Strawinsky, I. (Faust, I. – Roth, F. X.)
Violinkonzert u. Kammermusik mit Violine
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Info |
Musikrichtung:
Klassische Moderne / Violine
VÖ: 03.03.2023
(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / CD / DDD / 2022 / HMM 902718)
Gesamtspielzeit: 43:39
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STRAWINSKYS VIOLIN-ERKUNDUNGEN
Igor Strawinskys Violinkonzert ist eines dieser Stilcamouflagen, die mit dem Label „Neoklassizismus“ nur unzureichend beschrieben sind. Man erlebt eine Art quergebürsteten Barock, der irgendwie auch mit dem Jazz und dem Kubismus flirtet und ansonsten launiger Post-Sacre-Stravinsky ist. Das heißt: ein Feuerwerk anspielungsreicher Motive und ironischer Brechungen, mit simultan verschränkten Hörperspektiven, rhythmisch gespannt und verpackt in einen drahtig-schlanken, gleichwohl farbigen Sound. Der Solopart für die Violine ist sehr anspruchsvoll, der Komponist hat aber konsequent jeden äußeren Glamour vermieden.
In der Einspielung von Isabelle Faust und „Les Siècles“ unter der Leitung François-Xavier Roth gewinnt man aufgrund des historischen Instrumentariums noch mal ganz neue Impressionen. Trotz der großen Besetzung könnte man meinen, dass es sich um reinste Kammermusik handelt. So luzide und im Detail farbverfeinert hat man diese Musik wahrscheinlich noch nicht gehört. Aber wohl auch kaum „trockener“. Hier ist alles Kontur und Linie, obertönig aufgeraut und auch angeschärft. Da wirkt mancher solistischer Einsatz bei den Holzbläsern wie hereinknorzende Fagotte, kieksende Klarinetten oder näselnde Oboen noch einmal besonders anekdotisch. Doch das passt ganz gut zu Strawinskys anti-romantischer Haltung. Seine strenge Ästhetik kommt Fausts per se schlankem Ton entgegen. Sie ist hier prima inter pares, eine vibratoreduzierte Violin-Ballerina. Tänzerisch verbunden mit dem lebhaften Diskurs des gesamten Ensembles, spannt sie mit scheinbar leichter Hand den Bogen von der eröffnenden „Toccata“ über die beiden „Arien“ hin zum Kehraus des „Capriccios“.
Das „Violinkonzert“ ist sicherlich der Höhepunkt dieser Aufnahme und wird ergänzt durch eine Reihe kleinerer kammusikalischer Werke, bei denen Faust als Geigerin am ersten Pult sitzt. Es sind kurze „Nebenstücke“, die Strawinskys chamäleonartige Fähigkeiten zur Adaption der verschiedensten Stile demonstrieren. Manches wie die „Drei Stücke für Streichquartett“ steht mit seiner rauen Pseudo-Folklore noch seiner „russischen“ Phase mit dem Sacre nahe. In der „Pastorale für Violine, Oboe, Englisch Horn, Clarinette und Fagott“ klingt der Einfluss von Rimski-Korsakov nach. Zwölftönig hingegen gibt sich der kurze Doppel-Kanon für Streichquartett.
Das sind sicherlich hörenswerte Vignetten. Man hätte sich als gewichtigere Ergänzungen auch sehr gut die beiden „Dumbarton Oaks“-Konzerte oder mehr von „Apollon Musagete“ vorstellen können (von letzterem gibt es als Appetizer die „Variationen“). Aber dann wäre es wohl ein anderes Album geworden, bei dem Strawinskys Auseinandersetzung mit der Violine nicht mehr im Zentrum gestanden hätte.
Georg Henkel
Trackliste |
Variation des Apollon aus Apollon Musagete; 3 Stücke für Streichquartett; Concertino für Streichquartett; Pastorale für Violine, Oboe, Englischhorn, Klarinette, Fagott; Doppelkanon für Streichquartett |
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Besetzung |
Isabelle Faust, Violine
Les Siècles
François-Xavier Roth, Leitung
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