Diverse Lautenmusik (Gondko, M.)

Mortua dulce cano - Ein Florilegium von Lautenmusik der Spätrenaissance


Info
Musikrichtung: Renaissance Laute

VÖ: 04.03.2022

(Ramée / Note 1 / CD / DDD / 2020 / Best. Nr. RAM 2007)

Gesamtspielzeit: 64:47



DOPPELTES RARITÄTENKABINETT

Eine Platte mit Raritäten im doppelten Sinne: Michal Gondko spielt weitgehend unbekannte Lautenmusik-Kostbarkeiten der Spätrenaissance auf einem originalen Instrument, der sogenannten „Presbyter“-Laute, die wohl im Jahr 1595 in Padua von einem anonymen Meister (um)gebaut wurde, wie der Rest eines eingeklebten Zettels verrät. Sie gehört damit zu den ältesten noch spielbaren Instrumenten ihrer Art. Der Name kommt daher, dass sie in den 1970er Jahren irrtümlich als eine Schöpfung von „Martino Presbyter“ deklariert wurde und diese Bezeichnung beibehielt. Decke und Korpus, die für den Klang wesentlichen Bestandteile, sind noch im ursprünglichen Zustand. Nach vielfachen Restaurierungen und Erweiterungen wurde das Instrument 1996 in den mutmaßlich ursprünglichen siebenchörigen Zustand zurückversetzt.

Gondko wurde das Instrument von seinem heutigen Besitzer Andreas Schlegel für ein CD-Projekt angeboten. Die Covid-Pandemie bedingte Zwangspause des Konzertbetriebs eröffneten dem Künstler die Möglichkeit zu umfassenden Quellenstudien, um geeignetes Repertoire für ein Programm zusammenzustellen. Dass er die Qualitäten des berühmten Instrument nicht mit Werken aus der Feder eines einzelnen, ebenso berühmten Komponisten (z. B. John Dowland), sondern mit einem breiten Querschnitt durch das europäische Repertoire vor Ohren (ohne den omnipräsenten John Dowland) führt, kann man nur begrüßen! Das Quellenverzeichnis im Booklet nennt sechs gedruckte und siebzehn handschriftliche Sammlungen, aus denen Gondko das Programm zusammengestellt hat.

Es ist eine Wonne, sich hindurchzuhören. Zur stilistischen Bandbreite – z. B. Präludien, Tänze, Fantasien, Intabulationen von Vokalstücken – kommen die handverlesenen klanglichen Signaturen der (un)bekannten Komponisten, unter denen sich einige echte Entdeckungen befinden. Es sei hier nur das letzte Stück herausgegriffen, das anonym überlieferte „Toys“ aus der Sammlung von Jane Pickeringe, einer offenbar begabten englischen Lautenistin (und möglicherweise auch die Autorin des Stücks). Der Titel dieser minimalistischen Preziosen, die ein wenig satienesk anmuten, wird zum Programm, da Gondko sie improvisierend variiert und ausziert – dialogisches Musizieren im schönsten Sinne.

Aus konservatorischen Gründen sind die Saiten der „Presbyter“ nur so stark gespannt, wie es gerade nötig ist. Der Klang ist dadurch etwas dunkler, aber gerade dadurch auch warm und sonor, in manchem Momenten geradezu glockig, aber stets klar. Gondko entlockt der „Presbyter“ einen exquisiten Klang, sehr geschmeidig und zugleich akzentuiert und frei von grifftechnisch bedingten Nebengeräuschen. Sinnliche Transparenz und ein genaues Gespür für die musikalischen Charaktere zeichnet sein Spiel aus – beste Voraussetzungen für dieses facettenreiche altmeisterliche Programm.



Georg Henkel



Besetzung

Michal Gondko, „Presbyter“-Laute von 1595


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