Frantic Four - die Nostalgie-Tour von Status Quo
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Bereits 2013 hatten Status Quo in England einige begeisternde Konzerte im Rahmen der sogenannten „Frantic Four“-Reunion-Tour mit den beiden Originalmitgliedern John Coghlan (Schlagzeug) und Alan Lancaster (Bass) gegeben. Zuerst waren die Konzerte dem Vernehmen nach als einmalige Sache, die sich auf die Insel beschränken sollte, gedacht. Umso erstaunter war ich, dass die Band auch einige Daten in Deutschland durchziehen wollte. Die Shows in England waren in kürzester Zeit ausverkauft. Um eins vorwegzunehmen: Dies war zumindest in Stuttgart nicht der Fall. Vor der Halle konnten noch für alle Kategorien direkt am Ticketschalter Karten gekauft werden und die Schwarzmarkthändler blieben auf ihren Karten sitzen. Wobei man sagen muss, dass ich noch nie so kaputte Schwarzmarkthändler wie in Stuttgart erlebt habe. Die stehen doch glatt direkt vor dem Ticketschalter und wollen Tickets für 10 - 20 Euro mehr andrehen, als es sie noch an der Abendkasse zu kaufen gibt!
Das Publikum war an diesem Abend durchschnittlich 50 Jahre und älter. Trotzdem war im Vorfeld eine größere Spannung und Vorfreude zu bemerken als bei einem regulären Status Quo-Konzert mit der aktuellen Besetzung. Das Merchandise zielt genau auf diesen Effekt ab und Shirts mit dem Konterfei der Frantic Four-Besetzung gibt es in allen Variationen und zu saftigen Preisen. Der absolute Hammer ist ein Poster, das von allen Bandmitgliedern unterschrieben ist. Kostenpreis: geschlagene 50 Euro! In der Halle zeigt sich, dass vielleicht ein Drittel der Stühle komplett leer sind und das hintere Drittel sogar abgehängt wurde. Damit hatte ich nicht gerechnet. Die Bühne ist sehr einfach gehalten und wird von einem Vorhang verdeckt, auf dem die Silhouetten der vier Originalmitglieder zu erkennen sind.
Carl Carlton fungiert in seiner Rolle als Einheizer durchaus erfolgreich. Begleitet von einem Schlagzeuger, einem Keyboarder/Gitarristen und einem Wahnsinns-Blues-Harp-Spieler bringt er Songs wie Bob Dylans „Times They Are A Changing“, eine unvergleichliche Version von „Little Red Rooster“ und als absolute Mega-Nummer eine Akustik-Version von Status Quos „Pictures Of Matchstick Man“ zum Besten. Musikalisch absolut astrein und durchaus unterhaltsam bekommen er und seine Mitmusiker vom Stuttgarter Publikum mehr als nur Höflichkeitsapplaus.
Nun wird es immer spannender: Wie werden sich die Boogie-Rock-Recken in der Ur-Besetzung präsentieren? Das Intro beginnt wie auf der legendären Scheibe Status Quo Live von 1977. Ein Anheizer brüllt „Is there anybody out there who wants to rock?!“ und Stuttgart steht von Beginn an Kopf. Rick Parfitt, der wieder mit längeren Haaren ausgestattet ist, und Francis Rossi machen einen sehr guten Eindruck und sind von Beginn an auf Betriebstemperatur. John Coghlan drischt gewaltig in die Felle und pusht die Band mit aller Macht nach vorne. Ich hätte nicht erwartet, dass er noch in der Lage ist, mit derartiger Wucht seine Dampkessel zu bearbeiten. Respekt! Alan Lancaster singt erstaunlicherweise sehr gut und sorgt mit seinem Bassspiel für den nötigen Drive. Was mir große Sorgen macht, ist sein Gang und seine Haltung. Der Musiker, der an Multiple Sklerose erkrankt ist, geht sehr unsicher und wackelig und ich habe den Eindruck, dass er während er spielt ständig ein bisschen wankt und mit Gleichgewichtsproblemen zu kämpfen hat. Es macht wirklich Angst, wenn man ihn so sieht.
Die ersten Lieder gehen reibungslos über die Bühne und machen richtig Laune. Der Sound ist im Gegensatz zu einem Status Quo-Konzert mit der aktuellen Besetzung lauter, dreckiger, rauer und wesentlich basslastiger. Mir gefällt speziell dieser Sound um Längen besser! Am meisten beeindruckt mich an diesem Abend Urvieh Rick Parfitt. Er ist ein absolutes Arbeitstier an der Gitarre und singt phänomenal. Er hat wirklich eine Ochsenlunge und röhrt, dass es eine wahre Freude ist. Francis Rossi hat keinen besonders guten Abend erwischt. Er wirkt für seine Verhältnisse schlecht gelaunt und lustlos. Die Solos rotzt er absolut aggressiv und gekonnt in die Menge, aber sein Gesang ist bis auf „Down Down“ wirklich gut. Allerdings spricht er kaum zum Publikum, macht fast keine Ansagen und verliert im Laufe des Konzerts merklich die Lust an der Veranstaltung. Und die Ansagen die er macht, sind sehr schwer verständlich und teilweise zynisch ohne Ende.
Alan Lancaster lehnt sich manchmal an seine Verstärkerwand - vermutlich weil er sonst umkippen würde. Rossi kommentiert das mit dem Spruch, dass er wohl in sein Equipment verliebt ist. So etwas kann er sich sparen. Die Tour wurde vermutlich von allen vier Mitgliedern gewollt und dann muss er die Auftritte auch mit allen Konsequenzen durchziehen. Die Kohle nimmt er ja auch dankend an. Die Setlist ist vom Feinsten und es werden Songs präsentiert, die man so von der aktuellen Besetzung sehr selten zu hören bekommt. Dadurch, dass auch Alan Lancaster ab und zu singt, werden die Songs variabler und facettenreicher. Highlights sind für mich definitiv „Backwater“, „Rain“ und „Down Down“, das in einem wahren Dampframmensound daherkommt. Auf der Bühne tut sich im Gegensatz zu der aktuellen Besetzung eher wenig. Rossi und Parfitt passen sich Alan Lancaster an und sind merklich weniger als sonst auf den Brettern unterwegs.
Bei dem Doors-Cover „Roadhouse Blues“ wird mir um Alan Lancaster Angst und bange. Er singt und seine Haltung nimmt immer groteskere Formen an und ich habe wirklich die Sorge, dass er auf der Bühne zusammen bricht. Zwei Kumpels von mir, die direkt vor der Bühne postiert sind, erzählen nach dem Konzert, dass Alan sogar sein Plektrum verloren hat und Rossi ihm völlig angepisst eins von seinen gegeben hat. Lancaster war nicht in der Lage, sich zu bücken. Als Zugaben werden „Caroline“ und „Bye Bye Johnny“ präsentiert, bei denen auch Alan Lancaster wieder singt. Hier schiebt ihm Rossi sogar noch das Mikrophon hin. Rossi ist zum Ende des Konzerts absolut in Rage und man merkt ihm an, dass er am liebsten sofort die Bühne verlassen würde. Unmittelbar nach dem letzten Ton und exakt 90 Minuten geschieht das dann auch. Mit ihm verlassen auch die restlichen Mitglieder die Bühne und werden vom Stuttgarter Publikum für dieses Verhalten sogar mit Pfiffen belohnt. Keine Ansprache, kein Dank, nichts. Da hätte ich auch ein bisschen mehr erwartet.
Ich bin nach dem Konzert ziemlich hin und her gerissen. Es war eine tolle Sache, die Band einmal in der Originalbesetzung zu sehen. Die Songs waren klasse und musikalisch vom feinsten. Aber der Gesundheitszustand von Alan Lancaster ist schon sehr bedenklich und ich hatte mehrfach Angst, dass das Konzert wegen ihm abgebrochen werden muss. Wie viel Mühe muss es ihn wohl gekostet haben, das durchzustehen? Von daher: Ich finde eine derartige Aktion als Geschenk für die Fans eine wahnsinnig coole Sache. Aber wenn es dann schon bei den paar Konzerten intern zu Reibereien kommt, sollte man sich überlegen, ob man noch weitere Gigs anbietet. Ich wünsche Alan Lancaster alles Gute für seine Gesundheit und Rick Parfitt und Francis Rossi noch viele schöne Auftritte mit ihrer aktuellen Besetzung, bei der sich vor allem Rossi sichtlich wohler fühlt.
Setlist:
Junior's Wailing
Backwater
Just Take Me
Is There a Better Way
In My Chair
Blue Eyed Lady
Little Lady
Most of the Time
Rain
(April) Spring, Summer & Wednesdays
Railroad
Oh Baby
Forty-Five Hundred Times / Gotta Go Home
Big Fat Mama
Down Down
Roadhouse Blues
Caroline
Bye Bye Johnny
Stefan Graßl
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