Windmaschine für Sister Sadie: Das Jugend-Jazzorchester Sachsen swingt mit Johannes Herrlich durch ein ziemlich flottes Programm
Bei den Konzertprojekten des Jugend-Jazzorchesters Sachsen wirken immer wieder renommierte Jazzer aus der halben Welt als Projektleiter mit – im Frühjahr 2023 ist es der Wiener Posaunist Johannes Herrlich, der eigentlich schon in einem der Vorjahre mit den besten sächsischen Nachwuchsjazzern arbeiten sollte, was freilich wie so vieles andere einem gewissen Virus zum Opfer fiel. Nun ist es aber endlich soweit, und Herrlich kann zur Tat schreiten, unter dem Titel „Butters Idea – Swing That Thing“ den jungen Musikern die Liebe zum Swing und zu artverwandten Klängen einzuimpfen bzw. diese noch zu verstärken. Wie üblich gibt es drei Konzerte mit dem entwickelten Programm; der Rezensent ist beim ersten an einem regnerischen Freitagabend im Leipziger Werk 2 anwesend, das auf gute Resonanz stößt – im bestuhlten Areal der Halle D bleiben nur wenige Plätze leer. Die jungen Musiker spielen in klassischer BigBand-Besetzung, wobei die Rhythmusgruppe allerdings mehr Personal aufweist als üblich: Sowohl am Baß als auch am Drumkit wechseln sich mehrere Spieler ab, auch am Klavier wird zwischenzeitlich getauscht. Das aus Publikumssicht rechts aufsteigend angeordnete Gebläse dagegen ist traditionell bestückt: fünf Saxer, vier Posaunisten und fünf Trompeter, einige der 14 wie üblich noch mit Zweitjob an Klarinette oder Flügelhorn. „Strike Up The Band“ von Count Basie eröffnet das Konzert in enorm flottem Tempo, vor allem das intensive Drumming verleiht der Nummer einen Extra-Punch und macht klar, dass es an diesem Abend nicht an jugendlicher Energie und Frische mangeln wird (und da stört es auch nicht, wenn der Drummer hier gleich mal eines Sticks verlustig geht). „You Stepped Out Of The Dream“ bestätigt diesen Eindruck – trotz bedächtigeren Tempos verschwindet der vorwärtsdrängende Gestus auch hier nicht. Und so geht es in „Filthy McNasty“, dem von Wiebke Henning gastvokalisierten und vor allem nach hinten raus sehr expressiven „That Old Black Magic“ und „Out Of Nowhere“, in dem Herrlich selbst mit soliert und mit seinem edlen Ton dem Ganzen das Sahnehäubchen aufsetzt, weiter. Da immer nur zügige Spielgeschwindigkeit auf Dauer aber monoton würde, setzt „That Worn Feeling“, abermals eine Count-Basie-Nummer, mit sehr langsamem Tempo und großer Intensität einen Kontrapunkt, ehe „Wiggle Waggle“ den ersten Set wieder sehr munter beschließt. Angesichts der abermals enormen Spielfreude verkraftet der Hörer auch, dass von den Gästen an Flöte und Violine hier im Soundorkan wenig (Flöte) bis nichts (Violine) zu hören ist. Das Gesamtklangbild zeigt sich relativ ausgewogen, bis auf eben einige Detailprobleme, und die jungen Solisten, die, wie das bei einer BigBand so üblich ist, jeweils nach vorn in die Mitte kommen (soweit das geht – der Drummer spielt sein Drumsolo natürlich am Platz, auch der Pianist verrückt sein Instrument nicht), legen ihre anfängliche Nervosität schrittweise ab und spielen sich frei, wenngleich die erreichten Levels natürlich durchaus noch unterschiedlich sind. Aber dafür ist das eben ein Ausbildungsorchester – eines, in dem man an seinen Aufgaben wieder ein gehöriges Stück wachsen kann und in dem diese Aufgaben trotzdem im Grundsatz durchaus lösbar sind. Dass da der eine oder andere Spitzenton mal etwas schräg kommt oder die Lockerheit im Solieren noch nicht ganz da ist – geschenkt. Lobend erwähnt werden müssen allerdings die Drummer, die sich ihrer Aufgaben fast durchgehend supersouverän entledigen. Auf hohem Niveau geht es im zweiten Set weiter: Count Basie gibt wieder in „Wind Machine“ die speedige Richtung vor, Saxer Hendrik Marin im Solo vor eine nicht leichte Aufgabe stellend, die dieser indes gekonnt löst. Das Gegenstück klappt aber auch wieder: „Bei diesem Stück wollen wir beweisen, dass man als BigBand auch leise spielen kann“, kündigt der charmant moderierende Herrlich „All Through The Night“ an, was dann tatsächlich leise, aber trotzdem zügig von der Bühne kommt, und der Slowgroover „In The Small Hours Of The Morning“ wird sehr gesanglich umgesetzt, obwohl es hier gar keinen Gastgesang von Wiebke Henning gibt. Die greift erst wieder im zügigen „Too Darn Hot“ ins Geschehen ein und auch gleich noch in „Leaving“, einer Nummer des einst in Leipzig lehrenden Richie Beirach, die die Musiker in recht originelle Klangwelten führt und Herrlich auch nochmal solieren läßt. Ausgerechnet der Titeltrack des Programms, „Butters Idea“, wird ein bißchen zum Downer, da das Ganze irgendwie ins Leere läuft und weder richtig Spannung aufbaut noch richtig vom Leder zieht, ehe „Sister Sadie“ mit ansteckender Spielfreude und einem großen Sax-Posaune-Soloduell zwischen Marin und Herrlich den zweiten Set auf hohem Niveau abschließt. Die Zugabe „I Can’t Stop Loving You“, von der Soundbalance her etwas schwierig geratend, kann da keinen mehr draufsetzen, aber das macht nichts: Die Stimmung im Saal ist prima, die Jugendlichen haben wieder viel gelernt, und auch Johannes Herrlich hatte offenkundig seinen Spaß an der Sache, den er mit typischem Wiener Schmäh transportiert, etwa wenn er die Tonträger des Jugend-Jazzorchesters zum Kauf anpreist: „Falls Ihnen die CD doch nicht gefallen sollte, haben Sie vielleicht eine Tante, die Sie nicht so mögen ...“ Roland Ludwig |
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