Telemann, G. Ph. / Traditional (Lazarevitch)
Beauté Barbare
RÜCKFÜHRUNG
War Georg Philipp Telemann (1681-1767) seiner Zeit also doch weit voraus und eine Art barocker Bartok? Fast könnte man es meinen, wenn man dieses Album hört, das dann auch mit einem Telemann-Zitat im Titel spielt, nämlich einer Briefstelle, in der er von der "barbarischen Schönheit" der polnischen und hanakischen (Region in Mähren) Musik spricht. Und in der Tat ist Telemann damals selbst vor Ort gewesen, hat sich auf Dorfplätzen und in den Schenken von den Weisen der Dudelsackspieler und Geiger inspirieren lassen, die ein oder andere Melodie in einer Art Skizzenheft festgehalten. Doch ging es ihm keineswegs darum, das Volkstümlich zu retten und zu überliefern. Sein Ansatz war es vielmehr, dies in seine Kunstmusik zu integrieren und dieser eine gewisse exotische Würze zu verleihen.
Flötist und Ensembleleiter François Lazarevitch schickt sich nun an, diesen Telemann-Sound zu seinen Wurzeln zurückzuführen oder vielmehr, ihn mit der Quelle zu vereinen: So findet sich hier ein nur auf den ersten Blick skurril anmutendes Neben- und Miteinander volkstümlicher Lieder bzw. Tanzmelodien aus dem osteuropäischen Raum und telemann´scher Werke, überwiegend frei kompiliert aus neu zusammengefügten Sätzen aus Orchestersuiten und Kammermusik, in denen der Meister mit ebensolchen folkloristischen Einsprengseln spielt. Doch auch dort, wo ein ganze Telemann-Concerto geboten wird, ist es nicht leicht, den Barocksound auf Anhieb wiederzuerkennen, was natürlich u.a. daran liegt, dass die Musik für das kleine Ensemble (Flöte, zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass, Erzlaute) umarrangiert wurde und Lazarevitch hier wie dort mit Klängen von Cimbalom und Schlaginstrumenten (Zarb, Baraban etc.) pfiffig abschmeckt. So führt er die Klangwelten von Kunst- und Unterhaltungsmusik zusammen, verwischt die Erkennbarkeit von Ausgangsmaterial, Bearbeitung und Arrangement, von Inspirationsquelle und inspirierter Musik.
Es entwickelt sich ein reizvolles Vexierspiel um Original und Fälschung, das aber nicht intellektuell bleibt, sondern seinen eigenen musikalischen Sog entfaltet. Puristen mögen sich an der Freiheit der "Neuschöpfung" (Lazarevitch) stören, die man sich hier herausnimmt, aber das Resultat gibt den Ausführenden Recht: Einiges hat fast mystische Größe, anderes filmmusikalische Qualität. Alles aber besitzt rhythmischen Witz und instrumentale Finesse. Die CD schlägt die Brücke von Ost nach West ebenso wie über die Jahrhunderte hinweg. Mal krachend, mal elegisch, mal aufgekratzt, mal tiefsinnig. - Barbarisch gut.
Sven Kerkhoff
Trackliste |
01. Pozic mamo roz 2:02
02. Światówka 2:03
03. Suite from Uhrovska's manuscript: [Untitled] - Hungaricus - Hajdukujymy - Hungaricus 4:47
04. Ouverture-Suite in B-Flat Major, TWV 55:B5: V. Les Moscovites 2:27
05. Ouverture-Suite in D Major, TWV 55:D17: II. Les Janissaires 1:04
06. Ouverture-Suite In B-Flat Major, TWV 55:B8: VIII. Mezzetin 1:28
07. Ouverture-Suite in E Major, TWV 55:E2: V. Rondeau Hanaquoise 1:47
08. Dyž sem šla z kostela 2:46
09. Flute Concerto in D Major, TWV 51:D2: I. Moderato 2:20
10. Flute Concerto in D Major, TWV 51:D2: II. Allegro 3:21
11. Flute Concerto in D Major, TWV 51:D2: III. Largo 3:18
12. Flute Concerto in D Major, TWV 51:D2: IV. Vivace 2:45
13. Nisko słonko 3:17
14. Trio No. 3 in B Minor, TWV 42:H2: VI. Allegro 0:55
15. Hora din caval 1:32
16. Concerto polonoise in D Major, TWV 51:D3: III. Adagio 0:46
17. Trio No. 3 in B Minor, TWV 42:H2: V. Presto 2:05
18. Takú sem já galánečku dostal 2:43
19. Dances suite from Uhrovska's manuscript: [Untitled] - Olacs - [Untitled] - [Untitled] - [Untitled] 3:41
20. The Rostock Manuscript, TWV 45: Hanac - Hanac 2:42
21. Ouverture-Suite in E Major, TWV 55:E1: X. Hanasky 2:01
22. The Rostock Manuscript, TWV 45: Vitement - Braul Oltenesc 3:24
23. Vešelo še dzivče 2:55
24. The Rostock Manuscript, TWV 45: Polonie - Polonie 1:59
25. Suite from Uhrovska's manuscript: [Untitled] - Hungaricus - Hungaricus - [Untitled] - Olas 4:27 |
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Besetzung |
Les Musiciens de Saint-Julien
François Lazarevitch
Hélène Richaud: Gesang und Violoncello
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