Der Pfeifer auf dem endlosen Fluss - Pink Floyd Part 12: The Division Bell - zurück ins Leben und ungewolltes (?) Finale
Nach dem insgesamt doch eher enttäuschendem A momentary lapse of reason und der darauf folgenden überragenden, fast drei Jahre währenden Tournee, legten sich die nun endgültig zum Dinosaurier mutierten Pink Floyd für sagenhafte sieben Jahre zur Ruhe. Während der Tour erschien noch das erste (mehr oder weniger) komplette Livealbum Delicate sound of thunder, welches einge der Momentary-Stücke etwas rehabilitierte, aber vor allem mit erstklassigen Aufnahmen der Klassiker aufwartete. In der Zeit nach der Tour kam bis auf das eher schwache bzw. wenig gehaltvolle Soundtrackexperiment La carrera panamericana nur Katalogverwaltung auf den Markt. Das sehr schön gestaltete Boxset Shine on brachte den Backkatalog unvollständig ins digitale Zeitalter. Auf Grund der andauernden Streitereien mit Roger Waters und dem Entscheid von David Gilmour, dass einige Alben nicht den Ansprüchen entsprechen, fehlten essentielle Werke wie Piper, Atom Heart Mother, The Final Cut und die beiden Soundtrackalben More und Obscured. Warum zum Beispiel Piper fehlte, aber eine Bonus-CD mit den frühen Singles beigelegt wurde, erschließt sich mir bis heute nicht. Ansonsten war band-, wie auch solotechnisch, Schweigen angesagt. Wie aus dem Nichts erschien dann 1991 zunächst Roger Waters' Amused to death, welches leider kaum promotet wurde und deshalb für Pink Floyd-Maßstäbe ein Flop wurde, musikalisch und inhaltlich jedoch deutlich aufzeigte, welche Komponente Momentary gefehlt hatte und die Meßlatte für ein mögliches neues Floyd-Album weit nach oben schraubte. Aber der Floyd-Tross schwieg weiter. Der Pink Floyd-Fan musste sich also mit den in dieser Zeit aufkommenden halblegalen Live und Outtakes präsentierenden CDs von zum Beispiel Swinging Pig über Wasser halten. Am 30. März 1994 erschien dann auch fast wie aus dem Nichts The Division Bell. Natürlich war ich elektrisiert, als ich in den Laden lief, um mir das Album am Erscheinungstag zuzulegen – aber ich versuchte meine Erwartungshaltung niedrig zu halten. Und ich wurde positiv überrascht. Denn das Album entpuppte sich als (kleine) Wiedergeburt meiner Heroren. Das deutete sich bereits personell an, denn Rick Wright wurde wieder als vollwertiges Mitglied geführt. Beim Starten der CD (dies war mein erstes Pink Floyd-Album das ich nur auf CD kaufte – und ist, warum auch immer, das bisher das einzige, welches ich nicht auf Vinyl habe) setzten dann auch gleich prächtige Pink Floyd-Schauer ein. Das einleitende “Cluster One“ erinnert mit seinen breiten Keyboardflächen und der elegischen Gilmour-Gitarre an beste Wish you were here-Tage und lässt den Hörer wunderbar in das Album hineingleiten. Die sanfte Perkussion ist sehr modern gehalten, was deutlich zeigt, wie perfekt man den Pink Floyd-Sound in die Moderne tragen kann. Das hohe Niveau wird mit dem sich direkt anschließenden “What do you want“ gehalten. Eine knackige Gilmour-Gitarre, bombastische Backgroundgesänge und eine pumpende Rhythmusarbeit erinnern ebenfalls a Wish you were here oder gar Dark side of the moon und verbinden diese Klänge mit frischem, knackigen 90er-Rock. Nach diesem bombastischen Einstieg gibt sich “Poles Apart“ akustischer. Das mit viel Hall versehene Stück greift die perlenden Gitarren von Stücken wie "Hey You" auf und transportiert diese in poppigere Gefilde. Durch Gilmours Slide-Gitarre driftet das Stück sogar ein wenig Richtung Country, wird dann jedoch durch Wrights schwebende Farfisa-Orgel wieder ein wenig gerettet. Auch die im Mittelpart auftauchenden experimentellen Parts werten das ansonsten doch etwas ins Mittelmaß rutschende Stück ein wenig auf. “Poles Apart“ enthält Stimmungstechnisch und mit der abschließenden Gilmourgitarre eigentlich alles, was ein Pink Floyd-Stück braucht, ist mir aber insgesamt zu dick aufgetragen und oberflächlich. Doch die Entschädigung für dieses Stück folgt auf den Fuß. Mit dem Instrumental “Marooned“ folght Rick Wrights erste Komposition seit Mitte der 70er Jahre. Und dieses wundervolle Stück für Keyboards und Gitarre lässt die beiden alten Freunde brilieren. Gilmour lässt seine Gitarre über den schwebenden und perlenden Klängen aus Wrights Händen abheben und so kommen schönste Erinnerungen an "Echoes" und "Great Gig in the Sky" auf. In meinen Ohren ist dies das beste Pink Floyd-Stück der Gilmour geführten Band. Einfach nur auflegen, Kopfhöhrer auf, Regler nach oben und abfliegen. Nach diesem Höhepunkt folgt dann zwangsläufig etwas Schwächeres. "A Great Day for Freedom“ erinnert mit seinem dunklen Dröhnen, dem epischen Gesang zu Beginn erst einmal sogar ein wenig an The Wall, der Refrain gleitet dann jedoch leider in sehr kitschige Bereiche ab. Ein sehr zwiespältiges Stück. Nicht wirklich schlecht, aber für mich einfach über die Grenze des erträglichen Pomps hinaus. Natürlich rettet Gilmours Sologitarre am Ende wieder einiges, doch wäre hier etwas weniger mehr gewesen. Auch der Text versucht zu bemüht relevant zu sein, ist mit seiner Thematik aber drei bis vier Jahre hinter der Zeit. Und wieder rettet Rick Wright den Flow – denn es folgt sein erstes Gesangsstück seit 1973 auf einem Floyd-Album. Und was für eines. “Wearing the Inside Out“ ist unglaublich ergreifend. De sanfte Perkussion unterstützt die melancholischen Keyboardsounds perfekt, die singende Gitarre baut diese Atmosphäre noch aus, das Saxophon hingegen ist schon wieder fast zuviel. Dazu bring Wright mit seiner zerbrechlichen und zurückgenommenen Stimme den wohl ehrlichsten und persönlichsten Text aller Floyd-Stücke seit 1987. Und die "Shine on"-Referenzen sind natürlich Balsam auf jede Floyd-Fanseele. Nach diesem Stück sinkt das Niveau des Albums jedoch zunächst merklich. “Take it Back“ ist ein typisches 90er Jahre Stadionrockstück mit leichten Alternativerock-Anleihen, aber nichts, was das Signet Pink Floyd tragen sollte. “Coming back to live“ schlägt leider in die selbe Kerbe. Natürlich ebenfalls wie “Coming“ perfekt produziert und klanglich hervorragend, fehlt mir bei diesem Stück ebenfalls die Pink Floyd-Seele. Beide Stücke bieten wie gesagt durchaus gute Rock-/Pop-Musik, wären in meinen Ohren jedoch besser auf einem Gilmour-Soloalbum aufgehoben gewesen. “Coming“ bietet dabei noch sehr schöne Gitarren zu Beginn und sehr atmosphärische Keyboards, verfällt aber anschließend in diesen fürchterlichen Stadionrumpel-Rhythmus. Und mit jeweils über sechs Minuten sind beide deutlich zu lang. Die Rettung naht mit dem knackigen und doch schwebenden “Keep Talking“. Nach dem ätherischen Einstieg rockt die Band hier richtig, schwere elektronische Beats transportieren den Floyd-Sound hier auf die Höhe der Zeit und der Einfall mit den von Stephen Hawking gesprochenen Parts passt natürlich zu 100 %. Wie auf diesem Stück einfach alles nach Floyd klingt - der dunkle und schwere Rhythmus, die schwebenden Keyboards und natürlich die fantastischen Gitarren. Hätten sie mal lieber dieses Stück auf dem Album über zehn Minuten oder mehr erstreckt. Das hätte mit den treibenden Gitarren und den an Animals (!) erinnernden Keyboardsolos durchaus funktionieren können. “Lost for Words“ beinnt dann mit dunklen Keyboarddrones, eine Tür fällt ins Schloss und Schritte entfernen sich. An sich perfekter Pink Floyd-Sound. Das Stück entwickelt sich dann zu einer eher sanften Ballade mit akustischer Gitarre. Wieder so ein Stück, bei dem ich denke, dass es eher ein Gilmour-Solostück ist. Natürlich hält es stimmungsmäßig durch die Produktion den Floyd-Sound aufrecht und enthält viele Referenzen an ältere Alben, doch driftet es mir am Ende zu sehr in kitschigen Bombast ab. Dementsprechend ist es gut, dass David Gilmour kurz vor Fertigstellung des Albums noch die Idee zu “High Hopes“ hatte und somit “Lost for words“ dieses Album nicht beendet. Denn “High Hopes“ gilt zu Recht als eines der besten Pink Floyd-Stücke der Gilmour-Era. Eingeleitet von vielen Referenzen an die Vergangenheit (die Kirchturmglocken, die Fliege, die Erschlagen wird), entwickelt sich dann mit den monoton geschlagenen Division Bells ein bombastisches, dunkles Stück mit hymnischen Refrain und einem der besten Gilmour-Gitarrensolos überhaupt. Hier passt alles, der Mix zwischen akustischer Schönheit und Bombast, Stille und aufbrausender Lautstärke, Gilmours Gesang ist perfekt und zu keiner Zeit taucht nirgendwo Gilmour doch mitunter fehl leitender Hang zum Kitsch auf. Und somit beenden Pink Floyd ihre aktive Karriere mit einem durchaus grandiosen Finale. Was bleibt? Elf Stücke, von denen drei in meinen Ohren überflüssig sind, fünf durchaus gute Pink Floyd-Qualität im Sound der 90er liefern und drei Stücke, die für den Floyd-Katalog durchaus essentiell sind – also ein alles in allem unerwartet starkes Album. Natürlich kamen sie mit dem Album nicht an die Intensität von Amused to Death heran. Aber im Gegensatz zu Momentary legten Sie eine enorme Steigerung hin, klang das Album doch wieder homogen und nach dem Werk einer Band und nicht nach Stückwerk, welches vom Produzenten zum Album zusammengeschraubt wurde. Was das Album inzwischen ein wenig verlieren lässt, sind die Veröffentlichungen, die in den letzten Jahren herausgekommen sind. Hiermit meine ich natürlich The Endless River, aber vor allem die Jams die auf der Bonus-DVD zu The Endless River erschienen sind. Denn diese zeigen sehr deutlich auf, was für fantastisches Material die neu zusammengefundene Band seinerzeit einspielte. Ob die kurz vorhandene Idee, ein Doppelalbum mit einer Instrumental-CD zu veröffentlichen, kommerziell erfolgreich gewesen wäre, kann man sicher ebenso anzweifeln wie ein zusätzliches rein instrumentales Album. Mitte der 90er Jahre hätte es wohl mit dem Namen Pink Floyd durchaus seine Einheiten verkauft, aber sicher bei weiten nicht so viele wie das letztlich erschienene Werkt. Aber diese Jams zeigen auch auf, wie das eine oder andere nicht so starke Stück des Albums eventuell hätte klingen können. Und da haben sie am Ende dann wohl doch zu sehr auf Nummer sicher gesetzt. Es folgte die monumentalste und erfolgreichste Tour der Band mit fantastischen Shows und einer Band voller Spielfreude, die aber auch live auf Nummer sicher ging. Ausnahme war da sicherlich das erstmals seit Jahrzehnten wieder live aufgeführte Astronomy Domine als Hommage an Syd Barrett. Und sicherlich war es auch eine spannende Idee, auf vielen Konzerten das Dark side of the moon-Album komplett zu spielen. Das Ganze uferte schließlich in dem eben so aufwendigen Livealbum Pulse. Allerdings erfüllte die Band dann die mit Album und Tour geweckten Hoffnungen auf weitere Meisterwetke aus welchem Grund auch immer nicht. Also nochmals: was bleibt? Das beste der beiden „Original“-Alben der von Gilmour geführten Band und ein durchaus würdiges ebenfalls. Aber sicher nicht eines, das künstlerisch so wertvoll ist, wie es die Verkaufszahlen glauben lassen mögen. Bewertung: Musik: 7 Text(e): 6 Produktion, Klang: 9,5 Cover: 8,5 Gesamt: 15,125 Wolfgang Kabsch |
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