Anthrax live: 30 Jahre Among the Living
Anthrax waren zu meiner Teenagerzeit neben Guns n’ Roses, Metallica, Iron Maiden, Deep Purple und AC/DC sicherlich eine meiner Lieblingsbands. Vor allem die Alben Spreading The Disease und State Of Euphoria sind häufig rauf und runter gelaufen. Und „Antisocial“ oder „Now It’s Dark“ waren Klassiker, die häufig im Freundeskreis gespielt wurden. Zu einem Konzert mit dieser Besetzung hab ich es bis heute leider noch nicht geschafft. Mit John Bush habe ich Anthrax schon des Öfteren gesehen. Allesamt grandiose Live-Auftritte mit einem fabelhaften Sänger. Die Querelen um die Besetzung des Sängerpostens lasse ich heute aber außer Acht, die Sache ist schon viel zu lange her und letztlich eine Entscheidung der Band. The Raven Age spielen schon, als wir in der Halle ankommen. Im Backstage ist es kalt und zugig wie immer im Winter. Fantechnisch ziehen Anthrax erstaunlich viel Publikum, die Halle ist rappelvoll. Etliche Kuttenträger haben sich versammelt, um die Thrash-Granaten der Amis live abzufeiern. The Raven Age bringen ihren modernen Metal mit viel Melodie sehr überzeugend und authentisch rüber. Musikalisch und gesanglich ist hier alles auf sehr hohem Niveau, auch vom Einsatz her stimmt es bei der Truppe. Mich spricht die Art von Musik jetzt nicht so sehr an, etliche Fans im Publikum sind da jedoch anderer Meinung. Die Band hat die Bühne mit Bannern und einem riesigen Backdrop ausgestattet, was mich angesichts des Bekanntheitsgrades der Band doch erstaunt. Letztlich kommt jedoch keine riesige Begeisterung rüber, trotzdem hat sich die Truppe mehr als achtbar aus der Affäre gezogen. Die Bühne wird umgebaut und die Spannung steigt nicht nur bei mir merklich. Anthrax lassen sich nicht lange bitten und kommen bei lautem, aber sehr gutem Sound auf die Bühne. Gleich das erste Stück „A.I.R.“ lässt die Hallendecke beben. Die Amis werden vom Münchener Publikum recht begeistert empfangen. Diese positiven Reaktionen übertragen sich sofort auf die Band, die entsprechend wuchtig vom Leder zieht. Joey Belladonna ist motiviert bis in die letzten Haarspitzen. Er nutzt die komplette Breite der großen Bühne und springt von einem Eck ins andere. Dabei klatscht er die Fans in den ersten Reihen ab und verteilt noch pfundweise Plektren seiner Gitarristen. Gesanglich passt hier einfach alles. Ich hätte nie gedacht, dass der Typ noch so gut singen kann. Mit einer Pferdelunge und viel Druck haut er Song auf Song raus. Was mir besonders gut gefällt: Er heizt die Fans an, dass es eine wahre Freude ist. Dazu lässt er wirklich kaum eine Gelegenheit aus, was die Stimmung im Saal förmlich zum Kochen bringt. Er wirkt dabei jedoch immer authentisch und lässig - auch das kommt natürlich sehr gut an. Scott Ians Bart ist mittlerweile noch ein bisschen länger geworden, farblich hat er sich zwischen grau und weiß eingependelt. Er mosht während des kompletten Konzerts und haut dabei stoisch seine stakkatoartigen Riffs unters Volk. Ansagen gibt es von Belladonna kaum, wenn dann greift Scott Ian ab und zu zum Mikro. Besonders viel hat auch er nicht zu sagen, was aber der Stimmung keinen Abbruch tut. Besonders beeindruckt bin ich von der Rhythmusfraktion. Bassist Frank Bello bearbeitet seinen Tieftöner wie ein Stahlarbeiter, der nach Akkord bezahlt wird. Der Bass hängt auf Höhe Kniekehle, er spielt alles mit den Fingern. Unglaublich, wie schnell der Typ spielen kann. Dabei ist auch er ständig auf der Bühne unterwegs und lässt seine beeindruckende Matte kreisen. Er ist bei allen Background-Parts zu hören und heizt das Publikum an, was ihm problemlos gelingt. Schlagzeuger Charlie Benante, sein „Partner In Crime“ am Schlagzeug ist hier ebenfalls ein Vorbild an Disziplin und Einsatz. Gerade bei den schnellen Songs zeigt er keinerlei Ermüdungserscheinungen, sondern bollert präzise und rotzig durch. Bei ihm sieht das Ganze auch noch relativ relaxt aus. Zusammen bildet er mit Frank Bello ein Rhythmusduo, das im Thrash-Bereich zwar nicht einmalig ist, aber trotzdem zu einem der Besten gehört. Nach dem State Of Euphoria-Klassiker „Be All, End All“ macht die Band etwa eine halbe Stunde Pause und kündigt vorher schon an, das Album Among The Living in voller Länge zu spielen. So fulminant die erste Runde geendet hat, geht es im zweiten Block konsequent weiter. Bei den Fans kommen die Stücke des 1987 veröffentlichten Albums hervorragend an. Belladonna kommt hier doch tatsächlich noch mehr in Fahrt und lässt etliche Parts der Stücke von den Fans singen bzw. mitgrölen. Sehr gut hat sich mittlerweile auch der neue Lead-Gitarrist Jonathan Donais integriert, der die Thrash-Institution seit 2013 verstärkt. Seine Solos sind große Klasse, er bekommt dafür vom Publikum des Öfteren sogar Szenenapplaus. Dabei passt er optisch hervorragend dazu, vom Stageacting her ist er jedoch im Vergleich zu den anderen eher der ruhigere Typ. „I Am The Law“ und das herausragende „Indians“ sind für mich die Highlights des zweiten Blocks. Einen Federschmuck hat Belladonna heute nicht dabei. Dafür kommt er ab „Indians“ mit einer Art Kopfsocke auf die Bühne. Belladonna und vor allem Frank Bello scheinen die Pause unter einem Sauerstoffzelt verbracht zu haben. Beide geben im zweiten Durchgang noch ein Pfund mehr Gas und reißen mit ihrer Art das Publikum weiter mit, das eh schon richtig gut aus sich raus geht. Als Zugabe wird die Trust-Coverversion „Antisocial“ gebracht. Auch hier geht noch mal ordentlich der Punk ab. Man merkt sämtlichen Musikern auf der Bühne den Spaß an, den sie haben. Nach über zwei Stunden gehen die New Yorker dann unter riesigem Beifall von der Bühne. Vorher wirft Scott Ian noch riesige Mengen an Gitarrenplektren ins Publikum und bedankt sich mehrmals für die tolle Stimmung und die jahrelange Unterstützung bei den Fans. Ich bin völlig von den Socken. Allein mit den zwei Stunden Spielzeit hätte ich niemals gerechnet, mehr wie 90 Minuten hätte ich im Vorfeld keinesfalls erwartet. Die Band ist definitiv in Würde gealtert! Für mich war das Konzert und vor allem einzelne Songs eine kleine Rückkehr in meine Jugendzeit, die mittlerweile auch schon ein paar Jährchen her ist. Anthrax sind in dieser Form ein hervorragender Liveact, den man bedenkenlos anschauen kann! Setlist Anthrax: A.I.R. Madhouse Evil Twin Lone Justice Blood Eagle Wings Fight 'Em 'Til You Can't Breathing Lightning Be All, End All --- Among the Living Caught in a Mosh One World I Am the Law A Skeleton in the Closet Efilnikufesin (N.F.L.) A.D.I. / Horror of It All Indians Imitation of Life --- Antisocial Mario Karl |
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