Johannes Haage Drift
Darwin’s Blues
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Johannes Haage Drift, ein Jazz-Gitarren-Trio aus Berlin, legt mit Darwin’s Blues das zweite Album nach 2015 vor. Die Kompositionen haben sich Haage (#1, 5, 7-9) und der New Yorker Schlagzeuger Joe Smith (#2-4, 6, 10) geteilt. So ergibt sich auch daraus ein unterschiedliches musikalisches Erscheinungsbild, Haage mit mehr Struktur und wohl auch Harmonie, und Smith, der mehr Spontaneität und Freiraum zulässt. Zusammengefasst stellt das Ergebnis zeitgenössischen Jazz vor, der sich modern gemacht hat mit Klangverfremdungen, Loops und ähnlichen Elektronikeinsätzen.
In der Grundstruktur ist der Sound jedoch zunächst einmal relativ konventionell gehalten, so, wie man die Band wahrscheinlich auch live erleben dürfte, jedoch durch die nachträglichen Bearbeitungen hat sich das spannende Klangbild ergeben. Mit dem Titelsong startet die Platte mit einer sphärischen Einleitung, mit einem Sound, der mich schnell an den Klangtüftler Bill Frisell denken lässt. Alsbald nimmt der Song klare Formen an, und mit leicht federndem Rhythmus stellt sich eine sehr jazzige coole Stimmung ein, hier wiederum muss ich an die begnadet guten Tracks auf der ersten Platte von Larry Coryell denken, die dieser dort mit Jimmy Garrison und Elvin Jones einspielte. Doch letztlich bleibt diese Stimmung Johannes Haage vorgehalten, bedeutet für mich jedoch, dass hier durch die klare Struktur eine sehr „gute alte Stimmung“ gezaubert wird, die mich sehr begeistert!
Tatsächlich kann man die Absicht des Drummers bereits mit dem zweiten Track sehr gut nachvollziehen, hier öffnet sich die Band spontaner Eingabe, ohne Einleitung sind wir gleich mitten im Song, der ganz feine Ansätze von Melancholie in sich trägt, Melancholie, die wie eine kleine Nebelschwade vor sich hin treibt und sich ausbreitet. Wie sich hieraus befreiend wirken dann die Einzel- als auch Kollektivbeiträge der drei Musiker, die ausbrechen hieraus und Akzente setzen, zunächst Smith mit seinem druckvollen nach vorn preschenden und gestaltenden Stil, dann Potratz mit einem virtuosen Bass-Solo, bis Haage dann ausbricht mit verzerrtem Gitarren-Sound, und, die Befreiung feiernd, platzt die Stimmung auf und verbreitet mächtig Druck.
Im Wechselspiel dieser verschiedenen Emotionen sind auch die nachfolgenden Stücke gestaltet, zwischen Struktur und Freiheit, stets mit Atempausen dazwischen, wirklich schönen Momenten, die beruhigend wirken mit einer positiv wirkenden Ausstrahlung. Dabei spielen die Drei traumwandlerisch zusammen und ergänzen sich, füllen aus und lassen auch Raum für individuelle Gestaltung. Gar psychedelisch-geheimnisvoll startet das sehr interessante “Love In The Crazy“. Haage berichtete dazu, dass man alle Instrumente mit dem Bogen, also Geigen- oder Kontrabass-Bogen spielte, dieser Song fällt völlig aus dem Rahmen, die Gitarre scheint zu singen, lange fließende Töne, raschelnde und reibende Schlagzeugklänge begleiten, diese Klänge wirken wie ein Soundtrack zu einer in Zeitlupe gedrehten Filmsequenz. Kurzum – der Gefahr, als Trio sich schnell ähnelnde Musikstücke vorzulegen, ist man hier weitläufig aus dem Weg gegangen, diese Abwechslung ist faszinierend.
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Darwin's Blues
2 Love Strangers
3 A Free Range
4 Love In The Crazy
5 Til Stranden
6 Love In The Crazy (Reprise)
7 Tectonic
8 Friday
9 Piombino
10 Spreenhagen
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Besetzung |
Johannes Haage (guitar)
Matthias Pichler (bass - #1, 5, 7-9)
Oliver Potratz (bass - #2-4, 6, 10)
Joe Smith (drums)
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