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Berio, L. (Schlimé)
Sämtliche Werke für Klavier
ABSTRAKTION UND POESIE
Im Repertoire des 1981 in Luxemburg geborenen Pianisten Francesco Tristano Schlimé gibt es keine Berührungsängste zwischen klassischem und modernem, zwischen komponiertem und improvisiertem Repertoire: Seine Diskographie umfasst Johann Sebastian Bach, Prokofiev, Ravel und Berio, in seinen Konzerten finden sich zahlreiche Jazz-Programme mit Ensembles wie Triologues und Out of Focus. Dabei zeichnet sich der Künstler auch hier durch eine ausgesprochene Neugier nach Neuem aus. Seine Solo-Improvisationen zeige sich von klassischen Traditionen ebenso berührt wie von den manchmal esoterischen Klangwelten der Neuen Musik. Früher hätte man von einem „Grenzgänger“ gesprochen, marktgängiger wird heute das Etikett Crossover bemüht. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der sich Schlimé zwischen den Welten bewegt, hat mit postmodernem Einerlei und Anbiederung an die Hörer nichts zu tun. Bach wird nicht verjazzt, Jazz nicht zur klassizistischen Etüde umdekoriert. Es geht um jeweils ganz eigene und substanzielle Weisen des Musikmachens.
Der musikalische Welten- und Epochenreisende Luciano Berio (1925-2003) war als vermeintlicher „Mann in der 2. Reihe“ der Avantgarde seinen mitunter recht ideologiebehafteten Kollegen in Wahrheit oft einen Schritt voraus. Vielleicht findet Berio auch deshalb in Schlimé einen so profunden Interpreten, weil die vom Komponisten demonstrierte zwanglose und konzentrierte (An)Verwandlung musikalischer Sphären Schlimés eigener musikalischer Mehrsprachigkeit entgegenkommt. Berios Stücke für Klavier passen auf eine einzige randvolle CD. Das mag angesichts seines umfangreichen Gesamtwerks nicht viel sein. Doch spiegeln seine Werke bis hin zur späten, großdimensionierten Sonate den Entwicklungsprozess des Komponisten: über die neoklassischen Petit Suite des 22jährigen und Experimenten mit der Zwölftonmusik in den Cinque Variazioni führt der Weg über die weniger streng gebundenen, eine Vielzahl von Techniken nutzenden Werke (Six Encores, Sequenza IV). Mit rund 30 Minuten eine Art monumentaler Schlussstein ist besagte Sonate. Hier bündelte Berio seine kompositorischen Erfahrungen. Das Werk kreist um einen einzigen Ton, ein in den ersten Minuten monoton angeschlagenes B, aus dem die übrige Musik dann gleichsam hervorkeimt, bis das Ausgangsmaterial gleichsam überwuchert wird.
Schlimé meistert die komplexen Anforderungen der verschiedenartigen Stücke souverän und mit großem Gespür für ihre oftmals subtile Poesie. Seine gestalterische Phantasie verbindet unangestrengt impressionistische Klangwolken und klare Linie, irrlichternde Rhythmik und bizarre harmonische Progressionen. Auch wegen der ausgezeichneten Klangtechnik kann diese Produktion ohne Einschränkungen empfohlen werden!
Georg Henkel
Trackliste |
01 Cinque Variazioni (1952/3 rev. 1966) 02 Rounds (1967) 03-08 Six Encores 09 Sequenza no IV (1965) 10-14 Petite Suite (1947) 15 Sonata (2001) |
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Besetzung |
Francesco Tristano Schlimé, Klavier
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