|
|
The Seer in Augsburg
|
Es war ein nicht gerade sonniger Frühlingstag im nordschwäbischen Asbach-Bäumenheim, und der örtliche Carnevals-Club hatte zum Konzert von The Seer (das Beste, was Augsburg neben der Puppenkiste zu bieten hat) geladen. Nachdem die Band gerade einen längeren Studioaufenthalt hinter sich gebracht hat, freuten sich nicht nur die zahlreich angereisten Fans auf den mit Spannung erwarteten Auftritt seit der längeren kreativen Auszeit des Fünfers.
Aber vor die Hauptattraktion hat der Veranstalter bekanntlich die Vorband gesetzt. Dies waren am heutigen Abend Com ´n Rail aus der württembergischen Universitätsstadt Tübingen. Die Band um die stimmgewaltige Frontfrau Ela klang wahlweise wie eine moderne Variante von Pat Benator oder einer Rock-Version von Shania Twain. Der Mann hinter dem Mischpult zauberte einen hervorragenden Sound in die Halle und mit Partyrockern wie “Out of my universe“ oder “Hey Mister“ sollte eigentlich gute Stimmung garantiert sein. Doch zum einen kannte die Gruppe sicher fast niemand und zum anderen hatte die Band die Rechnung ohne das zurückhaltende einheimische Publikum gemacht. Doch Com ´n Rail ließen sich davon nicht beeindrucken und spielten sich selbstbewusst und voller Spaß durch ihr Set. Hier kam auch die Liveerfahrung der Bandmitglieder, die sie schon in einigen anderen Bands und kürzlich im Vorprogramm der letzten Konzertreise von Chris Norman gesammelt haben, zum Tragen. Mit zunehmender Spielzeit ließ sich auch das Publikum vor der Bühne von den Songs überzeugen und besonders der flott interpretierte Cheap-Trick-Klassiker “I want you to want me“ bekam viel Applaus spendiert. Alles in allem fährt man mit dieser Bahn gerne ein paar Stationen mit, auch wenn es nur bis zum nächstgelegenen Bierstand ist.
Kurz vor elf war es dann soweit: The Seer starteten nach kurzem Intro voller Elan durch und bereits mit dem folgendem unverwüstlichen Liveklassiker “I need the energy“ wurde jede Menge positive Energie im Publikum freigesetzt. Wurden die Augsburger bereits zu Anfang lauthals vom Publikum begrüßt, ließ sich selbiges bei der Aufforderung zu einem ersten Mitsingspielchen hier nicht lange bitten. Überhaupt war der Stimmungspegel vor wie auf der Bühne während der ganzen zwei Stunden enorm hoch. Kein Wunder, spielte die Band doch sämtliche Highlights ihrer gesamten Alben (lediglich der letzte Studiodreher “Rise“ stand etwas außen vor); von den flotten Folk-Rockern bis zu ihren besinnlichen Balladen. Aber neben Standards wie “Own world“, “Meditating on madness“ (live jedes Mal mächtig!) oder dem Radio-Hit “Please“ bekamen wir auch ein paar Überraschungen zu hören: So kam der Titel “Lullaby“ (vom Raritätenalbum “Retrospective“) nach einer Fanabstimmung auch einmal zu Bühnenehren. Besonders angetan hat es mir eine Akustikversion von “Stranded“, welche derart emotional von Frontmann Shook (v./g.) interpretiert, aus der sonst eher unscheinbaren Nummer ein echtes Highlight machte. Auch sehr gelungen war die Darbietung des Bruce Cockburn-Klassikers “Lovers in dangerous time“. Unter besonders aufmerksam zuhörenden Ohren standen besonders die Nummern des am 30. Mai erscheinenden Albums “The arrival“ im Mittelpunkt, welche heute ihre Live-Premiere feierten. Hier gab es endlich auch mal wieder die Fiddle oder ein Akkordeon zu hören und insgesamt steht die Band damit stilistisch wieder mehr bei ihren Idolen wie Big Country (nach deren dritten Album The Seer sich benannten) als bei den Britpoppern von Travis. Das schien auch den Bäumenheimern mehr als zu gefallen. Fazit hiervon: Uraufführung gelungen, auf diese Ankunft darf man sich freuen! Nach weiteren All-time-faves wie “Take a walk with me“ und “Ferryman“ (obligatorisch mit Geiger Jo Corda als geisterhaften Fährmann) war beim Reißer “Emeralda´s story“ wieder Kollektivausrasten angesagt, woraufhin sich die Band eine kurze Pause gönnte, das Publikum sie aber wieder lauthals mit dem letzten Refrain (“Heyho, please pray for all our souls …“) auf die Bühne zurück sang. Nach ein paar Zugaben durfte zum Folk-Instrumental “Travel on“ noch einmal kräftig das Tanzbein geschwungen werden, bevor mit der Ballade “The world cries love“ dieser tolle Konzertabend (welcher für mich im noch jungen 2005 bereits jetzt zu den Jahreshighlights zählt) schön beschaulich ausklang.
Als Schlussresümee kann man feststellen, dass The Seer noch immer zu den besten Live-Bands Deutschlands gehören, bei der wirklich alles passt. Sei es die angenehme Stimme des kommunikativen Frontmanns Jürgen „Shook“ Seipt (v./g.), das stets effektvolle Tastenspiel seines Bruders Peter, die Mandolinen- und Violineneinlagen von Stimmungsmacher Jo Corda oder das perfekte rhythmische Zusammenspiel von Bassist Jürgen Möller und Schlagzeuger Michael Nigg (letzterer ist auch auf dem 98er Simple Minds-Album “Neápolis“ zu hören). Sollte jemand diese Band gerne kennen lernen wollen, hat er sicher auf der anstehenden Deutschland-Tour die Gelegenheit. Wer dazu keine Lust oder Zeit hat, kann auch gerne zum Live-Album “Organic“ greifen.
In diesem Sinne: I wish you well!
Verwendung der Bilder mit freundlicher Genehmigung der offiziellen Seer-Fanseite TRAVEL ON (www.theseerfans.de)
Mario Karl
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|