Bach, J. S. (Pilsan, A.)

Das Wohltemperierte Klavier I


Info
Musikrichtung: Barock Klavier

VÖ: 09.04.2021

(Alpha / Note 1 / 2 CD / DDD 2020 / Best. Nr. ALPHA 669)

Gesamtspielzeit: 106:58



CLAVICHORDISCH

Dass der 25 Jahre junge österreichische Pianist Aaron Pilsan den ersten Teil von Bachs wohltemperiertem Klavier auch auf dem zartklingenden Clavichord (der Überlieferung nach Bachs bevorzugtes Tasteninstrument für das private Musizieren) erarbeitet hat, hört man seiner Steinway-Aufnahme an: Pilsan bietet eine gleichsam clavichordisch zurückgenommene Lesart auf dem modernen Flügel, mit einem die Extreme vermeidenden, aber vielfältig abgestuften dynamischen Spektrum, differenzierter Tongebung und feiner Klangkultur.
Die Idee, die Stücke in der Art menschlichen Sprechens zu artikulieren und zu phrasieren, verleiht der Musik eine intime menschliche Dimension und entmonumentalisiert das "Alte Testament" der Klavierkomposition. Pilsan versucht weder, den herrisch-trockenen Gestus des Cembalo noch eine quasi-orchestrale Wirkung „mit großem Ton“ zu erzeugen. Interessant ist die Übernahme der wohltemperierten Stimmung, die anders als die heute übliche gleichstufige Stimmung die Charakteristik der Tonarten weniger nivelliert. Ganz natürlich wirkt das alles und auch die unaufdringliche Tontechnik trägt dem Ansatz Pilsans Rechnung.

Pilsans Ansatz geht bei den meisten Stücken stimmig auf. Vor allen bei den lyrischeren Sätzen wirken die Zurücknahme, das weichere Licht geradezu befreiend. Manch schnelle Passage kann allerdings auch etwas zu etüdenhaft abschnurren, verflüchtigt sich innerhalb des gesteckten Interpretationsrahmens. Und über einige Spannungs- und Eckpunkte wird zu leichthändig hinweg gespielt.
Bachs Zyklus hat ja auch eine zupackende, barock-virtuose Seite, die rhetorische Kontraste kennt und mit manchen Twists den Hörer in Erstaunen versetzt. Musikantisch geht es da zu, affektgeladen. Und die Sammlung ist nicht so „ganzheitlich“ durchorganisiert, wie einige spätere Zyklen Bachs. Von daher würde ein weniger homogener Ansatz der patchworkartigen Vielfalt der Stücke vielleicht doch gerechter. Gerade das vielgesichtige „neutrale“ Klavier würde auf einem einzigen Instrument möglich machen, was z. B. Robert Levin unternahm, als er beide Teile des Wohltemperierten Klaviers teils auf dem Cembalo, dem Clavichord oder der Orgel eingespielt hat – je nachdem, was ihm die Stücke für eine Besetzung und Darstellung signalisierten.



Georg Henkel



Besetzung

Aaron Pilsan, Klavier


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