Musik an sich


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KISS erobern Deutschland




Info
Künstler: Kiss

Zeit: 11.05.2008

Ort: München, Olympiahalle

Internet:
http://www.kissonline.com

Am 19. Februar 1999 war nach München gefahren, um auf der damaligen Psycho Circus-Tour dabei zu sein. Damals ging für mich ein Traum in Erfüllung, den ich hatte, seit ich zwölf Jahre alt bin. Damals im Winter, genauer gesagt am 31.12. überlegte ich mir das erste Mal in meinem noch jungen Leben, statt Silvesterkracher doch etwas Dauerhafteres zu kaufen. Ich überlegte mir lange, was es denn sein sollte und dann fiel die Wahl auf eine Cd. Kiss kannte ich damals schon, aber ich hatte noch keines ihrer legendären Live-Alben. Deshalb kaufte ich mir Alive und hörte das Album noch in der Silvesternacht rauf und runter. Diese Atmosphäre auf dieser Cd ist legendär, wird wohl nicht mehr erreicht werden und zeigt Kiss als noch junge, hungrige und unverbrauchte Band im Original-Line-Up. Ich wünschte mir, diese Band mit Bemalung, in Originalbesetzung und kompletter Bühnenshow einmal in meinem Leben live zu sehen. Als dieser Traum dann an diesem 19.Februar in Erfüllung ging, war ich unglaublich zufrieden und ich hatte ein Ziel, das ich in meinem Leben erreichen wollte, erfüllt. Und das mit 19 Jahren!

Daran, dass es Kiss noch jemals irgendwann nach Europa, geschweige denn nach Deutschland schaffen würden, hatte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gedacht. Doch die größte Rock n Roll-Band aller Zeiten hatte es sich zum Ziel gesetzt, 2008 nach fast 10-jähriger Deutschland-Pause wieder einmal eine Tournee zu machen, bei dem sie sogar einen Abstecher nach München unternehmen sollten. Als diese Gerüchte im Frühjahr 2008 im Internet die Runde machten, glaubte ich lange nicht daran. So lange nicht, bis auf der Rock Hard-Homepage (ähem, dazu hätte es nicht unbedingt der Konkurrenz bedurft – Anm.d.Red.) die Tourdaten veröffentlicht wurden. Als dann der Vorverkauf begann, war ich total von den Socken und der erste am Kartenvorverkauf in Nürnberg. Bereits eine Minute nach Beginn des regulären Vorverkaufs war es nicht mehr möglich, eine Stehplatz-Karte zu bekommen. Genau wie 1999!

Im Internet machten bereits Gerüchte die Runde, dass die Band auf der Tour, die den Namen „Alive:35“ trägt, das komplette Alive-Album am Stück plus einige Klassiker spielen sollte. Das konnte ich kaum glauben, das wäre ja fast zu schön um wahr zu sein. Bei der Halle angekommen waren etliche Fans maskiert, manche hatten sich sogar Original-Kostüme selber gebastelt, was die Begeisterung für diese Band einmal mehr unterstreicht. Bei dem aktuellen Line-Up sind von der Originalbesetzung noch „Demon“ Gene Simmons am Bass und „Starchild“ Paul Stanley mit von der Partie. Die 2004 gefeuerten „Space“ Ace Frehley (guitar) und Peter Criss, the „Cat“ (drums) wurden durch die musikalisch über jeden Zweifel erhabenen Thommy Thayer (guitar) und dem bereits bei der Revenge-Tour als Kiss-Mitglied tätigem Eric Singer (drums) ersetzt. Musikalisch sind die beiden sicherlich besser als Ace und Peter, aber die Original-Besetzung war natürlich schon kultiger. Das Beste sind natürlich wie immer die Kiss-Fans. Unzählige von ihnen sind bemalt, das Alter ist sehr gemischt und viele Eltern haben ihre ebenfalls maskierten Kinder mit dabei.

Die Bühne in der Halle ist riesig und große Teile davon sind mit schwarzen Tüchern abgehängt. Kurz vor Beginn wird noch ein größeres schwarzes Tuch ausgerollt, auf dem das KISS-Logo abgedruckt ist und somit die Bühne vollends verhüllt. Um fast genau 21.30 Uhr geht das Hallenlicht aus. Der weltberühmte Schrei „You Wanted The Best, You’ve Got The Best. The Hottest Band In The World - KISS!” ertönt und das Spektakel beginnt. Zu “Deuce” betreten Gene, Paul und Thommy, die allesamt auf einer Plattform stehen, die von der Bühnendecke herabgelassen wird, die Bühne. Begleitet werden die drei von vielen Böllern, die zeitgleich losgehen. Unser Sitzplatz ist nicht sehr gut. Eric Singer sehen wir nie direkt, da ein Boxenturm die Sicht auf das Schlagzeug verdeckt. Was auch schon nach wenigen Takten auffällt: Der Sound ist viel zu leise. Ich entferne die Taschentücher aus meinen Ohren, um ein wenig Live-Feeling zu schnuppern. Dummerweise bleibt es so, der Sound ist wirklich während des ganzen Konzerts einen gewaltigen Zacken zu leise. Wenn irgendwas explodiert (und das ist bei Kiss sehr häufig der Fall) dann hat man den Eindruck, als läuft eine Cd mit Kiss-Musik im Hintergrund.

Gleich danach kommt „Strutter“, ein weiterer Lieblingssong von mir. Die Stimmung unter den Fans ist wirklich gut. Bereits vor dem Konzert gehen gewaltige La-Ola-Wellen durchs Publikum. Bereits als Paul Stanley seine Ansagen macht wird klar, dass er mit einer üblen Erkältung gestraft ist. Der Weltklasse-Sänger hat eine raue Stimme, dass es fast schon zum Fürchten ist. Aber er kämpft sich tapfer durch und zeigt lediglich im Zugabenteil ein paar Schwächen. Sympathisch jedoch, dass ihn das wohl am allermeisten ärgert, wie man deutlich sehen kann. Gene Simmons ist stimmlich und auch stimmungsmäßig voll auf der Höhe und lässt seinen „Demon“ und seine Zunge während des kompletten Abends ziemlich eindrucksvoll raushängen. Als dann auch noch das megageile und sehr selten gespielte „Got To Choose“ gespielt wird, konnte man sich sicher sein: Das wird Alive in kompletter Länge, kein Zweifel. Und so feiern wir zwei jeden Song des legendären Live-Albums mit. Ich hab das Gefühl, ich bin noch einmal zwölf und es ist jene ominöse Silvesternacht. Highlights sind für mich hier ganz klar noch „Hotter Than Hell“, das legendäre „Firehouse“, bei dem Gene Simmons Feuer spuckt und das brennende Schwert dann wuchtig in den Bühnenboden rammt. Eric Singer singt ein grandioses „Nothin’ To Loose“, ein Song, der normal von Peter Criss gesungen wurde. „C’mon And Love Me“ hat mich ebenso weg wie der Rest der Scheibe.

Ein witziger Moment ist auch das Gitarrensolo von Thommy Thayer während dem Song „She“. Er feuert dabei etliche Raketen aus seiner Gibson Les Paul, was wirklich cool aussieht. Aber das Solo ist mit das langweiligste und überflüssigste, was ich in meinem ganzen Leben gesehen habe. Jedes Solo von Ace Frehley war definitiv besser, keine Frage. Bei „Black Diamond“ lache ich mich fast kaputt. Der coole Anfang wird jäh durch brutale Pyros abgewürgt und die Frau vor uns erschrickt dermaßen darüber, dass es sie fast aus dem Sitz hebt. Dieser Song ist wirklich legendär und live einfach nur gewaltig. „Rock Bottom“ ist ebenso klasse wie „Cold Gin“ oder das abschließende „Rock n Roll All Nite“, bei dem die Münchner Olympiahalle in ein gigantisches Konfetti-Meer verwandelt wird. Unglaublich, Kiss habens wirklich immer noch drauf. Es ist ein sehr schönes Geschenk der Band an die langjährigen Fans, diese Killer-Songs noch mal live zu spielen. Das ist die eigentliche Überraschung des Abends. Als ich auf die Uhr schaue muss ich erschreckend feststellen, dass bereits 90 Minuten vorbei sind. Das gibt es doch gar nicht, oder?

Und Kiss gehen von der Bühne. Ich befürchte schon, die kommen gar nicht mehr. Ein Kiss-Konzert ohne „Dr. Love“? Ohne „King Of The Night Time World“? Aber Kiss wären nicht Kiss, wenn sie nach 90 Minuten bereits von der Bühne gehen würden. Die vier kommen zurück und legen mit dem Kracher „Shout It Out Loud“ los, dass einem Hören und Sehen vergeht. Nun geht die Party erst richtig los und es fällt auf, dass die Alive-Scheibe wohl bei vielen doch nicht mehr so bekannt ist. Holle wollte eigentlich nur einen Song auf jeden Fall hören, und zwar „Lick it up“. Und der folgt gleich anschließend. Dann wird die Bühne in blutrotes Licht getaucht und Gene Simmons kommt mit Pausbäckchen an den Bühnenrand. Er zieht die weltberühmte Blutspuck-Nummer eisenhart durch und wird anschließend per Seilwinde an die Bühnendecke hochgezogen. Jeder rechnet nun mit „God Of Thunder“, doch dann folgt die Überraschung schlechthin, nämlich „I Love It Loud“. Die Fans freuts und die Stimmung während dieses Songs ist wirklich geil. Nun darf auch noch Paul Stanley Münchens Technik auskosten und lässt sich bei „Love Gun“ per Seilwinde über die Fans hinweg auf ein kleines Podest fahren, von dem aus er dann den Song singt. Dummerweise (und auch das hat Spinal-Tap-Anleihen) schleudert der Reifen nachdem er ausgestiegen ist zurück und trifft ihn wohl ein bisschen am Kopf, aber er lässt sich nichts anmerken und spielt und singt einfach weiter.

Bei „I Was Made For Loving You“ fordert Paul das Publikum endlich auf, sich zu erheben. Und endlich hebt München seine Hinterteil. Ist mir eh unverständlich, wie man bei KISS sitzen kann. Den Abschluss bildet ein überaus grandioses „Detroit Rock City“, das von den Fans gnadenlos abgefeiert wird, wie die komplette Show. Es war insgesamt ein wirklich phantastischer Abend, der in punkto Show, Poser-Attitüde und Songs einer kleinen Zeitreise gleich kommt. Wir sind restlos begeistert, die Spielzeit ist mit 2 Stunden und 15 Minuten mehr als nur in Ordnung. Einziger Kritikpunkt meinerseits war der Sound, der viel zu leise war. Was mir auch gefehlt hat, war die eine oder andere Ballade wie „Beth“ oder „Forever“. Paul Stanley kündigt mehrmals während des Gigs an, dass sie nächstes Jahr wieder nach München kommen wollen. Ich bin mir sicher: Wenn dies der Fall ist, bin ich noch mal dabei!


Stefan Graßl



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