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NAZARETH rocken Nürnberg




Info
Künstler: Nazareth

Zeit: 08.04.2008

Ort: Nürnberg - Hirsch

Internet:
http://www.nazarethdirect.co.uk

Manche Bands, die zur Zeit touren, langweilen nur oder schocken das Publikum, weil sie die Leistung von früher nicht mehr bringen und deshalb mehr enttäuschte Fans zurücklassen, als begeisterte. Siehe Meat Loaf, der ja hoffentlich nie wieder eine Bühne in Deutschland oder irgendwo sonst betritt. Bei der schottischen Band Nazareth trifft obige Behauptung wirklich nicht zu. Nach einigen besuchten Live-Konzerten kann ich sagen: Ein schlechtes Nazareth-Konzert gibt es definitiv nicht.

Im Hirsch angekommen war schon mächtig viel los, Nazareth haben eine sehr treue Fangemeinde, die sich über die ganzen Jahre wacker gehalten hat. Erstaunlicher ist dies noch wenn man bedenkt, dass Nazareth wirklich jedes Jahr fast auch noch um die gleiche Jahreszeit im Hirsch auftauchen und trotzdem ist fast immer rappelvoll. Das Publikum ist vom Durchschnittsalter her eher Mitte 40, es haben sich jedoch auch einige Jüngere in den Hirsch gewagt.

Die Vorband Sinwell aus Nürnberg spielt einen soliden Hardrock mit einer durchaus eigenen Note. Das Publikum gibt artig Applaus, mehr jedoch leider nicht. Dies liegt wohl daran, dass der Stil der wackeren Jungs mit dem von Nazareth nicht allzu viel gemeinsam hat.

Nach einer kurzen Umbaupause kommt das altbekannte schottische Dudelsackintro, dass mir wieder einmal die Nackenhaare zu Berge stehen lässt. Dann geht alles sehr schnell. Die Band legt mit dem wuchtigen Gitarrenriff von "Beggar’s Day" los und sofort geht es mächtig zur Sache. Ungläubig starre ich vor zur Bühne, als der legendäre und mittlerweile schon über sechzig Jahre alte "Jungspund" Dan Mc Cafferty zu singen beginnt. Mittlerweile bekommt er immer mehr Ähnlichkeit mit Bilbo Beutlin, dem Onkel von Frodo aus der "Herr der Ringe"-Verfilmung. Für mich ist der Typ einer der lässigsten, coolsten und besten Sänger der Bands aus dieser Ära. Was der stimmlich noch drauf hat, ist einfach unglaublich. Der Song ist sowieso nicht leicht zu singen, und mit dem geht's dann auch noch los! Und wenn man die Gesangsleistung beurteilt, wäre alles andere als eine Eins ein Witz. Offenbar scheint es ihm keinerlei Mühe zu bereiten, so brachial zu singen. Als zweiter Song kommt ein Song vom neuen Album, das Dan immer sehr stolz ankündigt und die Nürnberger den Titel des Albums brüllen lässt. The Newz heißt die Platte und der erste Song, ich glaube es war „Road Trip“, der präsentiert wird, hört sich wirklich klasse an und naht sich mühelos zwischen Nazareths ellenlangen Klassikerfundus.

Der nächste Song ist ebenfalls geil und legendär, nämlich „Razamanaz“. Hier zeigt der immer mehr zum Rock ´n Roll-Urvieh mutierende Jimmy Murrison, dass er ein ausgezeichneter Gitarrist ist und das Posen wirklich cool beherrscht. Beim nächsten neuen Song „A Day At The Beach“ bekommt die Band vom Publikum ebenfalls viel Applaus. Mit dem nächsten Klassiker lassen sie die alten Hippiezeiten zu „Peace, Love and Dope“ wieder hochleben. „My White Bycicle“ ist ein unverwüstlicher Hit, der mit jedem Jahr besser wird. Für mich immer eins der Highlights eines Nazareth-Konzerts.

Mit dem unglaublich coolen und hintersinnigen, wenn auch etwas unbekannteren „Big Boy“ zeigen Nazareth einmal mehr, welche Haudegen sie früher waren und wohl immer noch sind. „The Gathering“, ebenfalls ein neuer Song, kommt auch sehr gut beim Publikum an. Am besten gefällt mir jedoch die Ballade „Enough Love“, bei der auch am meisten Publikumsreaktionen kommen. „Holiday“, bei dem Dan Mc Cafferty wieder die Texte ausgiebig mitlebt, seine Grimassen schneidet und das Publikum wirklich sehr gut im Griff hat, lässt den Stimmungspegel immer schön auf hohem Niveau. Das legendäre und unsterbliche „Love Hurts“, bei dem das Publikum begeistert mitsingt, darf natürlich bei keinem Nazareth-Gig fehlen und klingt nicht ein einziges Mal langweilig oder etwa peinlich. Nun darf Jimmy Murrison beweisen, dass er auch die Slide-Gitarre beherrscht und legt ein hammergeiles „Whiskey Drinkin’ Woman“ hin, dass einem Hören und Sehen vergeht. Jeder Song wird von dem überaus präzisen Rhythmusteppich den der zur Ur-Besetzung gehörende Bassist Pete Agnew und sein Sohn Lee, der sehr wuchtig in die Felle drischt, untermalt. „This Flight Tonight“ beweist einmal mehr, dass gewisse Songs einfach kein Ablaufdatum haben und wirklich große Songs nicht unbedingt wahnsinnig kompliziert oder aufwändig sein müssen. Ich glaube, dass gerade diese Schnörkellosigkeit etwas ist, das Nazareth so einzigartig macht. „Hair Of The Dog“ mit Dudelsackeinlage und ein äußerst druckvolles „Expect No Mercy“ beenden leider schon das regulären Set. Tja, die Zeit vergeht viel zu schnell, weil man die Songs einfach kennt und so keine Langeweile entsteht.

Als Zugabe wird noch einmal ein bisschen in der Balladenkiste gestöbert und das unsterbliche „Dream On“ präsentiert. Ganz große Klasse, vor allem der Gesang. Nun kommt ein Song vom ersten Album, „Morning Dew“. Diese Hymne, die ruhig ein bisschen drogenvernebelt daher kommen darf, wird vom Publikum geliebt und von der Band förmlich zelebriert. Der Song hat ein gewisses Flair und ist genau der richtige Song am Schluss eines Konzertes. Hier gibt Dan Mc Cafferty noch mal alles, schreit und brüllt nach allen Regeln der Kunst und hat nach all den Jahren live auf der Bühne sogar noch den Humor, immer wieder zwischendurch mit einem unglaublich breiten Grinsen im Gesicht statt „Morning Dew“ das deutsche „Morgentau“ zu singen.

Nach eineinhalb Stunden ist dann leider auch schon wieder Schluss, doch das passt. Wenn man bedenkt, wie viele Konzerte Nazareth auf dieser Tour wieder einmal spielen und wie alt die Hauptakteure denn schon sind, ist diese Zeit total gerechtfertigt. Völlig begeistert vom Konzert verlassen wir den Hirsch und ich weiß jetzt schon, dass ich im nächsten Jahr wieder dabei sein werde. Auch empfehlenswert: Das neue Album The Newz. Wenn die vier Songs, die live gespielt wurden repräsentativ für die ganze Scheibe sind, kann man hier wirklich absolut nix falsch machen.


Stefan Graßl



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