Schreiende Gitarrenfeedbacks & trashige Indie-Rock-Riffs - Neues von BLEAK
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Gesprächspartner: Bastian Stein (BLEAK)
Zeit: 28.04.2005
Interview: E-Mail
Stil: Indie-Rock
Internet: http://www.bleakmusic.de/
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Viel Neues gibt es von der Dortmunder Indierock-Band BLEAK zu vermelden. Seit Anfang des Jahres hat die Band mit Adam Petrenko einen neuen Mann am Viersaiter in ihren Reihen und auf der Band-Homepage finden sich neue Songs zum kostenlosen Download, die einen ersten Ausblick auf den für 2005 geplanten Full-Length-Nachfolger ihrer Debüt-EP Broken ermöglichen. Außerdem haben BLEAK kürzlich ihren ersten Unplugged-Gig gespielt. Mehr als genug Gründe also, BLEAK -Sänger und -Gitarrist Bastian Stein einmal genauer zu diesen und anderen Themen zu befragen.
MAS: Seit wann gibt es BLEAK?
Bastian Stein: Seit Ende 2000. Da haben ich und Martin (Drummer) unsere ersten Proben gehabt. Unser ersten Auftritte waren dann Frühjahr 2001. Die Jahre davor waren gezeichnet von missglückten Versuchen, eine eigene Band zu starten, es fehlte immer an motivierten Leuten. Dann hab ich zeitweise bei der Unnaer Hardcore-Band Sidetracked Bass gespielt. Außerdem war ich noch Drummer der selbsternannten schlechtesten Band der Welt, welche auf den fulminösen Namen "Tripper" hörte und fast ausschließlich Coversongs der SF-Punkband "Flipper" nachspielte, eine ohnehin schon extrem abgefuckten Band, der wir gebührend nachahmten!
MAS: Was hat dich damals bewogen, eine Band zu gründen?
Bastian Stein: Das selbe, was mich nach wie vor dazu bewegt, in einer Band zu spielen: Die herausragende Wichtigkeit von Musik in meinem Leben und der Wunsch, mich selbst künstlerisch zu betätigen. Das Musikmachen ist aber auch eine Möglichkeit, Frust abzulassen, seiner Wut auf die Gesellschaft Ausdruck zu verleihen. Und die Möglichkeit, sich über Punk/Indie-Rock von der angepassten Gesellschaft zu distanzieren, wobei das natürlich schwerer geworden ist seitdem Punk zur Mode verkommen und weitgehend Mainstream geworden ist, nicht mehr eine wirkliche Gegenkultur wiederspiegelt.
MAS: Auf eurer erste EP Broken kombiniert ihr geschickt 80’s Punkrock mit frühen Grunge-Sounds. Die überarbeitete Version von “Mud“ klingt eher nach noiselastigem Indie-Rock und erinnert ein wenig an Dinosaur Jr. und Sonic Youth. Was darf der Hörer musikalisch von eurem momentan in Arbeit befindlichen Album erwarten?
Bastian Stein: Eher Sachen im Indie-Stil. Unsere alten Sachen waren entschieden härter und aggressiver, unsere neuen Sachen sind eher noisig, melodisch und hypnotisch, oder gehen zumindest in diese Richtung. Wir waren immer stark von der Idee des Punks beeinflusst und ich habe unsere frühe Musik auch als Punk aufgefasst, obwohl wir musikalisch nie ganz in diese Kategorie gepasst haben. Ich hab nur Punk nie als eine bestimmte Musikrichtung aufgefasst sondern als ein Lebensgefühl und eine Denkweise, halt sich links von der Mitte der Gesellschaft zu positionieren, dem Spießertum und der Angepasstheit den Kampf ansagen, nicht nach materiellem Wohlstand oder Ruhm streben, drauf zu scheißen was die Normalos oder sonst wer von einem denkt. Irgendwie war ich aber früher doch in dem Gedanken gefangen, dass Punk laut und aggressiv sein müsste, und man nur so seine Wut und Gefühle generell ablassen könne, was den früheren, härteren Sound von BLEAK erklärt. Trotzdem gab es immer auch schon indiemäßigere Songs bei uns, und wie man an “Mud“ sieht kommt es bei manchen Songs sogar nur darauf an, wie schnell oder langsam man sie spielt, und schon klingen sie wie zwei verschiedene Musikstile. Hehe.
MAS: Wie gehen die Arbeiten am Album voran? In welchem Produktionsstadium befindet es sich derzeit?
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Bassist Adam Petrenko, im Hintergrund ist Drummer Martin Seysen zu sehen |
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Bastian Stein: Wir hatten Anfang des Jahres begonnen, Songs für das Album in Eigenregie aufzunehmen, und es fing auch sehr vielversprechend an, nur leider gab es dann enorme Probleme mit dem Aufnahmeequipment. Meine Bandmaschine, die ich mir recht günstig gebraucht gekauft hatte, ging vor die Hunde, und eine Reparatur wäre leider zu teuer gewesen, so dass wir uns dann dazu entschlossen haben, doch lieber in ein Studio zu gehen, und uns den ganzen Ärger mit weiteren technischen Problemen zu ersparen. Es war ziemlich frustrierend, als das Gerät kaputtging, weil wir schon 5-6 Songs komplett fertig aufgenommen hatten, und selbst diese durch das Versagen jetzt mehr oder weniger verloren sind. “Mud“ und “Someday“ auf unserer Homepage sind von dieser Session, die anderen Lieder sind alle wegen eines Kalibrierungsfehlers frequenztechnisch im Arsch und klingen zu schief, um sie auch nur als Demos zu verwenden. Zurück zur eigentlichen Frage: Wir werden im Sommer ins Studio gehen und die ersten Songs aufnehmen. Wie lange es dann noch dauert bis wir das ganze Album drinnen haben kann ich jetzt nicht sagen, aber wir werden auf jeden Fall schon vorher auf irgendeine Art und Weise etwas veröffentlichen, entweder in Form von mp3s auf unserer Homepage oder als eine Vorab-Single. Immerhin ist es jetzt fast 3 Jahre her seit unserem letzten richtigen Release, und wir brennen darauf, endlich wieder etwas herauszubringen.
MAS: Wie läuft bei euch das Songwriting ab? Schreibt ihr zuerst die Musik oder die Text?
Bastian Stein: Am Anfang steht immer die Musik, Text folgt später. Wobei das nicht heißen soll, dass die Texte weniger wichtig wären, es ist eher so, dass ich an den Texten sehr viel länger sitze als am musikalischen Part, und sie zumindest 2-3 mal komplett überwerfe und neuschreibe, bevor sie fertig sind. Meist entstehen Songs einfach durch etwas Rumklimpern, ein zufällig gefundenes Gitarrenriff oder durch Jams. Eine weitere Inspiration sind natürliche auch andere Bands. Ich höre oft Lieder, bei denen ich mir wünsche, ich hätte sie geschrieben, und versuche dann quasi, meine Version dieses Liedes oder dieses Musikstils zu schreiben. Bei manchen Songs bau ich dann zum Dank an den inspirierenden Künstler einen Hinweis in den Text oder Titel des Songs ein, z.B. bei unserem älteren Song "Queen Buzzo", der eine Ode an die Melvins ist.
MAS: Auffällig sind die starken Lyrics eurer bisherigen Songs. Was inspiriert euch beim Songwriting?
Bastian Stein: Viele verschiedene Dinge. Manche Songs versuchen einfach nur, eine bestimmte Stimmung wiederzugeben, oder sind eine Anreihung mehr oder weniger zusammenpassender Zeilen, andere Songs sind direkt von Filmen, Büchern oder Ereignissen beeinflusst. Oder von Liedern anderer Musiker. Einer meiner neusten Songs, "Leaving Dogville", ist sogar als Antwort auf ein Lied eines anderen Musikers entstanden. Ich war genervt von R.E.M.`s letzten Hit, "Leaving New York, never easy, blah, blah, blah". Wie Michael Stipe darin rumheult, wie schwer es für ihn ist, wenn er New York verlässt, und ich war noch nichtmal da! Stattdessen hab ich den Großteil meines Lebens in einem stinkenden Loch von einer Kleinstadt festgesessen, und ich heul auch nicht. Hmm, das klingt jetzt so als würde ich R.E.M. hassen, dabei mag ich viele ältere Lieder. Der Titel und Text von "Leaving Dogville" ist außerdem noch eine Anlehnung an den Film "Dogville" von Lars von Trier. Wir haben einen Song namens "Winona", der von dem sarkastischen 80er Jahre Highschool-Film "Lethal Attraction" (Originaltitel: "Heathers") inspiriert ist und musikalisch wie eine Ramones-Ballade klingt. "Shadow in the Spotlight" ist ein relativ neuer Song, der inspiriert ist von David Bowies "Ziggy Stardust", insbesondere der Textzeile "he played it left-hand, but made it too far", und damit von gescheiterten/gestorbenen Rockstars im allgemeinen. Der Text von "Shadow in the Spotlight" behandelt den Gegensatz, dass jemand Berühmtes quasi von jedem gekannt wird, aber niemand ihn wirklich kennt und seine wahre Persönlichkeit sieht. Quasi so, wie Einsam in einer Menschenmenge zu sein, nur auf einer anderen Ebene. Und überhaupt die Bedeutungslosigkeit von Ruhm, Erfolg, Reichtum, etc. Ich muss aber auch sagen, dass viele Texte von mir stark von den Reim-Gegebenheiten der Worte abhängen und so erst im Laufe des Aufschreibens einen zusammenhängenden Sinn (oder auch nicht) bekommen. Ich hab nie gleich von Anfang an die komplette Idee eines Songs zusammen und muss ihn nur noch aufschreiben. Es ist eher so, dass ich viele möglicherweise für den Text brauchbare Zeilen schreibe, und diese dann hinterher zusammenwürfele, umschreibe, kürze, verlängere oder sonst was in der Art damit mache.
MAS: Welche Themen wollt ihr zukünftig in euren Songs ansprechen?
Bastian Stein: Das läßt sich schwer vorraussagen, Kreativität ist bei mir eher spontan. Ich möchte aber unbedingt demnächst mal einen Song zu einem Philip K. Dick Buch schreiben. Ansonsten gibt es sicherlich noch genug gute Filme, Bücher, Musikstücke, aktuelle und geschichtliche Ereignisse, sowie persönliche Erfahrungen, um ein paar Alben textlich zu vervollständigen!
MAS: Gibt es schon einen Namen für euer Album?
Bastian Stein: Wir haben schon einen Arbeitstitel, der eventuell auch der entgültige Albumname wird, aber den möchte ich jetzt noch nicht verraten.
MAS: Kannst du schon sagen, ab wann euer Album voraussichtlich verfügbar sein wird?
Bastian Stein: Ich möchte eigentlich keine Vorraussagen mehr dazu machen bis ein wirklicher Termin feststeht.
MAS: Bislang waren eure Live-Auftritte für ihre Intensität, Energie und wahre Lärmorgien bekannt, jetzt habt ihr erstmals ein vollakustisches Konzert gegeben. Welche Idee steckt dahinter und wie kam das Konzert bei den Zuschauern an?
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Sänger und Gitarrist Bastian Stein |
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Bastian Stein: Eigentlich kam es durch Kevin dazu, einem guten Freund der Band und Author, mit dem wir schon zusammen Auftritte hatten. Kevin fragte uns, ob wir mit ihm zusammen im Jambaleia spielen wollen, eine kleine, sympathische Kneipe in Köln. Weil`s dort wegen der Lautstärke nicht möglich war, ein reguläres Konzert zu spielen schlug Kevin uns ein Akustikset vor, zu was wir dann ganz spontan zusagten. Akustikkonzerte sind von der ganzen Atmosphäre sehr verschieden von den krachigen Konzerten, die wir sonst spielen. Man fühlt sich fast nackt wenn man nur mit einer Akustikgitarre und seinem Gesang auftritt. Es gibt keine Möglichkeit, sich hinter Feedbacklärm und verzehrten Gitarren zu verstecken, es besteht eine viel größere Nähe zum Publikum. Beim Konzert jetzt in Köln haben wir sogar ganz ohne Gesangsanlage, also vollkommen unverstärkt gespielt. Akustikversionen reduzieren die Lieder auch auf das wesentliche, die Melodie und den Gesang, was ebenfalls das bereits angesprochene Gefühl der Direktheit unterstreicht.
MAS: Plant ihr für die Zukunft weitere Akustik-Gigs?
Bastian Stein: Ich denke schon, daß wir noch öfters unplugged auftreten werden.
MAS: Seit Anfang des Jahres habt ihr mit Adam Petrenko einen neuen Bassisten. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Bastian Stein: Bestens! Wir haben wohl endlich unseren Mann gefunden, nachdem wir in den letzten Jahren schon über ein Dutzend Bassisten "verbraucht" hatten. Seitdem Adam dabei ist proben wir öfter und intensiver als zuvor, und er trägt auch musikalisch viel zu BLEAK bei. Nicht nur was Bass- und Gitarrenparts angeht, er ist auch der erste Bassist, den wir haben, der ein eigenes Lied einbringt und Gesangsparts übernimmt.
MAS: Wird man euch in Zukunft wieder häufiger live zu sehen bekommen?
Bastian Stein: Auf jeden Fall. Nach dem Weggang von Marian, unserem letzten Bassisten, hatten wir eine etwa halbjährige Zwangspause. Seit Adam dabei ist hatten wir jetzt 4 Konzerte und einige weitere stehen bereits fest.
Jochen Nelson
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