Bullet-Bus fährt vor, Club bebt - mehr sog i net
Bullet haben mit „Dust To Gold“ ihr jüngstes Album im Gepäck, für das sie von diversen Rock-Magazinen durch die Bank sehr gute Kritiken erhalten haben – unter anderem natürlich bei uns. Als wir von ihrem Label SPV die Chance bekamen eines ihrer Konzerte zu besuchen, musste man natürlich nicht lange überlegen: hingehen! Ich habe Bullet bis jetzt leider nur einmal gesehen, und zwar während der „Bite The Bullet“-Tour auf dem Bang Your Head!!! Festival, wo sie am frühen Nachmittag ziemlich abgeräumt haben. Am Cult ist schon einiges los. Ich vermute, dass ca. 200 Fans den Weg nach Nürnberg gefunden haben. Ein Konzertbesucher ist mit Krücken unterwegs. Er hat sich das Außenband beim American Football abgerissen, aber „Bullet lasse ich mir doch auf keinen Fall entgehen“ (O-Ton). Das sind wahre Fans! Die erste schwedische Vorband JESUS CHRÜSLER SUPERCAR bezeichnet ihren Stil als „Dirty Death'n'Roll“. Der Vierer steigt sehr laut und äußerst rüde in das Set ein. Die Truppe versprüht schon einen gewissen Motörhead-Touch, zu dem vor allem der Sänger eine gewaltige Portion beisteuert. Sehr raue Stimme, tief hängender Bass, die Instrumente insgesamt äußerst tief gestimmt und eine gewisse Leck-mich-am-Arsch-Attitüde, die sehr echt rüberkommt. Die Songs sind teilweise sehr langsam und düster, wobei mir hier Ähnlichkeiten zu den alten Trouble-Scheiben oder diversen Candlemass-Stücken auffallen. Bei den schnelleren Stücken geht es mehr in die Motörhead-Schiene, hier schimmern ganz klar Lemmy und Co. durch. Die Stücke sind für mich zu durchschnittlich, als dass sie sich im Gehör festsetzen. Noch dazu habe ich heute irgendwie keine Lust auf diese Art von Musik – tut mir leid Jungs. Die Band bekommt vom äußerst fairen Publikum Höflichkeitsapplaus, mehr ist leider nicht drin. Das ändert sich bei der zweiten Vorband SCREAMER schlagartig. Am linken und rechten Bühnenrand steht jeweils ein Banner mit der Aufschrift „Heavy“ und mit „Metal“ – klare Ansage! Die Gitarrenfraktion und der Bassist sind alle einheitlich im Oldschool-Francis-Rossi-Gedächtnisoutfit eingekleidet – weiße Shirts und schwarze Weste, was sehr lässig aussieht. Mit „Hell Machine“ haben die Schweden ihr drittes Album am Start, das sie sehr stolz am Merch-Stand präsentieren. Das Quintett präsentiert klassischen Heavy Metal wie aus einem Guss, hier stimmt einfach alles. Der Sänger kommt rüber wie ein Wikingerfürst, der gerade den Befehl zum Entern gibt. Gesanglich sehr stark gibt er alles und hat dabei noch das Publikum hervorragend im Griff. Die beiden Gitarristen spielen sich die Bälle gegenseitig zu und bringen äußerst gekonnt geschmackvolle doppelläufige Iron-Maiden-Gedächtnissolos aufs Parkett. Der Schlagzeuger ist ein Tier, der mich ein bisschen an den Beißer aus den James-Bond-Filmen erinnert. Vor allem, als er am Schluss dann vom Schlagzeug aufsteht! Mit Stücken wie dem hervorragenden „Monte Carlo Nights“ oder „Rock Bottom“ gelingt es ihnen gut, das Publikum zu begeistern. Die Songs liegen irgendwo in der Schnittmenge von Riot, Angel Witch, alten Iron Maiden und den Pretty Maids. Ein kleines Problem hat die Band: Der Mischer! Wie schon bei der Vorband ist alles viel zu laut, man bekommt die Feinheiten gar nicht so mit. Bitte zukünftig leiser oder einen anderen Mischer einsetzen! Nach einer sehr kurzen Umbaupause kommen BULLET zu den Tönen von Carl Orffs „Carmina Burana“ auf die Bühne und reißen das Publikum von Beginn an mit. Die ersten vier Songs sind komplett vom neuen Album und werden mit einer Vehemenz und Überzeugung präsentiert, als wären es Klassiker, die bereits seit 10 Jahren fest im Programm sind. Neuzugang Gustav Hector am Bass wirkt sicher und souverän wie ein Fels in der Brandung. Ich habe nicht das Gefühl, dass er jemals etwas anderes gemacht hat, als bei Bullet den Tieftöner zu bedienen. Er steht direkt neben Hell Hofer ziemlich zentral und übernimmt während des kompletten Konzerts Backing-Vocals. Dreh- und Angelpunkt des Konzerts ist der Brachial-Sänger und Szene-Original Hell Hofer, der auch heute wieder stimmlich voll auf der Höhe ist. Schneidend sägt er sich durch die Songs und schont sich zu keiner Sekunde. Er animiert das Publikum kaum, Ansagen macht er auch nicht sehr viel – er packt einfach seine Gesangskeule aus und lässt sie in ohrenbetäubender Lautstärke auf das Publikum niederkrachen. Das Gitarrenduo Hampus Klang und Alexander Lyrbo erinnert mich vom Auftreten und vom Stil her stark an K.K. Downing und Glenn Tipton von Judas Priest. Mit traumwandlerischer Sicherheit spielen sie sich die Solos gegenseitig zu und posen dabei wie die Weltmeister. Zusammen mit den Lederklamotten kommt das ganze megakultig rüber. Man merkt der Band zu jeder Sekunde an, dass sie riesige Fans von Bands wie AC/DC, Accept oder eben Judas Priest sind. Sie bringen die Einstellung und das Lebensgefühl dieser Musik und des Heavy Metals an sich perfekt rüber. Die Band packt mich total, auch das restliche Publikum lässt sich von der Authentizität der Schweden mühelos mitreißen. Zwischendurch kommt der witzige Roadie mit Wischmob auf die Bühne und macht sie wieder trocken, während Bullet sich eine kurze Verschnaufpause gönnen. „Rolling Home“ gefällt mir live um Welten besser als auf der CD, „Storm Of Blades“ wird äußerst wuchtig gespielt. Bei „From Dusk Til Dawn“ ist das Publikum auf 180! Der Partyfaktor dieses Stückes ist enorm, für mich eins der besten Stücke der Schweden. Leider ist auch bei Bullet der Sound insgesamt wieder viel zu laut, was den Hörgenuss teilweise empfindlich stört. Vor dem Zugabenblock kommen nochmal drei Stücke vom neuen Album, die auch wieder bestens ankommen. Bei den Anfangstönen von „Heading For The Top“ stellen sich mir sämtliche Nackenhaare und das hervorragende Nürnberger Publikum gibt nochmal alles. Hell Hofer hat sich zu „Pay The Price“ mit seinem bekannten „Hell Hofer“-Mantel eingekleidet, bei „Heading For The Top“ kommt das Stück vielleicht auch aufgrund der großen Hitze sofort wieder weg. Der Doppelschlag „Turn It Up Loud“ und das finale „Bite The Bullet“ bilden den Abschluss eines fantastischen Konzerts. Bei „Bite The Bullet“ präsentieren Hampus Klang, Alexander Lyrbo und Gustav Hector die Rückseiten ihrer Instrumente, die die Inschrift des letzten Songs ergeben. Unter riesigem Jubel des Nürnberger Publikums verlassen die sympathischen und authentischen Schweden die Bühne. Überall zufriedene Gesichter und Menschen in Feierlaune. Bullet präsentieren sich als bärenstarke Einheit, die auf jeder Bühne dieser Welt bestehen kann. Dass sie antiquiert klingen, nie einen Originalitätspreis gewinnen werden und vermutlich total altmodisch rüberkommen – geschenkt. Wer mit so einer Überzeugung am Werk ist und diese Art von Musik so glaubwürdig präsentiert, soll künftig bitte genauso weitermachen. In diesem Sinne: „Bite The Bullet“ – unbedingt mal live antesten! Setlist Bullet: Speed and Attack Ain't Enough Rogue Soldier Wildfire Riding High Rolling Home Uprising Storm of Blades Dusk Til Dawn Stay Wild Dr. Phibes (Angel Witch cover) Fuel the Fire Highway Love Dust to Gold --- Pay the Price Heading for the Top Turn It Up Loud Bite the Bullet Stefan Graßl |
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