Musik an sich


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Homilius, G.A. (Kreile)

Johannespassion


Info
Musikrichtung: Klassik

VÖ: 05.02.2007

Carus Verlag / Note 1 (2 CD, DDD (AD: 2006) / Best.nr. 83.261)

Gesamtspielzeit: 119:08

Internet:

Dresdner Kreuzchor

Carus Verlag



EIN GLORIA ZUR PASSION

Das vor wenigen Jahren wiederentdeckte Archiv der Berliner Sing-Akademie erweist sich als wahres Schatzkästlein und fördert immer neue, bemerkenswerte Werke der deutschen Musikgeschichte zutage. So wurde dort auch die bis dahin unbekannte "Johannespassion" des Dresdner Kreuzkantors Gottfried August Homilius (1714-1785) wiederentdeckt. Der Stuttgarter Carus Verlag, der in den letzten Jahren eine Homilius-Renaissance zu befördern versucht, hat dieses Opus nun passend zur Fastenzeit auf den Markt gebracht (und daneben - in anderer Besetzung - auch noch eine Einspielung von Homilius´ Passionskantate, Carus 83.262).

Den Reiz an der wohl um 1770 herum entstandenen Johannespassion begründen weniger die eher schlicht gehaltenen Arien, die sich aufgrund ihrer idealisierten Gefühlswelt und Melodienseeligkeit mit dem ja durchaus auch dramatische Passionsgeschehen für unsere Begriffe nur schwer in Einklang bringen lassen. Interessant sind vielmehr die vielfältigen Choreinsätze. Zur Veranschaulichung des Geschehens setzt Homilius, wie schon Bach, auf Turba-Chöre, die die Äußerungen der Volksmassen und verschiedenen Volksgruppen in der Passionsgeschichte übernehmen. Dem treten die einfach strukturierten Choralsätze gegenüber, die insofern als Ruhepol und Identifikationsstellen für die Gemeinde dienen. Die erläuternden Arien sind weniger zahl- und umfangreich als bei Bach, so dass Homilius´ Passion deutlich kürzer ausfällt und stringenter auf das Ende der Erzählung zuläuft. Die Gestaltung der Rezitative mit dem wechselnden Vortrag zwischen Evangelisten und den handelnden Personen folgt dem im 18. Jahrhundert üblichen Schema.

Äusserst bemerkenswert ist ein Choralsatz in der Mitte des Werkes, der gleichsam dessen theologischen Dreh- und Angelpunkt bildet: Nachdem Jesus zu Pilatus gesagt hat "Mein Reich ist nicht von dieser Welt (...)", setzt völlig unvermittelt ein strahlender Chorsatz mit voller Orchesterbesetzung und hervortretenden Hörnern ein. Der Chor intoniert "Gloria sei Dir gesungen" und besingt mit dieser Strophe aus dem zur Vorweihnachtszeit bzw. zum Ende des Kirchenjahres gehörenden Choral "Wachet auf, ruft uns die Stimme", das jenseitige Reich Gottes in seiner ganzen Pracht. Gleich danach wird die Passionsgeschichte wieder rezitativisch fortgesetzt.

Die Blechbläser lässt Roderich Kreile, als Kreuzkantor einer der Nachfolger Homilius´, an dieser Stelle mit fast jazzigem Swing agieren. Auch im Übrigen hat er den Dresdner Kreuzchor und das Dresdner Barockorchester bestens im Griff, die beide gleichermaßen kraftvoll wie kultiviert zu Werke gehen. Der Chor singt nicht allein sauber und tonschön, sondern auch sehr vital, was die Aufnahme angenehm abwechslungsreich macht. Im dem einzigen freien Chorsatz, der den Schluß der Passion bildet ("O Gottes Lamm"), kann er seine Qualitäten bestens zur Geltung bringen. In diesem bewegenden Schlußstück lässt Homilius´ mit großem Geschick sich aus einer betrübten Passionsstimmung eine freudige Zuversicht aufgrund der "Früchte" dieses Leidens entwickeln. Diese musikalische Entwicklung vollzieht sich in ganz kleinen Schritten, mündet aber schließlich in einen echten Lobgesang.

Die Leistung der Solisten in den Arien ist nicht durchweg auf allerhöchstem Niveau angesiedelt. Von Anfang an souverän singt Tobias Berndt die Bassarien, während Jan Kobow in seiner ersten Arie noch etwas blass wirkt, als Evangelist aber überzeugt und auch die weiteren Arien mühelos meistert. Der Countertenor Franz Vitzthum wartet mit einer angenehm runden, warmen Tongebung auf, welcher allerdings häufiger die Klarheit der Artikulation zum Opfer fällt. Von der Sopranistin Jana Reiner hätte man sich einen glutvolleren Vortrag gewünscht. Vor allem der Auftritt an zentraler Stelle im Sopranduett "Wir weinen dir und deiner Tugend" wird von beiden Sopranistinnen nicht eindringlich genug gestaltet.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Jana Reiner, Katja Fischer - Sopran
Franz Vitzthum - Countertenor
Jan Kobow - Tenor
Tobias Berndt, Clemens Heidrich - Bass

Dredner Kreuzchor
Dresdner Barockorchester

Ltg. Roderich Kreile



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