Zwei-Mann-Armee Mantar: Die Urgewalt der Musik als Message
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Rock'n'Roll ist tot... heißt es bei alten Kulturpessimisten immer wieder mal. Doch Bands wie Mantar widerlegen diese These im Vorübergehen. Denn was sich hier aus dem Straßenschmutz schält, ist die Essenz dessen was unsere Eltern (oder mittlerweile eher die Großeltern) an Musik gehasst haben. Die pure Klang gewordene Urgewalt eben. Mantar spielen ihren Metal ungehobelt und aufs Nötigste reduziert. Alles andere ist sowieso nicht möglich, wenn man nur zu zweit lärmt. Aber trotzdem klingen Mantar dabei wie eine ganze Herde an Instrumentenvergewaltigern. Und so ist ihr Debüt Death by burning eine außergewöhnliche Klangerfahrung, bei der durch jede Pore der punkige Geist von Do-it-yourself schimmert. Aber so klingt es halt, wenn man Musik nur der Musik willen spielt und sich sonst nicht groß um das Drumherum schert. MAS hat mit Gitarrist und Sänger Hanno Klänhardt Kontakt aufgenommen - der nebenbei selbst als Schreiberling tätig ist und für eine Promotionfirma arbeitet -, um ihm ein paar Worte zu seinem neuen Baby zu entlocken. Was dabei heraus kam, war dadurch ein Gespräch auf Augenhöhe - und ein kurzweiliges noch dazu. Doch lest selbst:
Mantar, wieso, weshalb, warum? Seit wann und woher kennt ihr euch und ab wann stand fest, dass ihr jetzt unbedingt zusammen lärmen müsst und was ist euer emotionaler Antrieb?
Wir kennen uns schon richtig lange. Wir sind beide aus der schönen Stadt Bremen, welche auch immer noch tief im herzen unser Zuhause ist. Da haben sich Erinc und ich auf einem der zahllosen Konzerte, die es damals noch in der Stadt gab, kennengelernt. Die 90er waren ’ne echt geile Zeit für den Bremer Underground. Ich habe im legendären Wehrschloss mit meiner Teenager-Punkband gespielt und er war dort. So hat man sich kennengelernt. Wir wollten immer mal was zusammen machen, was aber nie geklappt hat, außer ab und zu ein bisschen rumdaddeln. Vor eineinhalb Jahren hat es sich nun ergeben. Wir wohnen ja auch beide seit einigen Jahren in Hamburg. Somit war es einfacher. Der emotionale Antrieb ist sicher, dass wir beide die musikalische Komponente, die Mantar bietet, in unserem Leben vermisst haben. Es ist schon ein sehr gewaltiges Ding. Laut, lärmend, rasend. Das bereitet uns große Genugtuung.
Hinter der Musik von vielen Bands stehen eine Art Masterplan und ein genaues Ziel. Welches Ziel stand bei Mantar im Raum, als ihr angefangen habt? Oder war das Ganze nur eine Art Zufallsprodukt?
Kein Zufall. Genauso wenig wie ein „Projekt“. Dafür nehme ich grundsätzlich alles was ich tue - und wir Mantar, als Band - auch zu ernst. Das eigentliche Ziel war es ein Tape für ein paar Freunde zu machen und die Platte umsonst ins Netz zu stellen, damit wir Shows bekommen. Nun ja, jetzt ist alles etwas anders gekommen, was natürlich cool ist. Wir sind sehr dankbar für all das Interesse aus aller Welt. Der Antrieb war und ist aber derselbe: die Freude an der Sache.
Neben Mantar spielst Du bei den Rockern Sixxxten. Fühlst Du Dich dort musikalisch bzw. künstlerisch nicht ausgelastet?
Nun ja, jeder hat halt unterschiedliche Seiten. Mit fehlte dieses Extreme schon etwas. Ich höre privat sowas ja auch gern. Dennoch bietet Sixxxten auch Seiten, die mit Mantar nicht abgedeckt werden. Ich bin somit in einer sehr glücklichen Lage.
Mantar verweigern sich strikt einer Stilbezeichnung wie Sludge - die ich selbst etwas unpassend finde. Ebenso wird auch eine gewisse Szenezugehörigkeit keine Rolle für euch spielen.
Nein. Wir waren nie in einer Szene und wollen ebenso auch keine bedienen. Das wäre zu einfach. Wir verehren unzählige Bands, unterschiedlichster Art, aber für uns war eine bestimme Szene oder ein bestimmter Sound nie identitätsstiftend. Wir treffen uns um so hart zu spielen wie wir können. Das ist die einzige Agenda. Wem das gefällt, ist herzlich eingeladen sich daran zu erfreuen.
Ihr seid nur zu zweit. Macht es das einfacher, seine Gefühle und die Aggression zu kanalisieren?
Leute vermuten immer, dass es bei solcher Musik um Wut oder Aggression geht. Das trifft auf uns nur bedingt zu. Wir machen das weil wir Freude an diesem gewalttätigen Rausch haben. Ich denke es ist mehr der Grund, dass wir uns so gut kennen und ohne Worte funktionieren, dass es so intensiv ist, und weniger weil wir nur zu zweit sind.
Worin siehst Du die Vor- und Nachteile dieser kleinen Besetzung?
Die Vorteile sind einfach: es ist sehr intim, wir sind ein kleines Team, eine Zwei-Mann-Armee. In der Tat fühlt sich das anders an als mit fünf Mann. Wir können uns nur auf eine Sache auf einmal konzentrieren. Einen bestimmten Beat, eine bestimmte Melodie oder was auch immer. Wir haben keine andere Wahl als jedes Gimmick wegzulassen. Das macht die Band sehr intensiv. Nachteile kenne ich keine - wir können es mit jeder Band aufnehmen -, außer dass wir mit weniger Leuten mehr schleppen müssen. Wir spielen Equipment das für das dreifache an Leuten reichen würde.
Was sind eure musikalischen Einflüsse und wie manifestieren sich diese in eurem Sound - und überhaupt, wie gehen Mantar beim Songwriting vor? Euer Stil klingt eher nach spontanen, kreativen Jam-Sessions, als nach Reißbrett.
Wir treffen uns und fangen an zu spielen. Ohne Worte. Wenn wir uns dabei erwischen, dass wir einen Part stundenlang wiederholen, wissen wir, dass er gut ist. Dann setzen wir die Fragmente zusammen und so entstehen Songs. Wir „schreiben“ die Songs nicht, nein. Einflüsse gibt es viele. Ich habe einen klaren Punk-Background, stehe schwer auf Black Metal und mag alles was irgendwie extrem ist. Erinc ist der Typ, der den ganzen Groove in die Apokalypse bringt. Durch ihn werden die Songs rund und erst zu Songs. Wenn es zu „rockig“ wird muss ich ihn bremsen. (lacht)
Mantar ist das türkische Wort für Pilz. Wie kommt man darauf, das als Bandname zu verwenden? Für „Magic Mushrooms“-Konsumenten klingt euer Sound jedenfalls viel zu düster.
Wir sind relativ drogenuninteressiert, um ehrlich zu sein. Erinc ist Türke. So kam der Name zustande. Es gibt keine psychedelischen Anleihen in unserem Sound. Das nervt uns eher. Der Name klingt einfach geil und das Logo sollte griffig sein. Stumpf ist Trumpf.
Apropos düster. Wenn man euer Debüt anhört, kommt man sich vor, als würde man von einer Abrissbirne in ein düsteres Höllenloch gestoßen. Woher kommt all die Wut und was ist das Faszinierende an der abgründigen Seite der Welt? Obwohl, rosa Einhörnen und Regenbögen zu vertonen klingt auch nicht so prickelnd - wo wir wieder bei den Pilzen wären...
Wut ist nicht die treibende Kraft, sondern eher die extreme Anstrengung in der Musik, die wir spielen. Fast meditativ. Ein Rauschzustand. Allerdings bin ich nicht verbittert. Ich mag das Leben. Aber es ist sehr einfach, sich von den Perversitäten der Welt inspirieren zu lassen.
Wie wichtig sind Dir die Texte in den Mantar-Songs - ein essentieller Bestandteil oder mehr die Manifestation der klanglichen Urgewalt in Wortform?
Ich hätte es nicht schöner sagen können. Danke dafür. Wir haben keine wirkliche Message. Die einzige Message ist die Gewalt und Kraft der Musik. Was nicht bedeutet, dass die Texte sinnentleert sind. Aber sie stehen für uns eben nicht im Vordergrund.
Hanno, Dein Gitarrensound ist schon sehr massiv. Sag mal, das bekommt man doch noch nicht mit einem einfachen Marshall-Amp hin. Was ist das Geheimnis hinter der Power von Mantar?
Das werde ich sicher nicht verraten. (lacht) Aber soviel sei gesagt: Ich spiele mehrere Amps gleichzeitig und weiß auch, wie ich die Gitarre „tieferlege“ um den fehlenden Bass zu kaschieren. Auch Bassverstärker spielen eine Rolle. Wir spielen live genau das gleiche Equipment wie auf der Platte. Ohnehin gab es auf der Platte sehr wenige Dopplungen. Alles sollte sehr authentisch wirken.
Das Cover der Platte ist auf gewisse Art und Weise faszinierend. Was steckt hinter dem Gemälde mit der brennenden Krone?
Das Bild nennt sich „The Crown“ und ist vom amerikanischen Künstler Aron Wiesenfeld. Für mich einer der besten lebenden Maler die es gibt. Ich kannte ihn vorher nicht, habe nur durch Zufall das Bild gesehen und wusste sofort, dass es das Cover von Mantar sein MUSS! Es ist fast etwas unheimlich, als hätte jemand unbeabsichtigt genau das Cover gemalt, welches exakt die visuelle Umsetzung deiner eigenen Musik ist. Wer darauf zu sehen ist, ist mir nicht bekannt. Aber das Gefühl, welches das Bild bei mir auslöst war gespenstisch. Ein wirklich bedrückendes Gefühl. Es war schon früh klar, dass die Platte Death By Burning heißen würde und so war es ein absoluter Glücksgriff. Ich habe über das Internet dann einfach recherchiert und Arons Mailadresse gefunden, ihm geschrieben und ihm die Situation geschildert. Von wegen Band ohne Geld liebt seine Arbeit und hätte gern eines seiner Bilder auf dem Cover. Es stellte sich heraus, das er ein sehr netter, freundlicher Typ ist, mit viel grundlegendem Verständnis für die Kunst. So eben auch für die Kunst von anderen Leuten und so gab er uns seinen Segen. Ich hoffe, dass zumindest ein paar Leute nun auch durch uns auf diesen Ausnahme-Maler aufmerksam werden. Denn auch seine anderen Bilder sind unfassbar gut!
Mit Svart seid ihr ja bei einem richtigen „Feinschmeckerlabel“ unter Vertrag. Wie kam es zu diesem Vertrag? Um es offen zu sagen, vertritt Dein Arbeitgeber die Promobelange im deutschen Raum. Da könnte man leichte ein „eine Hand wäscht die andere“ vermuten.
Wir hatten Kontakt mit einigen Labels. Svart war die letzten, denen wir Musik geschickt hatten. Es gab auch bereits fertige Angebote von durchaus größeren Labels, aber ich bin froh, dass wir uns dagegen entscheiden haben. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mit den Veröffentlichungen von Svart vor unserer Zusammenarbeit nicht wirklich vertraut war. Jetzt finde ich es umso geiler, auch bei diesem Label zu sein. Alte Schule. Ich habe dem Label Musik geschickt und zurück kam „Let's go“. Mit meinem Job war es glücklicher Zufall, dass ich so an den Kontakt gekommen bin. Musik haben wir dann aber anonym geschickt. Vetternwirtschafft bringt dir im Underground nichts. Du brauchst Überzeugungstäter, die wirklich Bock auf die Sache haben.
Recht fix bei einem feinen Label unterschrieben, zahlreich Lob seitens der Presse und dann auch noch eine Einladung zum hoch angesehenen Roadburn-Festival in Holland. Fühlt man sich da nicht ein wenig gebauchpinselt und bestätigt, dass man wohl irgendwas richtig gemacht hat oder baut das auch einen gewissen Druck auf?
Druck eher nicht. Aber natürlich freuen wir uns. Wir nehmen all das als Geschenk, da es mehr ist als erwartet, bleiben aber auch easy, denn am Ende des Tages machen wir das, damit es uns Spaß macht. Ich sehe es nicht ein, Druck zu verspüren für eine Sache, die ich freiwillig mache und mit der ich nicht mal Geld verdiene. Bestätigung ist das aber natürlich schon irgendwo. Obgleich wir uns nichts darauf einbilden. Wir sind keine 18 mehr.
Wie sieht eine Mantar-Liveshow aus: zwei feist grinsende, junge Männer und dann wird man unsanft vom Holzhammer gestreichelt?
Wir grinsen sehr wenig auf der Bühne. Die Scheiße ist echt anstrengend!
Neben CD und der mittlerweile üblichen Vinyl-Version gibt es Death by burning auch als Tape-Version. Das scheint ja immer mehr in Mode zu kommen. Wirklich praktisch ist dieses Format heute meiner Meinung nach nicht mehr. Das hat schon etwas sehr Nostalgisches.
Viel Menschen - inklusive mir - finden und fanden Tapes immer das geilste Medium. Ich bin froh, dass es dafür wieder eine Plattform gibt. Das Tape hat mich zu dem gemacht was ich bin. Die Kassette ist die Nutte unter den Medien. Billig, Immer wieder überspielbar und irgendwann mit großer Sicherheit kaputt. Trotzdem die Königin. Für jeden zugänglich und in der Lage, die Welt zu verändern. Als ich sechs Jahre alt war bekam ich von meinem Vater zwei AC/DC-Kassetten. Das hat mein Leben für immer verändert und ohne die wäre ich heute nicht hier. Und ohne so manches Mixtape wäre die Welt sicher eine schlechtere. Ferner war unser Tape blitzschnell ausverkauft und über Nacht das „Best Selling Metal Tape“ auf Bandcamp. Darauf war ich dann schon etwas stolz. (lacht)
Vielen Dank, Hanno, für das interessante Gespräch!
Mario Karl
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