Ungarischer Ritt durch Ostwestfalen
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So etwas ist mir ja noch nie passiert. Da fahre ich gegen 20:00 Uhr bei dem Konzert, bei dem um 20:30 Einlass sein soll, vor und bin tatsächlich der allererste Besucher dieses Abends. Was allerdings schade ist, ist die Tatsache, dass leider auch nicht so fürchterlich viel mehr Besucher kamen. Denn eigentlich sollten die verrückten Ungarn inzwischen einen wesentlich größeren Ruf haben, und auf Grund der Vielfältigkeit Ihres Musikstiles, der osteuropäische Folklore, asiatische Klänge, Rock und Popschemata und psychedelische Spuren auf dem Bodensatz einer hypnotischen, aus tausend Perkussionsinstrumenten zu bestehenden scheinenden, nicht nur tanzbaren sondern zum Tanz zwingenden sowie einem schwebenden, aber durchaus poporientierten Keyboardsound durchaus auch Pop und Rockfans anziehen. Doch wieder einmal werden diese Leute leider nie erfahren, was sie verpasst haben. Auch für die Bielefelder Vorband 7 Days Awake tut es mir leid, denn als diese gegen 21:15 starten, verlaufen sich wirklich nur eine wenige Personen im Rund des Forums.
7 Days Awake beweisen mir überraschender Weise, das inzwischen doch eine Vielzahl guter Bands aus meiner Heimatregion kommen. Allein in diesem Jahr durfte ich die Dark Metaller Geist kennen lernen und heute Abend nun 7 Days Awake! Die vier Mann starke Formation im traditionellen Rock Line Up (Bass, Gitarre, Schlagzeug und Gesang) liefert in Ihrem ca. 50 Minuten langen Set eine tolle Mixtur aus Alternative Rock mit sehr melodischen Wave Einflüssen (die gitarrenlastigen frühen The Cure klingen mitunter durch). Die ersten ca. 30 Minuten sind offensichtlich neuem Material der in Bälde erscheinenden neuen CD gewidmet, diese sind laut Ausage des Sängers wohl kürzer und knackiger als das ältere Material – damit trifft er es auf den Kopf, die Zuhörer bekommen wirkliche eigenständige und eingängige Alternative Rock Songs auf die Ohren, die genau die Balance zwischen leichter Sperrigkeit und genügend Eingängigkeit treffen. Kurze und knackige Solis bilden da dann nur das I-Tüpfelchen. Den zweiten Teil der Aussage bestätigt die Band dann mit dem letzten Stück, das in seinen ca. 8 Minuten kräftig zu stonern beginnt und eine rotzige aber feine Mischung aus Alternative und eben Stoner Rock bietet. Auf jeden Fall eine hervorragende Vorband, diese Band wird in einer der kommenden Ausgaben von Musik an sich intensiver vorgestellt.
Nach einer etwas längeren (da ja für die große Band und Instrumenten Stärke der Öröms schon so einiges nötig ist) war es gegen ca. 22:15 Uhr dann soweit: in einer Bandstärke von acht (ich hoffe, ich hab mich nicht verzählt) von eigentlich im Moment 11 kommt die Band auf die Bühne. Und sie braucht nur ganz kurz, um auf volle Betriebstemperatur zu kommen. Vortänzer und Sänger Vesci Tibor (es sind ja mehr Geräusche die er produziert, denn an sich sind Korai Öröm ja ein instrumentales Projekt) schnappt sich sein Handtrommel und liefert sich mit „Perkussions- Monster“ Nadasdi Zslot einen rhythmischen Wettlauf. Dazu setzen die Keyboards ein und die Maultrommel, Dobro, Flöten, Trompeten und viele andere Instrumente werden feuerwerkartig abgebrannt. Ich kann beim besten Willen keine Setlist der ca. zweieinhalb Stunden langen Show abgeben. Es werden ettliche neue Tracks gespielt aber auf eine Vielzahl der „Sound & Vision“ Alben von Anfang 2000 bis heute. Problematisch ist bei einer Setlist für Korai Öröm ja auch die Tatsache, das Sie Ihren Stücken keine Titel gegeben haben.
Es steht aber fest, das die leider so kleine Meute vor der Bühne innerhalb kürzester Zeit angesteckt wird von der immer strukturierten, aber geballten und ausufernden Rhythmik der Stücke. Schon bald beginnen sich Zuschauer vor der Bühne zu den wilden Rhythmen ebenso zu bewegen und auch die „Konzertsteher“ können dem Konzert zumindest nicht ohne Fußwippen folgen. In den meist zwischen 7 und 12 Minuten langen Stücken wird auf der Grundlage, also dieser ansteckenden Rhythmik und den schwebenden Keyboards jedem Solo, sei es Trompete, Dobro, Gitarre oder was auch immer, ausreichend Raum gelassen. Die spacigen und psychedelische Keyboards tragen die Klangwelten in jeden Winkel des Raumes und sind doch so poppig, dass sie immer hörbar sind und so sperrig, das sie doch kein reiner Pop, ja Technopop sind. Denn die nochmals zu erwähnende überbordende Rhythmen kommen durchaus oftmals in die Nähe von Rave und Tekkno Beats, doch die Folklore und Spaceelemente holen sie immer wieder zurück in die wunderbare Welt der psychedelischen Soundforschung. Apropos Sound: die Korais schaffen es, diese relative kleine Halle hervoragend zu beschallen. Es ist möglicherweise etwas zu laut, aber der Klang ist klar und die Bässe dröhnen nicht, sondern sind genau richtig. Das ist nun mal gar nicht so einfach in kleineren und dann auch noch nicht mal halb vollen Hallen und gebührt dementsprechend Erwähnung. Besonders erwähnenswert ist dann auch noch der Schlagabtausch zwischen Nadasdi Zslot hinter seiner Perkussionsburg aus Bongos und allerlei anderer Schlaginstrumente und Jocsik Janos hinter seinem Drumkit. Eigentlich sind Schlagzeugduelle ja spätestens seit Mitte der Achtzieger altbacken und völlig out, doch was diese Beiden sich über wahrscheinlich 10 Minuten liefern, ist unfassbar und unbeschreibbar. Insgesamt scheinen mir die Korais übrigens wieder etwas mehr Richtung Folklore und Rock zu gehen. Die Gitarre kommt heute wesentlich öfter zum Einsatz wie damals auf dem legendären Burg Herzberg Auftritt. Das tut der Band auch gut, mir gefallen zwar auch die schon sehr elektronisch wirkenden letzten Alben, doch mit diesem Schritt zurück sind sie für meine Ohren nochmals kräftiger und, ja, zeitgemäßer geworden. Wobei sie eigentlich so eigenständig und einzigartig sind, das sie immer Zeitgemäß sein werden.
Bei Ihrem Konzert an diesem Abend heizen sie den (wenigen) ostwestfälischen Besuchern jedenfalls 2 Stunden lang heftig ein. Das sie dann dieser kleinen, aber euphorischen Menge nochmals drei Stücke mit ca. 30 Minuten um die Ohren hauen, ist aller Ehren wert. Auch, das sie trotz der enttäuschenden Besucher spielfreudig daher kommen, ist erstaunlich. Aber wahrscheinlich kann diese durch und durch positive Band (mit Ihrem durch und durch Lebensfreude ausstrahlendem Oeuvre) gar nicht anders. Gerade bei diesen Zugaben tritt die Gitarre nochmals in den Fordergrund und die Öröms kommen rockiger und energiegeladener daher als man es geahnt hätte. Dann gingen leider die Saallichter an, man hätte sicherlich noch eine halbe Stunde von diesem Sound vertragen. Doch auch die Wenigen schaffen es tatsächlich, die Band nochmals heraus zu klatschen. Sie nimmt zwar keine Instrumente mehr in die Hand, doch sie drückt mit einer anderen Geste nochmals Ihre positive Einstellung aus. Alle Musiker übernehmen den Klatschrhythmus des Publikums und sie arbeiten dann einen ca. 4 Minuten langen, rhythmischen „Klatschdialog“ mit dem Publikum. Grandios.
Fazit: Korai Öröm sind live eine Bank. Sie sind einzigartig und unbeschreiblich und jeder, der Rock und Popmusik mag, sollte sie kennen. Das dies nicht so ist, liegt auch an Ihrer eigenen Stärke: denn Ihre Tracks sind halt für den normalen Popkonsum dann doch wieder zu lang, zu vertrackt und zu vielfältig. Trotzdem hoffe ich, dass diese Wahnsinnsmusiker nicht nur bald wieder in meiner Nähe spielen, sondern auch Ihren längst verdienten Erfolg erzielen.
Haltet Eure Augen auf und schaut sie Euch an, wenn Ihr könnt!
Wolfgang Kabsch
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