Bruckner, A. (Rattle)
Sinfonie Nr. 9 (Viersätzige Version)
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Info |
Musikrichtung:
Romantik Orchester
VÖ: 18.04.2012
(EMI Classics / EMI / CD / DDD / live 2012 / Best. Nr. 50999 9 52696 2 0)
Gesamtspielzeit: 81:50
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SPÄTE VOLLENDUNG
Bei Anton Bruckners Sinfonie Nr. 9 lassen Sir Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker im Tutti die Klangmuskeln spielen, dass es einen auch im Wohnzimmer in den Sitz presst: wuchtig, voluminös und dunkel, dabei aber zugleich warm und ausgewogen klingt Bruckners orchestrales opus ultimum. Die unheimliche Modernität der 9. Sinfonie erscheint im Klanggewand spätromantischer Opulenz.
Mag sich das Klangbild inzwischen auch durch historisch informierte Ansätze à la Herreweghe oder Venzago geschärft und aufgehellt haben, im Ganzen leichter und beweglicher geworden sein – in dieser Live-Einspielung bekommt man einen durchaus traditionellen Bruckner geboten, und dies auf höchstem spieltechnischen Niveau. Allerdings lässt die organisch fließende Klangformung in den Ecksätzen manche Ecke und manchen Abgrund der Musik auch weniger zugespitzt oder schroff erscheinen, als es denkbar gewesen wäre. Rattle und die BPH bieten hier sozusagen Massivität mit runden Kanten.
Der eigentlich Coup auf dieser CD ist freilich das in dieser Form erstmals zu hörende Finale, das das bislang als dreisätzigen Torso bekannte Werk gebührend krönt: Anhand der erhaltenen Quellen hat ein Team von vier Musikwissenschaftlern (Nicola Samale und Guiseppe Mazzuca zusammen mit Benjamin-Gunnar Cohrs und John Alan Phillips) über viele Jahre hinweg den 4. Satz von Bruckners 9. Sinfonie rekonstruiert. Dabei ist es gelungen, mit sehr wenigen wirklich nachkomponierten Takten auszukommen; insgesamt mussten nur 37 von den 653 Takten gänzlich neu geschaffen werden. Anders als eine von William Carragan 1984 vorgelegte Komplettierung, die kompositorisch freier verfährt, hat die neue Fassung also mehr den Charakter eines Arrangements, das sich sehr nahe an den Quellen bewegt.
Unabhängig vom jeweiligen Ansatz wird allerdings deutlich, das Bruckner mit dem Finale der 9. sein sinfonisches Schaffen zusammenfasst, zugleich die harmonische Instabilitäten auf die Spitze treibt. In die mit drei Themen operierende Sonatenform werden außerdem Choral und Fuge integriert. Das Ergebnis ist in der vorliegenden Fassung ungemein dicht und vielschichtig, auch überwältigend durch die inhärenten musikalischen Spannungen, die noch über das Drama im Finale der 8. Sinfonie hinausgehen. Die Auflösung dieses Dramas ereignet sich in der Coda – und vor allem hier, in der Finalsteigerung, mussten die Bearbeiter eine weitgehend eigene Lösung finden. Das ist ihnen ohne Zweifel gelungen. Und durch Figurationen, die vom Anfang von Bruckners Te Deum in den alles erlösenden D-dur-Schlussklang implantiert wurden, wird auch die von Bruckner selbst vorgeschlagene provisorische Lösung (nämlich das ganze Te Deum als Ersatz für den 4. Satz zu spielen) sozusagen in den kompositorischen Fußnoten gewürdigt. Geschickt, wie die Bearbeiter vorgegangen sind, bekommt man mehr als nur eine Ahnung davon, was Bruckner hier vorgeschwebt haben könnte. Und Rattle versichert, dass alle übrigen Seltsamkeiten, die man im Finalsatz zu hören bekommt, aller Schrecken und alle Leidenschaft, zu 100% Bruckner seien. Allein diese Vision einmal im Zusammenhang erleben zu können, rechtfertigt das Unternehmen voll und ganz.
Georg Henkel
Trackliste |
1 | Feierlich, misterioso | 23:56 |
2 |
Scherzo: Bewegt, lebhaft – Trio: Schnell | 10:45 |
3 |
Adagio: Langsam, feierlich | 24:29 |
4 |
Finale [Misterioso. Nicht schnell] | 22:40 |
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Besetzung |
Berliner Philharmoniker
Simon Rattle: Leitung
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