Ian Paice & Purpendicular spielen sich durch die Geschichte des legendären Schlagzeugers




Info
Künstler: Ian Paice & Purpendicular

Zeit: 27.01.2024

Ort: Winterbach - Lehenbachhalle


Deep Purple habe ich schon häufig live gesehen, das letzte Mal beim „Lieder am See“-Festival 2022. Ian Paice solo schaue ich mir heute zum ersten Mal an. Mit Purpendicular hat er eine Band dabei, die sich jeden Abend aufs Neue vor ihren großen Idolen Deep Purple verneigt. Die Organisatoren der „Kulturinitiative Rock Winterbach“ beweisen mit ihren musikalischen Verpflichtungen seit vielen Jahren ein glückliches Händchen. Ich habe mir dort schon Jimmy Barnes, Glenn Hughes, John Fogerty und den legendären Ian Hunter angeschaut. Keine schlechte Visitenkarte, oder?

Das Konzert findet in der Lehenbachhalle mit einem Fassungsvermögen von 500 Gästen statt und ist bereits seit langem ausverkauft. Purpendicular gehören für mich neben Demon’s Eye zu den prominentesten Vertretern. Sie touren regelmäßig mit Ian Paice. Mit anderen Musikern aus dem Purple-Universum waren sie auch schon unterwegs – darunter mit Joe Lynn Turner oder Roger Glover. Außerdem hat Paice bei ihrem Album Human Mechanic von 2022 Schlagzeug gespielt, was einem Ritterschlag gleichkommt.

Die Halle ist ausverkauft, aber nicht übervoll. Das gefällt mir. Man kann hier gut tanzen und abrocken, ohne dass man sein Umfeld ständig nervt. Essen und Getränke gibt es hier zu fairen Preisen, so muss das sein. Eine Vorband gibt es nicht. Purpendicular legen pünktlich um 20.15 Uhr los und lassen nach einem mystischen Intro den klassischen Opener „Highway Star“ vom Stapel. Der Sound ist glasklar, perfekt ausgesteuert und macht riesigen Spaß. Im Hintergrund sitzt der Star des Abends, der legendäre Ian Paice. Er ist der einzige bei Deep Purple, der seit der Bandgründung immer dabei war. Sänger Robby Thomas Walsh ist ständig in Bewegung und lässt bereits beim ersten Lied eine deutliche Ähnlichkeit zu Ian Gillan erkennen. Dass er mit Überzeugung bei der Sache ist, merkt man sofort. Er singt mit viel Energie, hat eine klasse Stimme und nimmt häufig Kontakt zum Publikum auf. Seine Sprüche und Geschichten zwischen den Songs bringen dem Iren viel Applaus ein.

Die Setlist ist sehr abwechslungsreich. Ganz ehrlich: Mit Whitesnake-Songs habe ich nicht gerechnet. Aber ich freue mich natürlich und nehme alles mit, was heute geboten wird. „Walking In The Shadow Of The Blues“ kommt sehr überzeugend rüber und klingt auch mit nur einer Gitarre in Kombination mit einer starken Hammond klasse. Gitarrist Herbert Bucher spielt sehr stilvoll und orientiert sich eher bei Steve Morse, als bei Ritchie Blackmore. Mit einem meterbreiten Grinsen haut er Riff um Riff raus und spendiert gehaltvolle Solos.

Mit „Human Mechanic“ und „No One’s Getting Out Alive“ werden zwei Stücke von dem aktuellen Album der Band präsentiert. Es ist erfrischend, Paice in diesem kleinen Rahmen zu sehen und ihn bei seinem Spiel zu beobachten. Er ist einer der besten seiner Zunft. Mit viel Gefühl und fast in der Tradition eines Jazz-Schlagzeugers spielt er sich durch das Set, das ihn zwar fordert, er aber mühelos bewältigen kann. „Lazy“ gerät zur musikalischen Achterbahnfahrt, bei dem alle ein bisschen improvisieren und dem Klassiker einen neuen Anstrich verpassen. Funky wird es bei Whitesnakes „Ready And Willing“. Ian Gillan meets Whitesnake – man kann sich gut vorstellen, wie Gillan das Stück gesungen hätte.




Die Stimmung im Publikum ist bestens. Man merkt, dass der Funke zwischen Band und Fans schon lange übergesprungen ist. Der coole Bassist Nick Fyffe, der bei Jamiroquai und The Temperace Movement gespielt hat, harmoniert perfekt mit Paice. Der italienische Keyboarder spielt hervorragend und lässt den legendären Jon Lord wieder aufleben. „Pictured Within“, die Hommage an Lord, gibt die Gelegenheit für eine kurze Verschnaufpause. „Black Night“, bei dem viel mitgesungen wird, und das unkaputtbare „Perfect Strangers“ halten das Partylevel auf hohem Niveau. „Space Truckin’“ sorgt für Bewegung und drückt wieder auf das Gaspedal. Das Konzert ist äußerst kurzweilig und die Zeit scheint wie im Flug zu vergehen.

Paice lässt es sich nicht nehmen, ein paar persönliche Worte ans Publikum zu richten. Der jung gebliebene Musiker betont, dass er es sehr genießt, vor kleinerem Publikum zu spielen. Er mag den direkten Kontakt und bedankt sich für die jahrelange Unterstützung. Zum Schluss prostet er dem Publikum mit seiner „Medizin“, Jack-Daniels-Cola, zu und begibt sich wieder hinter sein Schlagzeug. „Smoke On The Water“ gibt dem Publikum die Möglichkeit, seine gesanglichen Qualitäten unter Beweis zu stellen.

Die Mark-III-Nummer „Stormbringer“ fegt zum Schluss wie ein Gewitter übers Publikum. Walsh röhrt hier noch einmal alles in Grund und Boden und macht den Song zu einem Rausschmeißer, der nach all den Jahren nichts von seiner Faszination verloren hat. Nach 110 Minuten ist dann gefühlt viel zu früh Schluss. Winterbach feiert seine Helden, die Musiker sind bestens gelaunt. Wohin man schaut, blickt man in glückliche Gesichter. Paice hat mit seiner Band über viele Jahre geniale, zeitlose Musik erschaffen, die nach wie vor live funktioniert. Deep Purple spielen am 21.7.2023 im Winterbacher Zeltfestival, das Konzert war innerhalb von 12 Tagen restlos ausverkauft. Daran sieht man, wie ungebrochen die Faszination für diese einzigartige Band ist.


Setlist:
1. Highway Star
2. Walking in the Shadow of the Blues
3. Hush
4. Human Mechanic
5. Lazy
6. Ready an' Willing
7. No One's Getting Out Alive
8. Ain't No Love in the Heart of the City
9. Black Night
10. Pictured Within
11. Perfect Strangers
12. Space Truckin'
13. Smoke on the Water
14. Stormbringer





Stefan Graßl



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