Simeon Soul Charger: Wir schreiben einfach die Musik die uns gefällt!
Die Geschichte der kleinen Rockband aus Akron, Ohio, die alles auf eine Karte setzt und ihre Bandzentrale kurzerhand vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten ins tiefste Bayern verlegt, haben wir schon einmal an dieser Stelle erzählt. Mittlerweile haben sich Simeon Soul Charger auf ihrem Bauernhof schon lange eingelebt und sie brachten kürzlich ihr drittes und das zweite hier produzierte Album A Trick of Light heraus. Abermals überzeugt das Quartett mit einem altmodischen Sound, dem man nur allzu gerne das Etikett „Retro“ anheften möchte, der aber funkensprühend und originell seine ganz eigenen Wege bahnt und am Ende absolut zeitlos klingt. Ist es Psychedelic, Progressive oder Classic Rock? Komplett egal! Simeon Soul Charger haben ihre persönliche kleine Nische gefunden, in der sie sich hemmungslos ausleben. Musik, Texte, Artwork und Outfit - hier greift alles ineinander und ergibt ein harmonisches, mitreißendes Gesamtbild, dem man seine Aufmerksamkeit schenken sollte. Sänger/Gitarrist/Keyboarder Aaron Brook sowie die beiden Brüder Spider Monkey (Bass) und Rick Phillips (Gitarre) standen uns gerne Rede und Antwort und gaben ein weiteres Mal den Blick auf ihre Band frei.
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Hallo Spider, Aaron und Rick, schön, dass ihr euch wieder etwas Zeit für uns nehmt. Wie war der Trip zurück in die Heimat Ende letzten Jahres? Es war sicher toll, eure Familien und Freunde wieder zu treffen. Das gab bestimmt auch wieder Kraft für euer „europäisches Abenteuer“.
Spider: Die Reise war super! Es ist immer schön, zu Hause etwas aufzutanken. Wir mussten wirklich mal wieder unsere Freunde und Familien besuchen - und auch gleich ein paar Konzerte spielen. Es war verrückt. Wir hatten wirklich keine Ahnung wie relevant wir da drüben sind, da wir so lange weg waren. Dann haben wir in der Nähe unserer Heimatstadt eine Halle mit über 600 Leuten ausverkauft. Es war wirklich ein großartiges Gefühl! Wir spürten die ganze Zeit nichts als Liebe.
Ihr lebt jetzt schon einige Jahre in Bayern. Habt ihr die Entscheidung bis jetzt schon einmal bereut?
Spider: Nein, keineswegs. Wenn wir daran etwas bereuen, dann nur, warum wir nicht schön früher etwas Neues versucht haben. Bayern ist aufgrund seiner Lage optimal, wenn man andere Länder besuchen möchte. Deswegen haben wir es in vier Jahren in 16 Länder geschafft. Das ist in Amerika nicht möglich. Nun, technisch natürlich erst recht nicht, da es in Nordamerika nur drei Länder gibt. (lacht)
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Vorabsingle "Cain & Able" |
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Nachdem ihr schon in so vielen europäischen Ländern wart und mit vielen verschiedenen Bands zusammen gespielt habt: Was waren die beeindruckensten Erfahrungen und wie unterschiedlich ist das Publikum in den verschiedenen Orten?
Spider: Das Publikum unterscheidet sich sogar am gleichen Ort von Nacht zu Nacht - ganz abgesehen von verschiedenen Ländern. Die Leute vor der Bühne zu vergleichen ist wie Leitungswasser zu vergleichen: es ist fast nie dasselbe und es ändert sich immer, wenn man mit dem Finger auf der Karte weiterfährt. Es ist immer interessant ältere und neuere Generationen von Musikern zu treffen. Zum Beispiel Phil May von The Pretty Things, der davon erzählt, wie er mit den Beatles rumgehangen ist und mit ihnen Acid eingeschmissen hat oder wie er Sister Rosetta Tharpe zusammen mit Mick Jagger gesehen hat. Das ist unglaublich. Aber manchmal sind auch wir die „alten Hasen“, wenn wir mit jüngeren Bands spielen, die unsere Hirne wegen ein paar Storys auspressen wollen, da sie auf ihrer ersten Tour sind. Musik zu spielen ist ein cooler Austausch von Kultur und Geschichten. Es ist nie zweimal dasselbe.
Aaron, sprechen wir etwas über die Musik. Der Vorgänger von A Trick of Light war ein dichtes und etwas kompliziertes Konzeptalbum. Wie beurteilst Du diese Erfahrung rückblickend? Würdet ihr so etwas noch einmal machen?
Aaron: Harmony Square war schwierig zu schreiben und aufzunehmen. Wir sind aber ziemlich stolz darauf. Ich denke, dass wir seit diesen Aufnahmen viel darüber gelernt haben, wie wir zusammen Musik schreiben und aufnehmen. Würden wir also Harmony Square noch einmal neu aufnehmen - und zwar Ton für Ton - würden wir es heute anders und vielleicht effizienter machen. Alle unsere Alben verfolgen zu einem gewissen Teil ein durchgängiges Konzept, nur wurde das bei Harmony Square noch deutlicher heraus gestellt. Ich würde derzeit nicht ausschließen, dass eines unserer zukünftigen Alben noch einmal ein in sich verflochtenes Konzept übergestülpt bekommt. Allerdings würde es komplett anders als Harmony Square klingen, da wir uns als Band nicht wiederholen möchten.
Aaron, Du hattest gerade erwähnt, dass die Platten von Simeon Soul Charger in gewisser Weise einem zusammenhängendem Konzept folgen. Gilt dies auch für A Trick of Light? Um was geht es bei diesen Songs und gibt es Verbindungen zu alten Titeln?
Aaron: Ungefähr die Hälfte der Songs sind mit dem bisherigen Konzept verbunden. Die übergeordneten Themen des Albums sind der Surrealismus von Träumen und die Nachrichten, die sie uns aus dem Unterbewusstsein senden, die unzähligen Realitäten die uns bei der unendlichen Suche nach neuen Perspektiven zur Verfügung stehen, Selbsterfahrung, die Ausübung der subjektiven Freiheit und das Eintauchen in die unbekannten Tiefen des Geistes. Während nicht alle Songs eine Verlängerung der bisherigen Geschichte sind, bezieht sich das Album als Ganzes direkt oder indirekt auf das Konzept mit Themen wie Isolation, Verwirrung und Verzückung, die mit einer menschlichen Rasse einher gehen, die nach einem Sinn in einer geheimnisvollen Welt sucht. A Trick of Light veranschaulicht sowohl die Verzerrungen als auch die Offenbarungen, die sich durch die Vorstellungen, mit denen wir unsere Realitäten gestalten, ergeben.
Im Vorfeld habt ihr die Single Cain & Able veröffentlicht. Ich war überrascht diese Songs nicht auf A Trick of Light zu finden. Besonders „Cain“ hat sich schließlich mit der Zeit zu einem richtigen Livehit gemausert.
Aaron: Wir hatten bereits im Vorfeld beschlossen Cain & Able nur als Single zu veröffentlichen und uns dann auf eine richtige Platte zu konzentrieren. Wir wollten auf A Trick of Light nur neue Songs veröffentlichen, anstatt den Platz mit bisher veröffentlichten zu füllen.
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das Cover von A Trick of Light |
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Das Coverartwork von A Trick of Light sieht interessant aus. Was steckt dahinter?
Rick: Das Cover wurde von unserem Freund Stonino, dem Bassisten der Band Zippo, entworfen. Er ist ein ziemlich talentierter Grafikkünstler. Wir wollten dieses Mal unbedingt mit ihm zusammen arbeiten. Wir haben ihm ein paar der neuen Songs sowie den Albumtitel zukommen lassen und das war das was er uns präsentierte. Wir mögen das Bild wirklich sehr. Es ist seine eigene Interpretation der Musik. Hier eine kleine Erklärung von Stonino zum aktuellen Cover: „Für mich sind Schatten Tricks des Lichts und in diesem Bild präsentiere ich zwei verschiedene Realtitäten: den Mann, der auf das Dreieck blickt, das Licht und sein Schatten, groß und böse. Nicht alles was wir sehen ist echt und alles kann anders sein, wenn wir es unter einem anderen Licht betrachten!“ Bisher hatten wir für jede Platte einen anderen Künstler engagiert. Dadurch sieht jedes Artwork frisch und einzigartig aus. Ich denke, das werden wir weiter so halten.
Rick, gab es Vorfeld einen Art Masterplan, bevor ihr euch an die Arbeit gemacht hat?
Rick: Ich bin mir nicht sicher ob es überhaupt jemals einen „Masterplan“ betreffend Simeon Soul Charger gab. Wir wollten einfach nur ein cooles, neues Album machen das dieses spezielle altmodische Gefühl und eine Menge Energie verbreitet. Auf Vinyl sollte es auch erscheinen. Oh, und in einer kurzen Zeit sollte es aufgenommen werden, da wir die ganze Zeit Konzerte spielen. Wir nahmen A Trick of Light“ komplett in zwei Wochen auf.
Das Endergebnis klingt auch wesentlich spontaner und lebendiger als Harmony Square. Fast wie ihr live spielt. Wir habt ihr diesen Vibe ins Studio gerettet? Habt ihr irgendetwas anders gemacht?
Rick: Wir erschufen diese Stimmung einfach dadurch, dass wir unser Zeug aufbauten und gemeinsam los spielten. Verglichen mit den meisten Studios war der Aufnahmeraum ziemlich klein. Aber wir mochten den Sound. Die Klangdämmung war uns nicht so wichtig. Hier knistert es bei allen Instrumenten, ganz so als seien wir auf der Bühne. Die Strukturen der Lieder waren gut eingeübt und viele der Titel hatten wir ja bereits ausführlich live gespielt. Es gab aber immer noch genug Platz spontan etwas zu improvisieren. Diese Platte war auch die erste, bei der wir eine richtige Vorproduktion gemacht haben. Wir nahmen Demos von allen Songs in unserem Proberaum auf und machten ein paar Overdubs drauf, um zu sehen was funktioniert und was nicht.
Dass ihr die meisten Songs schon einmal live gespielt habt, war bei euren Konzerten nicht zu überhören. Das war sicher auch ein guter Test was funktioniert und was nicht. Habt ihr danach auch ein paar Songs aussortiert?
Rick: Ja, haben wir! Die Songs entwickeln sich ganz anders, wenn man sich live spielt. Warum also nicht ein paar neue Titel ausprobieren, die man später aufnimmt? Dann bekommst du auch mit, wie die Leute darauf reagieren. Man bekommt sofort ein Gefühl welche Teile besser ausgearbeitet werden müssen oder was man einem Song noch hinzufügen könnte. Ich glaube auch, dass das in gewisser Weise ein Stück unserer Liveenergie mit ins Studio gebracht hat.
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SSC machen's wie vor 40 Jahren |
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Werden wir nun etwas allgemeiner: „Retro“ wurde mittlerweile zur Typenbezeichnung für ein bestimmtes Genre im Rockbereich. Simeon Soul Charger werden auch immer wieder in diese Schublade gesteckt. Ist dieser Stempel o.k. für euch? Was denkst Du über die momentane Rockszene, in der eine altmodische Heavy-Blues-Band wie die Blues Pills der neue, heiße Scheiß ist?
Rick: Im Musikbusiness ist es ganz normal, dass diese Retromoden alle zehn oder zwanzig Jahre auftauchen. Gerade ist es eben die Wiederauferstehung des Spät-60er-/Früh-70er-Heavy-Stoffs. Das einzige Problem daran ist, dass es vielen Bands einfach an Originalität mangelt. Sie kopieren einfach Riffs, Songstrukturen, Melodien und sogar den alten Studiosound von Musik die schon einmal da war. Simeon Soul Charger versuchen nicht Teil dieser Szene zu sein. Aber wir werden in der Regel mit entsprechenden Gruppen in einen Topf geworfen, da wir von den denselben Bands und Platten dieser Periode beeinflusst wurden. Wir mögen viele Arten von Musik und wir schreiben einfach die Musik die uns gefällt - ganz ohne unseren eigenen kreativen Fluss einzuschränken.
Rick, am Ende würde ich gerne noch ein kleines Brainstorming mit Dir machen. Ich nenne Dir zwei Begriffe und Du sagst wir was Dir mehr zusagt - vielleicht auch noch kurz warum. Los geht’s: Screaming Jay Hawkins oder Creedence Clearwater Revival?
Rick: Ich nehme an Du beziehst Dich auf ihre Versionen von „I put a spell on you“. Ich mag sie beide gleich gern.
Black Sabbath oder The Beatles?
Rick: Hmmm… atmen oder essen? Ich kann ohne beides nicht leben.
Leonard Cohen oder Tom Waits?
Rick: Beide sind fantastische Songwriter und Künstler.
Kleiner Club oder Festival?
Rick: Wir mögen die Intimität und den Klang kleiner Clubs. Wir mögen es aber auch für Menschenmassen auf Festivals zu spielen.
Akustische oder elektrische Shows?
Rick: O.k., noch einmal unentschieden. Unsere elektrischen Shows sind dynamisch und brutal. Unsere Unplugged-Shows sind dynamisch und brutal.
Vinyl oder CD - oder vielleicht sogar digitale Dateien bzw. Streaming?
Rick: Oh man, das sind alles feine Medien, um Musik an die Fans zu bringen. Der Klang von Vinyl ist super und die Erfahrung beim Hören von Vinyl ist reichhaltig. CDs sind cool, um sie im Auto hören - was auch für Kassetten gilt. Digitale Files sind billig und leicht verfügbar. Lad‘ sie auf deinen iPod und los geht’s. Ich höre Musik in jedem Format, solange die Musik gut ist.
Schlaghosen oder Röhrenjeans?
Rick: Nach was auch immer mir ist, wenn ich aufstehe.
Second-Hand-Shops oder Szeneladen?
Rick: Das was billiger ist! Ich bevorzuge Second-Hand-Läden oder die Caritas.
Essen selbst anbauen oder Bioladen?
Rick: Essen selbst anbauen ist toll, wenn man die Zeit dafür hat. Bioläden sind super, wenn man das Geld dafür hat. Essen ist gut, wenn du hungrig bist.
Kleines Dorf oder große Stadt?
Rick: Beides hat seine Vor- und Nachteile, um dort zu leben. Beides ist gleich gut, wenn man Konzerte spielt.
Vielen Dank euch drei für das Interview!
Mario Karl
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