Cochise
Rolltreppe Rückwärts
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Cochise? Ich muss zugeben, obwohl ich ein Kind der Achtziger bin, von dieser Band habe ich vorher noch nie gehört. Ich bin wohl zwei bis drei Jahre zu jung für die schon Ende der siebziger in Dortmund gegründete Folkrock Band mit extrem linken textlichen Bezügen. Sie waren weniger (eigentlich gar nicht) in den Radios oder Medien zu hören, sondern erreichten ihre Bekanntheit über Konzerte in der linken Szene, insbesondere auf den damals beginnenden Ostermärschen und natürlich diversen Demos. Laut Info haben sie ohne jegliche Werbung und ohne große Plattenfirma nur über diese Kanäle immerhin an die 120.000 Tonträger Zeit ihres Bestehens abgesetzt.
Nun veröffentlicht Sireena Records, die sich immer mehr als das Label für die liebevolle Erhaltung von seltenem, in Deutschland produzierten Liedgut etablieren, mit Rolltreppe Rückwärts eine 13 Songs starke Retrospektive über die Band. Es wurde auf seltenes Studio und Livematerial zurückgegriffen. Die Soundqualität ist zumeist gut, allerdings erstaunlicherweise zumeist dumpfer und weniger dynamisch als einige remasterte Wiederveröffentlichungen aus den sechziger und siebziger Jahren. Das liegt wahrscheinlich am Ursprungsmaterial, offensichtlich wurde alternative Musik in den achtzigern ebenfalls schlechter aufgenommen, ein ähnliches Phänomen hat man ja auch bei professionell aufgenommener Musik aus dieser Dekade.
Zur Musik: Cochise spielen zumeist einen soliden Bluesrock, vermischt mit den typischen deutschen Elementen der damaligen Zeit. Insbesondere aufgrund der Texte, die nicht alle vom Thema her gesehen total veraltet sind, aber von der Machart so tief in der Art der späten Siebziger und frühen Achtziger verwurzelt sind, das man unweigerlich häufig Schmunzeln muss. „Schnee zu Ostern“ klingt mit seiner Musik und den Chören im Refrain ebenso richtig nach der nächsten Demo gegen die Startbahn West wie „Nachricht“. „Im Laufe der Woche“ reiht innerhalb von knapp sieben Minuten das ganze Leid (und somit das, was man beklagt) der linksorientierten Jugendlichen dieser Zeit aneinander.
Bei dem Titel „Das Anarchistenschwein“ rechnet man eigentlich mit fast Punk ähnlicher Musik, wird aber einem Mix aus Volksmusik und Schlager überrascht, was sehr gut zum ironischen Text über die Suche des Otto Normal-Bürgers nach einem neuen Feindbild (eben dem Anarchistenschwein) handelt. Interessant wäre es wirklich zu wissen, wie die Herrschaften der Band das, was sie damals so von sich gegeben haben, wohl heute sehen.
In dem kurzen, aber recht informativen Linernotes wird davon allerdings leider nicht berichtet.
Optisch ist dieses Re-Release natürlich wieder in optimaler Qualität, wie nicht anders von Sireena gewöhnt. Ansonsten ist es sicherlich für die Fans von damals sehr interessant, für Musikliebhaber aus anderen Epochen eher weniger.
Aber definitiv schön, das auch diese wichtigen Erscheinungen eines heutzutage eigentlich völlig anders betrachtetem Jahrzehntes (unpolitisch, belanglos, uninteressiert) erhalten bleiben und eben genau das Gegenteil beweisen, nämlich das hier noch mutig seine Meinung gesagt wurde und nicht nur die 5 Minuten Berühmtsein im Format Castingshow gesucht wurden.
Wolfgang Kabsch
Trackliste |
1 | Schnee zu Ostern | 5:12 |
2 |
Im Laufe der Woche | 6:50 |
3 |
Nachricht | 3:49 |
4 |
Isumaya | 4:20 |
5 |
Lass mich nochmal ziehen | 2:16 |
6 |
Das Anarchistenschwein | 2:45 |
7 |
Du ganz allein | 1:38 |
8 |
Durch die Wüste | 4:43 |
9 |
Feuer | 4:37 |
10 |
Gestern hamse den Wald gefegt | 2:36 |
11 |
Rolltreppe Abwärts | 4:07 |
12 |
Letztn Somma warn wa schwimn | 2:33 |
13 |
Morgengraun | 3:59 |
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Besetzung |
Pit Budde: Gesang, Gitarre
Klara Brandi: Flöte; Gesang
Dorle Ferber: Geige; Gesang
Eckard Frweund: Bass
Andreas Held: Schlagzeug
Uwe Bruchhäuser: Gitarre, Keyboard
Tom Kühn: Schlagzeug
Günter Holzmann: Gitarre
Martin Buschmann: Keyboard, Saxophone
u.v.a.
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