Musik an sich


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Everon

North


Info
Musikrichtung: Neo-Prog

VÖ: 28.04.2008

(Mascot / Rough Trade)

Gesamtspielzeit: 51:30

Internet:

http://www.everon.de


Seit 15 Jahren veröffentlichen die Neo-Progger Everon regelmäßig ihre Scheiben. Nach einer längeren Pause von sechs Jahren erscheint nun ihr siebtes Album. Auch wenn sie von der Kritik in der Regel geliebt und gelobt wurden, ist es ihnen bislang nicht gelungen, nach ganz oben vorzustoßen.

Das scheint auf’s Gemüt zu schlagen. Denn die von Oliver Philipps verfassten Texte klingen genauso fröhlich, wie das Cover aussieht – verlassen auf einsamer See kämpft sich im traurigen Sepia ein Ruderer durch’s Meer. Ein Blick ins sehr ästhetisch aufgemachte Booklet des Digi-Packs trübt die Atmosphäre fast noch mehr. Dort ist das leckgeschlagene Schiff im Eis zu sehen, von dem dem Ruderer offenbar die Flucht geglückt ist.

Die Texte lesen sich als Illustration des Covers. Werden im Opener „Hands“ immerhin noch die Möglichkeiten des Menschen zum Guten und zum Bösen zu handeln beschworen, klingt die Frage nach Gott, die in „Brief Encounter“ gestellt wird, schon ziemlich hoffnungslos. Im Weiteren geht es vor allem um Einsamkeit, um verpasste Gelegenheiten, die schwindenden Möglichkeiten im fortgeschritten Leben und vergebliche Versuche glückliche Momente der Kindheit und Jugend neu zu beleben. „Running“ schließt mit der Beschreibung des Lebens als „Rat Race“, einer endlos stressenden Mühle voller Anforderungen, Termine und Überforderungen.

Was sich so deprimierend liest und anschaut, klingt völlig anders. Dass der gleiche Mann, der diese Texte schreib, eine derart kraftvolle, und dabei völlig unwütende Musik verfasst, die von schönen Momenten nur so strotzt, ist kaum nachvollziehbar.
North ist kein Album, das mit spektakulären Spielereien zu gewinnen sucht, sondern eine Sammlung komplexer Prog-Edelsteine, die zu gewinnen wissen, ohne sich ständig mit Maulaffen-Soli oder Hooklines anzubiedern. Nur vereinzelt, wie z.B. beim dramatischen „Test of Time“, heben sich die Refrains deutlich von den Strophen ab.
Da Oliver Philipps' kraftvolle charismatische Stimme die Kompositionen prägt, ist es kein Zufall, dass die beiden Stücke, auf denen er schweigt, auffallen. Bei dem ruhigen „Islanders“ löst ihn Judith Stüber ab, die stellenweise ein wenig wie Kate Bush klingt. Inhaltlich ändert sich dadurch gar nichts. Auch hier geht es vor allem um die fast erschöpften Möglichkeiten eines nicht mehr ganz jungen Lebens.
Anders ist das bei „Woodworks“. Das einzige Instrumental des Albums ist zugleich die lebendigste Nummer. Hier klingt Philipps am Piano immer wieder wie ein junger Billy Joel zu Zeiten von „Piano Man“ und „Entertainer“. Sollte es doch noch Hoffnung geben? Wir werden Philipps demnächst danach fragen.



Norbert von Fransecky



Trackliste
1Hands 5:12
2 Brief Encounter 6:52
3 From where I stand 5:56
4 Test of Time 5:02
5 North 5:04
6 South of London 4:05
7 Wasn't it good 6:35
8 Woodworks 3:25
9 Islanders 4:19
10 Running 5:01
Besetzung

Oliver Philipps (Voc, Keys, Git, Produktion)
Christian Moos (Dr, Perc, Produktion)
Ulli Hoever (Git)
Schymy (B)

Gäste:
Judith Stüber (Voc <9>)
Rupert Gillet (Cello <3,4,7>)

Mastering: Eroc


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