Musik an sich


News
EMPIRE OF THE SUN: Walking On A Dream



Empire Of The Sun sind exotisch und grell, überschwenglich und nahezu überirdisch. In ihnen treffen zwei höchst unterschiedliche Trabanten der australischen Popszene zusammen: Luke Steele, das rätselhafte Wunderkind hinter The Sleepy Jackson, und Nick Littlemore, Kopf der Electrodance-Formation Pnau.

Schon die erste Begegnung war ein Funkenschlag. Die lichtschnell geschlossene Freundschaft bezeichnet Luke als „elektrischen Feuerball“, und sie mündete schließlich in Walking On A Dream, einem mutigen, visionären, schlichtweg brillanten Album, das zugleich aufregend zeitgenössisch und waghalsig zukunftsorientiert ist, obwohl es kurioserweise immer auch ein wenig archaisch klingt. Aus dem kollektiven Unterbewusstsein von Nick und Luke entstand eine rare Verbindung von Rock und Electronica, Spontaneität und Tiefe, Futurismus und Tradition, Hi-Tech Produktion und kreativer Unbekümmertheit, Popmelodien und kinematographischer Monumentalität.

Schon das erste Treffen im Jahre 2000 war kurios. Nick: „Wir trafen uns in Darlinghurst, in Sydney. Luke war eine beeindruckende Erscheinung. Er hatte einen Koffer dabei, und ich fragte mich, was da wohl drin sei. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, hatte er diesen Koffer dabei, und jedes Mal war etwas anderes darin, das war spannend. Gleich am nächsten Tag gingen wir in mein Elternhaus, wo ich ein Studio eingerichtet habe, und schrieben einen Song.“

Luke, der bald darauf auf Pnaus Single “With You Forever“ gastierte, erntete mit The Sleepy Jackson weltweiten Erfolg mit seinen zwei gitarrenlastigen Alben Lovers’ (2003) und Personality: One Was A Spider, One Was A Bird (2006). Pnau dagegen wurden einer der international erfolgreichsten Acts der aufblühenden australischen Dance-Szene, und haben jüngst sogar mit den bekanntesten Glamrockern von Las Vegas, The Killers, gearbeitet. Trotz der Intensität, mit der Luke und Nick ihre vielfältigen eigenen Projekte verfolgten, gedieh die freundschaftliche und kreativ fruchtbare Beziehung zwischen ihnen.

„Als Künstler“, erklärt Luke, „sucht man nach Gleichgesinnten, und es gibt nicht wirklich viele Künstler, bei denen gleich die Funken schlagen. Es war eine Chance von eins zu einer Million, dass wir uns treffen und dann auch noch so gut verstehen. Wenn man es sich genau ansieht, gibt es nur wenige wirklich großartige Duos vom Kaliber Daft Punk oder Air.“

Schließlich schafften die beiden es im Jahre 2007, die verbliebenen Lücken in ihren Terminkalendern zu nutzen und für Aufnahmen zusammenzukommen. Kurz und intensiv waren diese Aufnahmesessions, bei denen Nick und Luke die treibenden Kräfte waren und Nicks Partner bei Pnau, Peter Mayes, als Toningenieur und Aufnahmeleiter in deren Studio in Sydney fungierte.

Luke erläutert: „Den Großteil des Albums haben wir tageweise eingespielt, wenn ich mal in der Stadt war, also mussten wir einen Song oft am selben Tag fertig kriegen und bis tief in die Nacht daran arbeiten. Wenn ich dann zwei Monate später wieder da war, nahmen wir wieder etwas auf. Es war also ein sehr spontaner kreativer Prozess, und das war gut so. Viele Songs bei Sleepy Jackson haben einen sehr langwierigen Entstehungsprozess. Dies war das erste Album, wo ich ein bisschen durchgeatmet habe. Alles lief wie von selbst.“

Neben dem musikalischen Ansatz hat das Duo noch viele andere ähnliche Interessen und Inspirationsquellen, zum Beispiel sind beide große Kinofans. Der Bandname basiert auf dem von Spielberg verfilmten Roman „Empire of the Sun” von J.G. Ballard. Er spielt während des Zweiten Weltkriegs im besetzten Schanghai.

Entscheidenden Einfluss auf die beiden hatte das legendäre avantgardistische Meisterwerk des Regisseurs Alejandro Jodorowsky, „The Holy Mountain“ von 1973. Der Film erzählt die Geschichte einer an Jesus erinnernden Figur, die eine Gruppe Jünger um sich versammelt und der Gesellschaft den Rücken kehrt, um das ewige Leben zu suchen.

Nick: „Wir hatten etwa ein Viertel der Aufnahmen stehen, als wir eine Abhandlung für einen Film verfassten, den wir zu dem Album drehen wollten. Wir schrieben ein richtiges Drehbuch und die Songs, die wir dann komponierten, wurden speziellen Szenen im Drehbuch zugeordnet. Es handelt von einer Art Entdeckungsreise, es ist wie ein Roadmovie ohne klare
Straßenführung.“

So bleibt festzuhalten, dass Walking On A Dream, das Album, das in der Folge dieser Zusammenarbeit entstand, in erster Linie einer filmischen Konzeption zugrunde liegt. In dem gleichen Maße, wie ihr Synthesizer-Popsound hier und da an die Musik der frühen 1980er erinnert, an New Romantics wie Gary Numan und Duran Duran, so hegen Empire Of The Sun auch das Ziel, die Vergänglichkeit von Popmusik im Zeitalter der MP3-Player zu überwinden. Mag ihre Musik auch voller Ohrwürmer und eingängiger Melodien sein, so entbehrt sie trotzdem nicht einer engen konzeptuellen Kohärenz.

Luke: „Bei diesem Album spielt sich viel unter der Oberfläche ab. Nick hat die Hälfte der Texte geschrieben. Einige davon erinnern an das, was man einem Mädchen sagen würde, dem man das Herz gebrochen hat, wenn man weiß, dass man nur noch wenige Minuten zu leben hat. Dieses Projekt ist von einem Höhepunkt zum nächsten gegangen, ohne dass wir uns dabei groß anstrengen mussten. Es ist, als hätte Gott seine Hand im Spiel. So sollte Musik sein.“

Empire Of The Sun haben einen großen Wurf hingelegt. Das merkt man auch daran, dass es schwierig ist, eindeutige musikalische Verweise zu finden. Ganz kurz sind Anleihen an Chics Hi-Tech-Disco zu hören, an Fleetwood Macs schimmernde Popsongs oder sogar an die träumerischen Phantasmagorien von Mercury Rev, aber dann sind diese Parallelen wieder wie weggezaubert, und andere Töne und Bilder nehmen stattdessen Form an.

Nick: „Wir sind wie Gefäße, die die Musik in die Zukunft zurückbringen, zurück zu Unterhaltung, Farbenfreude und allen möglichen überirdischen Phänomenen. Ein Großteil des Albums erscheint mir, als schwebten wir in der Galaxie und würden auf die Erde hinunter schauen. Wir wollten über prophetischere, tiefgründigere Dinge sprechen als Mädchen und Autos. Es gibt ein Wort, das Luke auf dem Album immer wieder verwendet: „surrender“, sich ergeben oder hingeben. Wir wollten uns dieser höheren Berufung hingeben, uns dem Projekt ausliefern. Wir wollten der Welt wieder etwas geben, woran die Menschen wirklich glauben können, und wir wollen sie auf keinen Fall enttäuschen.“

Dementsprechend wird das Duo in den folgenden Monaten die audiovisuelle Vision für ihre Band, ihre Schöpfung, weiter ausarbeiten. Für den Titelsong ihres Albums haben sie bereits in Schanghai, wo Spielbergs Film spielt, ein Video aufgenommen. Luke findet: „Es war reinstes Technicolor. Wir kamen uns wie Kriminelle vor, denn es ist illegal, dort zu filmen. Wir mussten uns im Auto schminken.“ Es versteht sich von selbst, dass sie mit ihren exotischen Kostümen nicht gerade in der Menge untergingen, und tatsächlich wären sie fast verhaftet worden.

Weitere Videoclips sollen in Mexiko, Island und Las Vegas gedreht werden, um letzten Endes als visuelle Untermalung für ihre ersten extravaganten Liveshows zu dienen, die für 2009 geplant sind. Bei der außergewöhnlichen Geschichte, die jeden der beiden Bandgründer prägt, und angesichts der überwältigenden Pracht ihres Debütalbums darf man wohl getrost davon ausgehen, dass ihre irdischen Shows vor Unterhaltung, Farbenfreude und allen möglichen überirdischen Phänomenen nur so überborden werden.
Weitere News...