Musik an sich


Artikel
Melanca - Singer/Songwriter mit Wurzeln im Punk




Info
Gesprächspartner: Melanca

Zeit: 12.04.2011

Interview: E-Mail

Stil: Folk, Pop, Singer/Songwriter

Internet:
http://www.myspace.com/melanca
http://www.timezone-records.com

Die ostwestfälische Formation Melanca konnte mit ihrem Debüt Why Angels Lie auf sich aufmerksam machen. Die Mischung aus Pop, Folk und Rock im akustischen Gewand besitzt Tiefgang und auch die deutschen und englischen Texte haben etwas zu sagen. Gründe genug, die Band mit einem Interview näher vorzustellen.

Hallo Caro, da man Dich und „Melanca“ bisher kaum kennt wäre es zunächst einmal schön, wenn Ihr uns etwas über Euren Werdegang erzählen und Euch etwas näher vorstellen könntet.

Caro: Angefangen hat es 2008 als Duo: Ich habe mich mit einer Keyboarderin zusammengetan, weil ich aus meinen Songs mehr machen wollte, als nur allein zur Gitarre zu singen. Das lief auch gut - Akustikgitarre, Keyboard, zweistimmiger Gesang -, stieß aber musikalisch notgedrungen an Grenzen. Als dann die Keyboarderin nach einem Jahr ausstieg, war klar, dass ich eine Band draus machen würde.

Wie habt ihr zusammengefunden?

Caro: Unseren Schlagzeuger Morten Wienold kenne ich schon ganz lange, hatte aber vorher noch nie mit ihm Musik gemacht. Er hat schon in den unterschiedlichsten Projekten mitgewirkt und ist in diversen Genres zu Hause – Jazz, Punk, Chanson... Ich mag seinen sehr eigenwilligen Stil. Als er dann meine Stücke hörte, hatte er Lust mitzumachen.
Auch Ralf Wendler, unseren Bassisten, kenne ich von früher. Wir haben alle drei unsere frühen Wurzeln in der ostwestfälischen Punk-Szene der 80er Jahre. Das prägt einen. Auch wenn die Musik, die wir jetzt machen, von Punk weit entfernt ist, ein bisschen was von der Attitüde ist auch bei Melanca vorhanden. Dieses Wütende, Anklagende – Spuren davon sind vermutlich noch in unseren schönsten Songs...
Ralf: Für mich ist diese Band musikalisches Neuland. Ich habe mit Caro vor ein paar Jahren mal in einem ganz anderen Projekt zusammen gespielt. Das war Rock, sehr brachial, sehr düster. Sie war dort die Schlagzeugerin.

Caro, Du bist zwar die Songschreiberin, Sängerin und Gitarristin der Band, aber man hat doch den Eindruck, dass es sich um ein richtiges Gruppenalbum handelt. Wie wichtig sind Ralf und Morten für den Gruppenklang und die Arrangements?

Caro: Sehr wichtig. Sie prägen nicht nur den Sound, sondern geben den Stücken ihren Charakter. Die Substanz ist zwar von mir, ich kann alle Songs solo spielen, was ich auch gelegentlich live tue. Aber sie drücken ihnen ihren Stempel auf, machen mehr, als bloß den Rhythmus aufzugreifen.
Morten: Durch die sehr rhythmusorientierte Gitarre ist der Groove eigentlich schon da. Ich spiele daher eher sparsam, minimalistisch, finde es oft besser, Dinge wegzulassen und nur die wichtigen Akzente zu setzen. Dadurch kommt andererseits Fluss in komplexe Rhythmen. Manche unserer Stücke haben Taktwechsel, die aber nicht jeder bemerkt. So sind beim Titelsong unseres Albums Why Angels Lie die Strophen im 4/4-, der Refrain im 3/4-Takt. Der Flow läuft aber ohne Bruch durch. Oder „Fieber“, ein Refrain im 5/4-Takt, und der groovt! Da muss man mit Verschiebungen arbeiten.
Caro: Oft hört Morten in den Stücken aber auch Dinge, die vorher nicht da waren. „Feel and Believe“, mit einem bluesrockigen, eher schwerfälligen Feeling. Dazu spielte er dann diesen sehr prägnanten „Come-together“-Rhythmus, und alle haben sofort gesagt: das ist es. Ralf andererseits beschränkt sich nicht auf die im Singer/Songwriter-Bereich eher übliche Reduzierung auf die wesentlichen Akzente.
Ralf: Ich habe bei Melanca alle Freiheiten, weil ja kein eigentliches Melodieinstrument da ist. Das kommt meinem Stil sehr entgegen, ich spiele Bass sehr melodieorientiert, tüftele an Passagen lange herum, bis sie mir gefallen. Durch die Trio-Besetzung bleibt auch für Bass-Solos viel Raum. Und für Sounds: Hier kommt mein Rickenbacker richtig gut zur Geltung. Auf dem Album bin ich allerdings nur auf wenigen Stücken vertreten, weil ich erst während der Aufnahmen zu der Band gestoßen bin.

Nach welchen Kriterien habt ihr die Gastmusiker für das Album ausgewählt und wie ist euer Kontakt mit Produzent Gunnar Ennen (u.a. Gitarrist und Keyboarder bei Gisbert zu Knyphausen) zustande gekommen?

Caro: Der Kontakt zu Gunnar war eher zufällig. Ich wohne in derselben kleinen Stadt in der Nähe von Bielefeld und da kennt man sich. Die Idee zu dem Album entstand noch in der Duo-Zeit. Bei den ersten Aufnahmen war Melanie Linker noch dabei, und so kommt es, dass ihr Keyboard und ihr Gesang auf manchen Stücken drauf sind. Die Aufnahmen haben sich insgesamt über ein Dreivierteljahr hingezogen. Es gab immer wieder Pausen, weil Gunnar mit Gisbert unterwegs war. Außerdem kam die Bandformierung mitten rein. Morten ist schon auf allen Stücken vertreten, hat seine Spuren aber teilweise erst nach Gitarre und Bass eingespielt.
Morten: Eine weitere Gastsängerin ist auch zu hören, Andrea Hesse. Bei „Little Sister“ singt sie mit Caro im Duett. Sie hat ein paar wunderschöne Harmoniestimmen beigetragen. Live versuche ich diese Zweitstimmen jetzt zu übernehmen, eine Herausforderung...

Wie wichtig war Gunnar für den Gesamtsound?

Caro: Enorm wichtig. Er hat viel mehr getan, als nur zu produzieren, hat viele Songs auch mit arrangiert. Durch seine Soundvorstellungen hat das Album einen ganz eigenen Charakter bekommen. Wo er es nötig fand, hat er zusätzliche Instrumente eingespielt, diverse Tasteninstrumente, z.B. sein Wurlitzer, auch E-Gitarren oder eine Dobro. Aber immer nur so viel, dass der Grundsound erhalten blieb. Es sollte ein akustisch geprägtes Album sein, mit meiner Akustikgitarre als tragendem Element.

Wie entstehen die Songs? Gibt es erst die Musik und dann die Texte oder umgekehrt?

Caro: Die Musik ist fast immer zuerst da. Ich habe irgendwelche Ideen beim Rumdudeln auf der Gitarre, höre Melodien im Kopf... Dann singe ich zunächst mal unsinnige Textfetzen dazu, die gut klingen, der Gesang kriegt seinen Rhythmus. Wenn das steht und ich das immer wieder vor mich hinsinge, fallen mir die eigentlichen Texte dabei ein. Die sind also immer inspiriert von der Musik, ergeben sich fast zwangsläufig daraus. Das läuft viel über Brainstorming, den Gedanken freien Lauf lassen und eine Wortfolge aufgreifen, sobald was Gutes dabei ist. Dann kommt das nächste Puzzlestück und so weiter. Manchmal wundere ich mich selbst, auf was für einen Quatsch ich da komme.

Wie kam es zu der Idee, sowohl deutsche, als auch englische Texte zu verwenden?

Caro: An deutsche Texte habe ich mich lange nicht rangewagt, hatte Angst vor der geringen Distanz zwischen meinen Texten und mir als Person auf der Bühne. Wenn man auf Englisch singt, kommt das nicht so persönlich rüber. Aber dann habe ich es mit deutschen Texten probiert und gemerkt: es geht auch anders. Man muss als Singer/Songwriter ja nicht unbedingt Alltagsgeschichten über sich selbst erzählen oder peinliche Bekenntnisse von sich geben – wobei: Respekt vor allen, die das hinkriegen, ohne peinlich zu sein. Meine Texte sind abstrakter, sprechen in Bildern, aber es geht dann letztlich doch um das, was uns jeden Tag bewegt.

Habt Ihr irgendwelche Vorbilder und welche Bands und Musiker sind Eure wichtigsten Einflüsse?

Ralf: Weather Report, Led Zeppelin und die Herforder Punkband Aheads, mit denen ich unter dem späteren Namen „Roll on Roll off“ Musik gemacht habe.
Morten: Sicher habe ich Vorbilder, die möchte ich aber in meiner Musik eher nicht zum Vorschein kommen lassen. An aktuellen Bands und Musikern, die vergleichbare Musik wie wir machen, finde ich The Knife, Ani DiFranco oder auch Carla Bozulich gut. Also Sängerinnen und Komponistinnen, die ihr eigenes Ding machen und nicht so kommerzielles Heiopei-Zeug.
Caro: Ich habe als Kind viel Irish Folk gehört, weil das bei uns zu Hause immer lief. Mit Liedern von den Dubliners habe ich Gitarre spielen gelernt, diese Grooves und Melodieführungen haben sich in meinem Kopf festgesetzt. Da ist im Grunde alles drin, das Traurige, die Wehmut, aber auch Lebensfreude, feiern und tanzen, stampfende Rhythmen, einfach Puls.

Wie seid ihr auf den Bandnamen „Melanca“ gekommen und was soll er aussagen?

Caro: Das ist ein Wortspiel aus den Anfangsbuchstaben der Namen dreier Musikerinnen. Als es losging, war Andrea Hesse bei den ersten Proben auch noch dabei und so kam man auf MELanie, ANdrea, CAro: MELANCA. Dass da drin „Melancholie“ steckt, trifft sich ja gut, und so passt der Name heute noch.

Wie sind die bisherigen Reaktionen auf Why Angels Lie? Seid Ihr damit zufrieden?

Morten: Trotz oder vielleicht auch gerade wegen des Internets ist es heute schwer, in der unglaublichen Fülle von Bands überhaupt wahrgenommen zu werden. Wenn das aber passiert, sind die Reaktionen fast immer gut. So haben wir ja auch unseren Vertrieb gefunden. Das Album hatten wir selbst finanziert und auf Gunnar Ennens Eigenlabel herausgebracht. Dann hörten es die Leute von Timezone Records aus Osnabrück und boten uns an, es zu vertreiben.

Könnt Ihr von der Musik leben oder müsst Ihr neben der Musik noch einer ‚geregelten‘ Arbeit nachgehen?

Ralf: Oh je, das können wohl die wenigsten. Wir sind alle drei berufstätig und haben daher wiederum das Glück, nichts des Geldes wegen machen zu müssen. Die Zeit ist zwar knapp, aber daran scheitert eigentlich nichts. Wir spielen nur da, wo wir auch gern spielen wollen, und machen nichts mit, was der Karrieredruck manchen anderen Bands aufzudrängen scheint, Bandwettbewerbe zum Beispiel. Was für eine absurde Erfindung.

Habt Ihr noch etwas, das Ihr loswerden möchtet?

Caro: Unser Album.


Ingo Andruschkewitsch



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