Wechsel erwarten würde.



Georg Henkel



Besetzung

Les Siècles

François-Xavier Roth, Leitung


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