Quiet Riot
Hollywood Cowboys
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Mit der im Titel des dritten Quiet-Riot-Albums besungenen Metal Health war es bei diversen Bandmitgliedern bekanntlich nicht weit her. Von den beiden Gründern weilt Sänger Kevin Dubrow seit 2007 nicht mehr unter uns, und Gitarrist Randy Rhoads kam sogar schon 1982 bei einem Flugzeugunfall ums Leben, nachdem er nach der zwischenzeitlichen Auflösung Quiet Riots bei Ozzy Osbourne angeheuert und dessen erste beide Alben eingespielt hatte. Drummer Frankie Banali wiederum stieß zu Metal Health zur Band und zeigte sich in den folgenden Jahrzehnten immer wieder als der Motor, der auch nach Dubrows Tod für die Weiterexistenz der Formation sorgte. Wer diese Rolle in Zukunft spielen wird bzw. ob es überhaupt jemand tut, bleibt gespannt abzuwarten: Hollywood Cowboys ist Banalis letztes Album mit Quiet Riot – 2020 hat er den Kampf gegen den Krebs verloren und wurde am Drumkit erstmal durch Johnny Kelly (ja, der von Type O Negative!) ersetzt. „Happy trails to you...until we meet again“ steht als Banalis letzter Satz im Booklet, also war ihm zu diesem Zeitpunkt möglicherweise schon klar, dass seine Erdentage gezählt sein würden. Von den Achtziger-Mitgliedern ist aktuell also nur noch Bassist Chuck Wright dabei, dessen frühere Beziehung zur Band einem Opt-in-opt-out glich, während letzteres in jüngerer Vergangenheit eher für den Sängerposten galt: Jimmy Durbin, der Hollywood Cowboys eingesungen hat, ist mittlerweile nicht mehr an Bord und durch seinen Vorgänger Jizzy Pearl (genau, der von Love/Hate) ersetzt worden.
Nimmt man Durbins Leistung auf dem aktuellen Album als Maßstab, muß sich Pearl allerdings ganz schön strecken, sollte es tatsächlich zu weiteren Quiet-Riot-Alben kommen: Durbin macht seine Sache nämlich richtig gut. Seine Stimme erinnert etwas an die von Michael Bormann, und die gekonnten Lead-Backing-Vokal-Arrangements verleihen dem Material eine äußerst angenehme AOR-Schlagseite, wenngleich diese mit dem, wofür man Quiet Riot von Metal Health her kennt, nicht sonderlich viel zu tun hat. Nur eins kann Durbin nicht, nämlich Blues singen, weswegen „Roll On“ scheitert und eine unentschlossen wirkende Blues-AOR-Mixtur ergibt, die irgendwie weder Fisch noch Fleisch darstellt. Das ist auch so ein bißchen das Grundproblem von Quiet Riot: Im Songwriting wollen sie bisweilen zuviel, und nicht jede Ideenkombination funktioniert tatsächlich besser als die hypothetische Idee, beide Ideen zu eigenständigen Songs auszuarbeiten. „In The Blood“ gibt ein passendes Beispiel für diese These ab: Den verschleppten Strophenteil hätte man durchaus für ein experimentelleres Stück Musik nutzen können, aber an den hervorragenden melodicrockigen Refrain will er irgendwie überhaupt nicht passen, und letzterem hätte man wiederum einen entsprechenden passenden Strophenteil gewünscht, um eine grandiose AOR-Nummer zu erschaffen. Auch die Tempoverharrungen im ansonsten erbarmungslos speedigen „The Devil That You Know“ muten eher übermotiviert an, und dabei ist der Song mit seinen 2:40 Minuten schon kurz genug, dass keine Notwendigkeit besteht, ihn etwa wegen Überlänge zwanghaft irgendwie interessanter gestalten zu müssen. Überhaupt fällt die relative Kompaktheit des Materials auf: Der Blues fällt mit knapp sechs Minuten aus dem Rahmen, während über die Hälfte des Zwölfersets eher knackige Kürze aufbietet und drei Nummern nicht mal über die Dreiminutengrenze springen. Dabei ist die hohe Geschwindigkeit nicht zwingend den kürzeren Nummern vorbehalten: „Insanity“, mit 4:25 Minuten der zweitlängste Song der Scheibe, baut sich auf speedlastiger Grundlage auf, wenngleich diese dann plötzlich verschwindet und immenser stampfender Härte Platz macht, mit der Quiet Riot in den Power Metal vorstoßen, aber trotzdem den Eindruck hinterlassen, als ob sie mit angezogener Handbremse losfahren wollen, die dann auch bis zum Songende nicht mehr gelöst wird, die angestaute Energie sich also nicht entladen kann. Nicht jede Idee wirkt bis zum Ende gedacht – man nehme mal den Stampfer „Hellbender“, wo der harmonische Unterbau des Refrains durchaus einige Fragezeichen im Hirn des Hörers hinterläßt, was sich Banali und sein Songwriting-Kompagnon Neil Citron dabei gedacht haben könnten. Citron, der übrigens auch für Aufnahme, Mix und Mastering von Hollywood Cowboys verantwortlich zeichnet, gehört nicht fest zur Besetzung, spielte aber beispielsweise das Wurlitzer-Piano in „Roll On“ und damit die nahezu einzigen Tastenklänge des Albums ein, das ansonsten abgesehen von einigen Backgroundflächen, die z.B. dem Solo von „Wild Horses“ einen schönen raumgreifenden Effekt verleihen, und einigen Hammondelementen keyboardfreie Zone bleibt – Alex Grossi an der Gitarre, seit dem 2004er Neustart an Bord, dominiert das Geschehen eindeutig. In der balladesken Einleitung von „Holding On“ greift er auch mal zur Akustischen, wobei sich der Song dann aber nicht zu einer Ballade entwickelt, sondern in rhythmisch bisweilen etwas komplizierten Melodic Rock mündet. Irgendwie ist es schade, dass das Gros des Albums nicht das hält, was der kompetente Hardrock des Openers „Don’t Call It Love“ verspricht – weniger wäre an manchen Stellen wirklich mehr, und sogar der mit knapp über zweieinhalb Minuten kürzeste Song der Scheibe, „Last Outcast“, scheitert an der Aufgabe, die Zusammengehörigkeit zwischen dem stampfenden und dem genialen speedigen Part zu beweisen. Vielleicht erschließt sich manche Idee schrittweise doch noch, aber im melodischen Hardrock gibt es konsistentere Scheiben als das allerdings immerhin optisch coole Hollywood Cowboys (nein, der Mund-und-Nasen-Schutz des Coverhelden hat nichts mit diesem gewissen Virus zu tun), wenngleich die Vocals wirklich einen Grund bilden, dass derjenige, der Michael Bormanns Stimme beispielsweise von dessen Soloscheiben oder gar noch von Letter X her kennt und schätzt, hier zumindest mal reinhören sollte.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Don’t Call It Love | 4:05 |
2 | In The Blood | 3:28 |
3 | Heartbreak City | 4:15 |
4 | The Devil That You Know | 2:40 |
5 | Change Or Die | 3:23 |
6 | Roll On | 5:53 |
7 | Insanity | 4:25 |
8 | Hellbender | 3:20 |
9 | Wild Horses | 3:09 |
10 | Holding On | 4:23 |
11 | Last Outcast | 2:35 |
12 | Arrows And Angels | 2:55 |
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Besetzung |
James Durbin (Voc)
Alex Grossi (Git)
Chuck Wright (B)
Frankie Banali (Dr)
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