Pergolesi, J. B. (Barna-Sabadus)
Stabat Mater; Laudate Pueri
HOCHSPANNUNG
Mit erstaunlicher Konsequenz und schier unglaublicher stimmlicher Brillanz wartet diese Neueinspielung von Pergolesis berühmten Stabat Mater auf: Dirigent Michael Hofstetter legt seine Interpretation mustergültig im Sinne barocker Rhetorik an, jedoch nicht mit persönlich empfundenem Ausdruck, sondern mit stilisierten Affekten. Das geht gewolltermaßen nicht so zu Herzen wie etwa die im vergangenen Jahr erschienene, sinnliche Version von Anna Prohaska und Bernarda Fink (vgl. MAS-Review). Vielmehr erscheint hier vieles artifizieller und stärker auf die (Selbst-)Darstellung der Künstler zugeschnitten.
Schwer zu sagen, ob die Wahl der stimmlichen Besetzung Folge dieses Ansatzes ist oder ihn vielmehr ihrerseits begünstigt hat. Hofstetter nämlich lässt sowohl die Sopran- als auch die Alt-Partie von Countertenören singen und betont, dass schließlich auch zu Pergolesis Zeiten diese Partien von Männern übernommen worden seien. Mag dieses Argument für sich genommen wenig zwingend sein, da zwischen den damaligen Kastraten und den heutigen Countertenören nun einmal nicht nur medizinische, sondern auch stimmliche Unterschiede liegen, so überzeugt die Besetzungsentscheidung doch kraft der herausragenden Leistung von Valer Barna-Sabadus und Terry Wey. Das helle Timbre Barna-Sabadus´, dessen messa di voce so manche große Sopranistin neidvoll erblassen lassen dürfte, und der deutlich dunkler grundierte Ton von Terry Wey setzen sich in prägnanter Weise voneinander ab, aber in puncto Virtuosität schenken sich beide nichts. Das Ganze avanciert zu einem Wettkampf vokaler Möglichkeiten, in dem es sich hin und wieder auch zu verlieren droht. Geradezu verliebt in dieses Potential lässt Hofstetter beide Sänger nämlich üppig bis maniriert verzieren – Vorschläge, Triller und dergleichen mehr folgen in schnellem Wechsel und werden auch durch ähnlich gelagerte Instrumentaleffekte begleitet. Im unbedingten Willen nach Spitzenleistung und Verblüffung schlägt Hofstetter bei der Tempowahl im „Quae moerebat“ sogar einmal deutlich über die Stränge und greift an Stelle des vorgeschriebenen Allegro zum Prestissimo. Überhaupt ist die Interpretation durchdrungen von einer geradezu flirrenden Energie, aber auch von plastischen Effekten, wenn etwa im Satz „Vidit suum“ vom Aushauchen des Geistes die Rede ist und Sänger wie Orchester gleichermaßen diesen zerbrechlichen Moment des Vergehens illustrieren. Von solchen Passagen abgesehen geht das Neumeyer Consort aber eher zackig und zupackend zu Werke.
Ob dies alles einem kirchenmusikalischen Opus noch angemessen oder doch zu viel Oper, zu viel Drama ist, war schon zu Zeiten der Uraufführung umstritten. Dass man diesen Streit anhand der neuen Aufnahme wiederum ausfechten kann, spricht dafür, dass die Ausführenden dem historischen Vorbild sehr, sehr nahe gekommen sein dürften. Und ganz gleich, wie die persönliche Einschätzung insoweit am Ende lautet – eines ist diese CD in jedem Fall: hoch spannend.
Die als Ergänzung beigegebene Psalmvertonung „Laudate pueri Dominum“ zeigt Pergolesi von einer anderen Seite, die die Leichtigkeit des Stile moderno geschickt mit den überkommenen Mitteln von Fuge und Kontrapunkt kombiniert.
Sven Kerkhoff
Trackliste |
Stabat Mater
1 Stabat mater 04:33
2 Cujus animam 02:02
3 O quam tristis 02:02
4 Quae moerebat 01:37
5 Quis est homo 03:01
6 Vidit suum 03:38
7 Eia mater 02:18
8 Fac ut ardeat 01:57
9 Sancta mater 05:48
10 Fac ut portem 04:17
11 Inflammatus 01:55
12 Quando corpus 04:15
Laudate pueri Dominum (Psalm 112)
13 Laudate pueri 02:58
14 A solis ortu 03:30
15 Excelsus super omnes 01:46
16 Quis sicut Dominus 02:40
17 Suscitans a terra 02:26
18 Gloria patri 03:11
19 Sicut erat in principio 02:05 |
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Besetzung |
Valer Barna-Sabadus, Terry Wey: Countertenor
Ensemble Barock Vokal, Mainz
Neumeyer Consort
Michael Hofstetter: Ltg.
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