Five of a Kind: Don Airey & Friends in Dresden
Same procedure as every year? Nicht ganz. Zwar gönnt sich Don Airey auch im März 2019 wie 12 und ebenso 24 Monate zuvor den Spaß, vier Freunde zusammenzutrommeln und in der Zeit, da Deep Purple gerade nichts tun (wobei sich beispielsweise Ian Gillan anno 2019 zur gleichen Zeit auf der Rock-Meets-Classic-Tour vergnügt, wie Stefans Livereview zu entnehmen ist), mit einem bunten Potpourri-Programm aus seiner musikalischen Vergangenheit wie Gegenwart auf Tour zu gehen – aber etliche strukturelle Unterschiede gibt es doch. Der für die Logistik des Rezensenten wichtigste ist, dass im Gegensatz zu den beiden Vorjahren der Kulturbahnhof Jena diesmal nicht im Tourplan steht, wohl aber ein Club namens Puschkin in Dresden, dessen Name nicht etwa davon herrührt, dass dort regelmäßig russische Acts gastieren (irgendwie schade freilich), sondern in seiner räumlichen Position am Puschkinplatz begründet liegt. Da die sächsische Landeshauptstadt auch noch im generellen Konzerteinzugsbereich des Rezensenten liegt, wird sie also angesteuert und der Club mit nur zwei Minuten Verspätung gegenüber der verbrieften Anstoßzeit erreicht. Trotzdem reichen diese zwei Minuten schon, um dem Rezensenten den Höreindruck des Intros zu nehmen: Eine Vorband gibt es im Gegensatz zum Jena-Gig 2018 nicht, und das Intro wurde offenbar pünktlich 20 Uhr gestartet – als der Rezensent den Innenraum betritt, entern die fünf Musiker gerade die Bühne und beginnen den Opener zu intonieren. Der bietet dann auch gleich den nächsten strukturellen Unterschied, war er doch in Jena 2018 nicht erklungen: „Eyes Of The World“ stammt gleichfalls von den durch Airey mitgeprägten Rainbow der frühen Post-Dio-Ära, ist ein starker Song und überrascht als Opener dennoch ein wenig: 2018 in Jena hatte das schnelle „Spotlight Kid“ eröffnet – sollte die Wahl einer Midtemponummer diesmal etwa ein Fingerzeig in Richtung Alterserscheinungen und einen eher gesetzten Set sein? Nein, resümiert man anderthalb Stunden später: An Power und Frische mangelt es auch dieses Jahr keineswegs, bei den beiden relativen Jungspunden an den Saiten sowieso nicht, aber auch nicht bei den drei älteren Herren an Mikrofon, Schlagzeug und Keyboards. Die Formulierung „relative Jungspunde“ verrät dem Kenner, dass Bassist Laurence Cottle abermals nicht mit von der Partie ist, sondern wie schon 2018 Dave Marks, der diesmal allerdings auch regulär auf den Tourflyern angekündigt ist, sofern der betreffende Club auch tatsächlich die im aktuellen Design verwendet und nicht die im 2018er Design, wo tatsächlich die Besetzung mit Cottle genannt ist, die auch das aktuelle Don-Airey-Soloalbum One Of A Kind eingespielt hat. Damit sind wir beim nächsten und gewichtigsten strukturellen Unterschied: Selbiges Album war anno 2018 zum Tourzeitpunkt noch nicht erschienen und wurde daher nur mit zwei Appetizer-Songs angeschnuppert, nämlich „All Out Of Line“ und „Victim Of Pain“. Die beiden gibt es auch 2019 wieder, ergänzt aber durch den Titeltrack und „Respect“, so dass das neue Werk, das es am Merchstand übrigens auch auf Vinyl zu erstehen gibt, in angemessener Ausführlichkeit beleuchtet wird – und das Material scheint im nicht eben dicht gefüllten Rund durchaus bekannt zu sein, denn es erntet phasenweise doch recht lauten Jubel, was musikalisch auch gerechtfertigt erscheint, wenngleich bis auf „Victim Of Pain“ die neuen Nummern auch alle noch hintereinander gespielt werden und zudem noch direkt nach dem Opener. Im Titeltrack will man nämlich schon die Stirn runzeln, dass das jetzt schon der dritte eher schleppende Midtemposong ist, da wandelt er sich plötzlich in ein tempo- wie stimmungsseitig vielfarbiges Epos, und schon ist die Rockwelt wieder in Ordnung. Dass sie das auch im Rest der Setlist sein würde, davon war auszugehen, wenngleich etwaige Whitesnake-Anhänger im Auditorium abermals in die Röhre schauen müssen und auch der Gary-Moore-Bestand von zwei auf einen Song reduziert wird. Da es genug harten Rock im Programm gibt, ist es eine logische Entscheidung, dass die Ballade gespielt wird, und das ist an diesem Abend „Still Got The Blues“, während auf anderen Gigs der Tour auch mal „Parisienne Walkways“ erklungen ist. Ebenfalls Wechsel gibt es beim Beitrag von Colosseum II zu verzeichnen: 2018 in Jena war „The Inquisition“ erklungen, 2019 in Dresden gibt es „Intergalactic Strut“ und auf anderen Gigs der Tour alternativ „The Scorch“. Die intergalaktische Nummer löst jedenfalls auch lauten Jubel aus, obwohl sie laut Aireys launiger Ansage irgendwo zwischen Siebener- und Neuner-Takten pendele und daher verdammt schwierig nachzuvollziehen sei. Das stört die gut gelaunten Anwesenden herzlich wenig, im Gegenteil: Man erfreut sich an der Spielkunst der vier Instrumentalisten, die im gesamten Set demonstrieren, dass sie vom Leder ziehen und irre Sachen spielen können, aber auch wissen, wann sie sich zurückzuhalten haben. Auch der Fünfte im Bunde, Sänger Carl Sentance, macht wieder eine gute Figur, wenngleich man ihm an einigen wenigen Stellen mittlerweile anhört, dass er keine 20 mehr ist und ihn das Hinaufgleiten in die Höhen ein wenig mehr Mühe kostet als früher. Ein gut gelauntes Honigkuchenpferd ist der Waliser aber auch an diesem Abend wieder, eine Labertasche noch dazu – allerdings muß man sich wieder arg anstrengen, um sein Gelaber auch zu verstehen. Zumindest gibt es an den Mikrofoneinstellungen wenig zu deuteln und auch am Gesamtsound wenig – er ist in der Summe einen Tick zu laut, aber nach ein wenig Anlaufzeit relativ klar, wobei erstaunlicherweise Aireys Keyboardspiel außerhalb der Solopassagen wenig Dominanz aufweist. In gewohnter Bescheidenheit gönnt der Bandkopf auch allen anderen Instrumentalisten einen Solospot und Sentance viel Schonung für seine Stimme, denn außer „Intergalactic Strut“ ist ja auch noch „Difficult To Cure“ als gesangsloses Stück am Start, und so manche Solopassage wird in bester Siebziger-Manier natürlich ziemlich ausgedehnt. Detail am Rande: Hatte der Rezensent 2018 in Jena festgestellt, dass Sentance vor dem zweiten Hauptsolo in „Mr. Crowley“ den letzten Ton etwas zu lange hält und damit Gitarrist Simon McBride den Einstieg ins Solo erschwert, so hält der Sänger diesen Ton jetzt noch länger und macht damit klar, dass das offenbar ein bewußt eingesetztes Stilmittel ist. Schaut man auf die Setlist, so wird noch ein weiterer Unterschied zu Jena 2018 deutlich: 2019 in Dresden gibt es aus dem Deep-Purple-Repertoire den Titeltrack vom Rapture Of The Deep-Album („Some of you might know this“, meint Airey in seiner Ansage, und er hat recht, wie der Jubel schon beim Intro zeigt), und das ist tatsächlich eine Nummer, die aus Aireys aktiver Periode bei den Hardrock-Miterfindern stammt, während 2018 alle drei Deep-Purple-Songs aus weit früheren Zeiten datierten, wenngleich Airey sie mittlerweile auch schon Hunderte Male live gespielt haben dürfte. Ansonsten aber herrscht sozusagen business as usual: sechsmal Rainbow-Stoff, wobei „Lost In Hollywood“ abermals ein Stück „A Light In The Black“ eingepflanzt bekommen hat, plus wie erwähnt mannigfach weiteres Feines aus Aireys umfangreichem Schaffen. Nur hätte man gerne noch ein wenig mehr davon gehört: Nach nicht mal 100 Minuten ist trotz siebzigerkompatibler Ausdehnung der dritten und letzten Zugabe „Black Night“ Feierabend und das Konzert, da ja keine Vorband am Start war, somit unterm Strich relativ kurz. Zwei Tage zuvor in Bydgoszcz hatte es bei ansonsten identischer Setlist mit der Eigenkomposition „Want You So Bad“ und der vierten Zugabe „Spotlight Kid“ zwei Songs mehr gegeben. Aber wie auch immer: Die Qualität des Gebotenen stimmt abermals nahezu uneingeschränkt positiv, die Stimmung im Publikum ist trotz überschaubarer Kopfzahl sehr gut, und der Rezensent findet am Merchstand zu äußerst günstigen Preisen exakt die beiden Alben von Sentances alter Band Persian Risk, die er noch nicht in seiner Kollektion stehen hat. Im März 2020 wieder? Sehr gerne – und die Songwunschliste ist die gleiche wie die am Ende des Jena-2018-Reviews ... Setlist Don Airey & Friends: Intro Eyes Of The World Respect All Out Of Line One Of A Kind I Surrender Still Got The Blues Intergalactic Strut Rapture Of The Deep Victim Of Pain Difficult To Cure Mr. Crowley All Night Long Lost In Hollywood/A Light In The Black -- Hush Since You Been Gone Black Night Roland Ludwig |
|
|
|