Lully, J.-B. (Rousset)
Bellerophon
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Info |
Musikrichtung:
Barock Oper
VÖ: 15.04.2011
(Aparté / Harmonia Mundi/ 2 CD / DDD live / 2010 / Best. Nr. AP015)
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FANTASIEANREGEND
Man kann eine Lully-Oper kaum souveräner aufführen, als es der Cembalist Christophe Rousset und sein Ensemble Les Talens Lyrique hier tun. Sie haben, inspiriert durch den Fund der gedruckten Original-Partitur, im Jahr 2010 die tragédie lyrique Bellérophon konzertant wiedererweckt. Wie die übrigen Werke des gebürtigen Florentiners ist auch diese 1679 uraufgeführte Musiktragödie im Grunde eine säkulare Königsliturgie, deren mythologischer Held ein Alter Ego von Ludwig XIV. ist. Unter der Oberfläche streng gefügter musikalischer Architekturen und vokaler Stilisierung entspinnt sich ein hochemotionales Drama. Es handelt vom jungen Bellérophon, der gegen die durch schwarzmagische Künste heraufbeschworene Chimäre in den Kampf zieht. Das Monster bedroht das schöne Lykien, wo die schöne Prinzessin Philonoé darauf wartet, mit dem Helden vor den Traualtar zu treten. Beider Glück sieht sich durch die Hassliebe der Königin Sténobeé und ihres Verbündeten Amisodar ebenso wie durch einen fatalen Götterspruch bedroht.
All diese Figuren und Ereignisse lassen sich als Chiffren für die tagespolitischen Ereignisse in- und außerhalb des Reiches des Sonnenkönigs lesen. Darüber gibt das mehrsprachige und als festgebundenes Büchlein schön gestaltete Cover Auskunft. Man kann aber auch einfach nur die Musik hören und das Ganze als Vorläufer heutiger Hollywood- und Musical-Produktionen vor dem inneren Auge miterleben.
Rousset weiß, dass es eines starken Gestaltungswillen durch die Interpreten bedarf, damit die rezitativdominierte Musik Lullys trotz des gesteigerten Orchestereinsatzes nicht lahmt. Der Dirigent hält seine durchweg vorzüglich SängerInnenschar, allen voran den jugendlich-kraftvollen Cyril Auvity und die leidenschaftlich auftrumpfende Ingrid Perruche, zu einem ausdrucksstarken Singen an, das in der elegant angeschärften Orchesterbegleitung ein nicht minder expressives und bassstarkes Fundament hat. Deklamatorisch derart belebt, kommt Lullys Beherrschung der französischen Sprech-Sing-Sprache richtig zur Geltung. Auch die organisch aus der Handlung sich entwickelnden Divertissements mit Tanz- und Chormusik sind sehr reizvoll – hier überzeugt vor allem der Kammerchor Namur durch Wandlungsfähigkeit. Die höllischen wie die bukolischen Stimmungen liegen ihm gleichermaßen.
Allerdings fehlen dieser Oper trotz schöner Momente Höhepunkte vom Format der Schlummerszene aus Atys, der Feerien aus Roland oder eine monumentale Chaconne-Szene wie in der späten Armide. Freilich: Was die Klassizität der französischen Kunst angeht, steht diese Oper in ihrer Ausgewogenheit und Bündigkeit – sie dauert nur etwas über zwei Stunden – im Zenit von Lullys Schaffen.
Stets war eine französische Barockoper auch ein opulentes Ausstattungstheater, das auf starke visuelle Reize setzte. Mit seinen wechselnden Sets – Monsterbeschwörung, Opferzermonie, Klage der Waldgeister, fliegendes Pferd usw. – erfordert Bellérophon eine Effektmaschine, die heute vor allem Musicaltheater bieten dürften. Die Musik liefert in solchen Momenten eher Stichworte zur Bühnen-Action, z. B. beim chorbegleiteten finalen Kampf des Bellérophon gegen die Chimäre, der eigentümlich ‚spannungsarm‘ vorbeirauscht. Trotz gelegentlicher kleiner Soundeffekte kann eine rein konzertante Aufnahme von dem dazugehörenden Bühnenzauber nichts vermitteln. Insgesamt liegen die zarteren Stimmungen dem Dirigenten mehr am Herzen als die großen Tableaux - es fehlt ein bisschen der Sinn für das Dämonische. Bei den großen Zaubererauftritten wahrt Rousset eine gewisse ironische Distanz. Es bleibt den Zuhörenden überlassen, sich auf den Flügeln ihrer Fantasie in diese mythische Zauberwelt zu begeben.
Georg Henkel
Besetzung |
Cyril Auvity: Bellérophon
Céline Scheen: Philonoé
Ingrid Perruche: Sténobeé
Jennifer Borghi: Argie/Pallas
Evgeniy Alexiev: Pan/Jobate-Le Roy
Jean Teitgen: Apollon/Amisodar
Robert Getchell: Bacchis/La Pythie
Kammerchor Namur
Les Talens Lyriques
Christophe Rousset: Cembalo & Leitung
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