Exit Eden

Rhapsodies In Black


Info
Musikrichtung: Symphonic Metal

VÖ: 04.08.2017

(Starwatch Entertainment / Universal)

Gesamtspielzeit: 47:03

Internet:

http://www.exit-eden.com


Reine „Produzentenbands“, wie sie im Popbereich seit Jahrzehnten gang und gäbe sind, besitzen im Metal nach wie vor Seltenheitswert und werden im Regelfall recht kritisch beäugt, stehen sie doch im Generalverdacht, den in dieser Szene deutlich stärker ausgeprägten Authentizitätsdrang zu unterlaufen. Klassisches Beispiel hierfür sind Beyond The Black, die mehr oder weniger als Vehikel für gleich mehrere Produzenten- und Songwriterteams gesehen wurden und deren Eigenkreativitätsanteil so niedrig lag, dass die Bandmitglieder zum überwiegenden Teil nicht mal selbst im Studio waren, sondern die Einspielungen von Musikern aus dem Umfeld der genannten Teams oder gleich denen selbst getätigt wurden.
Eine ähnliche Konstellation haben wir nun bei Exit Eden vor uns – mit einigen markanten Unterschieden allerdings: Zum einen handelt es sich offensichtlich von vornherein um ein Studioprojekt mit nur sehr begrenzten Bühnenambitionen. Zum zweiten gibt es scheinbar von vornherein keine feste Band, was die Instrumentalisten angeht – Exit Eden sind ein Quartett, aber dabei handelt es sich ausschließlich um vier Sängerinnen, und wer bei den gelegentlichen Festivalgigs mit auf der Bühne steht und ein Instrument bedient, ist nirgendwo explizit vermerkt. Zum dritten schließlich beinhaltet Rhapsodies In Black auch keine explizit für dieses Projekt entstandenen Songs, sondern ausschließlich Coverversionen, elf an der Zahl, nämlich Popnummern der Zeit seit den 1980ern, und zu gleich sechs von ihnen wurden Videoclips hergestellt, was im Zusammenhang mit der Songauswahl die primäre Zielgruppe dieses Albums verdeutlicht: jüngere Popfans, die einzelsongorientiert denken, sich den Stoff online erschließen und schon immer mal wissen wollten, wie Musik, die sie für Metal halten, klingt. Der Charterfolg des Albums, das immerhin in Deutschland bis auf Position 15 kletterte, gibt den dahinterstehenden Strategen grundsätzlich recht, auch wenn dieser Umstand Rhapsodies In Black als Ganzes nicht besser macht. Da zum nicht gerade geringen Teil die gleichen Leute beteiligt waren wie bei bzw. vielmehr hinter Beyond The Black, war erstmal davon auszugehen, dass die technische Komponente stimmen würde, und das trifft dann auch voll und ganz ein – professionell eingespielt ist das Material. Da der musikalische Ansatz bei der Metallisierung dieser Songs kein dekonstruktivistischer war, bleiben die Originalmelodien, speziell die der Refrains, überwiegend erhalten, und auch deren Eingängigkeit wird nicht angetastet, was die Erschließung für die Zielgruppe entsprechend leicht macht, zumal das Originalspektrum nicht so weit auseinanderliegt, dass man Grabenkämpfe zwischen einzelnen Fanlagern befürchten müßte. Ein wenig aus dem Rahmen, was die Originalinterpreten angeht, fällt allenfalls Bryan Adams, aber auch der ist popkompatibel genug, dass sein Songmaterial auch von Rihanna- oder Adele-Fans goutiert werden könnte. Die restlichen Originale stammen von Depeche Mode, den Backstreet Boys, Shontelle, Madonna, Katy Perry, Bonnie Tyler, Lady Gaga und schließlich Visage, von denen Shontelle am Rezensenten bisher irgendwie komplett vorbeigegangen ist, was aber keinen existentiellen Verlust darstellt (ein Blick ins allwissende Netz offenbart die Dame als „Ziehmutter“ von Rihanna), wie er auch gerne weiterlebt, ohne Alben von Rihanna, den Backstreet Boys oder Lady Gaga zu besitzen. Wer im Booklet der CD die Songwriterangaben der Originale mitverfolgt, stellt fest, dass vielleicht die Hälfte von einem der Originalinterpreten mitgeschrieben wurde und, wenn das denn der Fall ist, es sich dabei größtenteils um eine ältere Nummer handelt, was einen eindrucksvollen Blick ins neuzeitliche Popgeschäft erlaubt, auch was die inflationäre Creditierung angeht. An „Incomplete“ der Backstreet Boys etwa haben gemäß der Credits gleich acht (!) Leute mitgeschrieben, und zwar die gleichen acht sowohl an der Musik als auch am Text, was bei letzterem vermuten läßt, dass jeder eine Zeile verfaßt hat und die dann aneinandergereiht wurden. Ob man das nun gut findet, ob es einem egal ist oder ob man den Untergang des Abendlandes beweint und sich in Zeiten zurücksehnt, als noch fünf Freunde gemeinsam im Proberaum Songs schrieben, muß jeder für sich beantworten.
Das zentrale Problem an Rhapsodies In Black ist indes ein anderes: So professionell die Nummern arrangiert wurden, so einfallslos geschah das auch. Jeder Song wird mit Orchesterelementen zugekleistert, die mehr oder weniger alle in der gleichen Stimmung gehalten sind, und sowas wie Dynamik ist weitestgehend abwesend, Spannung sowieso. Hier mal eine Flöte, da ein Cello, dort ein Gitarrensolo, aber alles völlig beliebig und austauschbar – selbst die gelegentlichen Akustikelemente wie das Intro von „Skyfall“ reißen da nichts mehr heraus. Dass hier ein Computer trommelt, muß man wohl nicht extra betonen. In den wenigen lichten Momenten erinnern die Arrangements an solche, die man auf den jüngeren Tarja-Alben hören konnte, allerdings wie eine stromlinienförmigere und ideenärmere Version davon. Der einzige Trumpf von Rhapsodies In Black sind die vier Sängerinnen, die wenigstens ein bißchen Individualität ins Geschehen bringen, und wenn man sonst nichts zu tun hat, kann man sich während der 47 Minuten zumindest noch damit bei Laune halten, zu ergründen, welche der Stimmen zu welcher Sängerin gehört. Zur Auswahl stehen Amanda Somerville (die kennt man von vielen Projekten aus dem Umfeld der Gate-Studios), Clémentine Delauney (deren Stimme hat man vielleicht noch von Visions Of Atlantis im Ohr), Marina La Torraca (deren Wirken bei Phantom Elite bisher unterhalb des Radars des Rezensenten geschah) und Anna Brunner, die vermutlich deshalb in die Band rutschte, weil sie mit einem der Produzenten, nämlich Johannes Braun von Kissin‘ Dynamite, liiert ist. Dazu kommt in „Frozen“ und „Skyfall“ Epica-Fronterin Simone Simons als Gast, und in „Total Eclipse Of The Heart“ gibt es mit Rick Altzi (u.a. von At Vance bekannt) einen männlichen Duettpartner als weiteren Gast. Man könnte jetzt auch noch die Studiomusiker aufzählen, weil das immer noch spannender als das Lauschen der Musik auf Rhapsodies In Black ist, aber man kann es auch sein lassen. Das Artwork wiederum widerspiegelt das alte Grund-Mißverständnis zwischen den Geschlechtern, dass Frauen irrigerweise glauben, sie würden in abstruser Verkleidung Marke „Mix aus Baumstumpf, Nixe und Vogelscheuche“ auf Männer attraktiver wirken als in einem Zustand, den man irgendwie noch als normal betrachten kann. Bleibt zu hoffen, dass das Ganze nur ein reines „Brotprojekt“ von Sascha Paeth und den anderen Hintermännern war – die wenigen interessanten Ideen wie eben das Altzi-Duett oder Delauneys französische Beiträge in „Fade To Grey“ retten das Gesamtprojekt nicht, und ein Kollege hat bereits vor geraumer Zeit mal treffend festgestellt, dass das Hören von Einzelsongs noch ganz unterhaltsam sein kann (die Eingängigkeit der Originale ist ja wie beschrieben durchaus noch da), das Album über die komplette Distanz aber akut ermüdend wirkt. Die Zielgruppe ist weiter oben definiert, und die kauft eigentlich keine Platten (mehr), was den Charterfolg etwas rätselhaft erscheinen läßt (wobei da aktuell aber auch die Downloads einfließen); als eventuelle weitere Zielgruppe kommen allenfalls beinharte Verehrer einer der viereinhalb Sängerinnen in Frage. Wer treffsichere Herangehensweisen an die Metallisierung von Popnummern sucht, ist indes mit dem ersten Teil von Tommy Johanssons Swedish Hitz Goes Metal, Atrocitys Werk 80 oder dem Frühwerk von Boney Njem deutlich besser bedient.



Roland Ludwig



Trackliste
1A Question Of Time4:29
2 Unfaithful3:49
3 Incomplete3:56
4 Impossible4:07
5 Frozen5:36
6 Heaven3:45
7 Firework4:18
8 Skyfall4:36
9 Total Eclipse Of The Heart4:25
10 Paparazzi4:10
11 Fade To Grey3:51
Besetzung

Clémentine Delauney (Voc)
Amanda Somerville (Voc)
Marina La Torraca (Voc)
Anna Brunner (Voc)



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