Avison, Ch. /Scarlatti, D. (Prego)
Concerti grossi Nr. 5, 6, 9, 12; Cembalosonaten
BEFREIT
Domenico Scarlattis Musik ging in England viral, wie wir heute sagen würden, nachdem der irische Cembalist Thomas Roseingrave 1739 dort eine Ausgabe von dessen Sonaten veröffentlicht hatte. Der Komponist Charles Avison (1709-1770) sprang geschickt auf den Zug auf und präsentierte 1744 eine Sammlung von zwölf Concerti grossi, deren Sätze überwiegend auf einzelnen dieser Sonaten basierten. Die Vorlage nutzte er dabei recht frei und eher im Sinne eines Steinbruchs bzw. einer Ideensammlung, jedoch gelang es ihm, die unnachahmlich barocke italienisch-spanische Mischung der Musik, sowie ihren thematischen und rhythmischen Ideenreichtum in seinen Concerti grossi beizubehalten. Gleichwohl wurden sie früher oft eher im Geiste Händels und somit in britischer Manier mit vornehmer Zurückhaltung gespielt. Eine Unart, die spätestens mit der sehr guten Einspielung durch Concerto Köln (Berlin Classics, 2015 – MAS-Review) und jener – etwas ruppigeren – durch Cafe Zimmermann (Alpha, 2016) als überwunden gelten darf.
So kann nun der Cembalist Ignacio Prego mit seinem Ensemble Tiento Nuovo befreit und beherzt das auf diese Weise freigelegte Potential der Musik voll ausspielen. Die Musiker:innen stellen die Concerti als eine noch vom Geiste Vivaldis durchwehte Orchestermusik vor: Schwungvoll, aber ohne Druck und fernab von allem mechanischem Musizieren. So tanzt das Ganze mal sehr charmant, mal bekommt es eine dramatische Aufladung, mal eine geradezu filmmusikalische Farbigkeit. Der Orchesterklang ist dabei eher hell und aufgelichtet, das Tempo hoch, das Spiel pointiert und dennoch ausgewogen. Man kann sich mühelos vorstellen, wie die musikbegeisterten Engländer Avison und seinem Verleger die Werke geradezu aus den Hände rissen. Den Vergleich mit der Referenzaufnahme von Concerto Köln braucht diese Interpretation mitnichten zu scheuen.
Wirklich erhellend ist die Gegenüberstellung mit einigen von Scarlattis Sonaten im Original, also für Solo-Cembalo. So kann etwa verfolgt werden, wie Avison aus der Sonate c-moll K.11 den zweiten Satz seines Concerto Nr. 5 „generiert“. Prego spielt die Sonaten uneitel und präsentiert sie ohne jeden romantisch-psychologisierenden Einschlag als kleine Präzision.
Sven Kerkhoff
Trackliste |
1 | Charles Avison (1685-1757) |
2 | Concerti grossi: |
3 | Concerto Nr.9 in C-Dur |
4 | Concerto Nr.12 in D-Dur |
5 | Concerto Nr.5 in d-moll |
6 | Concerto Nr.6 in D-Dur |
7 | Domenico Scarlatti (1709-1770) |
8 | Cembalosonaten K.87, K.11, K.213, K.27 |
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Besetzung |
Tiento Nuovo
Ignacio Prego: Ltg. & Cembalo
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