Albert, H. – Scheidt, S. – Schütz, H. u.a. (Mields, D. – Hathor Consort)
Heinrich Albert’s Pumpkin Hut
|
|
Info |
Musikrichtung:
Barock Ensemble
VÖ: 05.03.2021
(Ramée / Note 1 / CD / 2019 / Best. Nr. RAM1913)
Gesamtspielzeit: 76:19
|
|
|
EPOCHENPORTRÄT AUS DER „MUSICALISCHEN KÜRB(I)S HÜTTE“
Während der Dreißigjährige Krieg vor allem im Gebiet des Deutschen Reiches die schrecklichsten Verheerungen hinterließ und ganze Landstriche entvölkerte, behauptete sich das ostpreußische Königsberg aufgrund seiner abgelegenen Lage als Oase des Friedens. Der Ort zog zahlreiche Flüchtlinge an, darunter Intellektuelle, Künstler – und Musiker. Zum Beispiel Heinrich Albert (1604-1651), der ein Schüler und Cousin von Heinrich Schütz war, später auch beim Thomaskantor Hermann Schein studierte und ab 1630 Domorganist in Königsberg wurde. Berühmt wurde Albert für seine zahlreichen Lieder, die in geselliger Runde mit befreundeten Dichtern in seiner „Kürbishütte“ entstanden. Diese Gartenlaube, die er als Rankhilfe für die gleichnamigen Früchte errichtet hatte, war bis zu ihrer Zerstörung – sie musste ganz profan dem Straßenbau weichen – ein berühmter Treffpunkt für die kulturelle Elite der Stadt, eine regelrechte „Marke“ für die aktuellen künstlerischen Strömungen, die in Königsberg zusammenkamen.
Die Sängerin Dorothee Mields und das Hathor Consort haben sich nun Alberts prominenter Liedersammlung angenommen und daraus ein fünfteiliges Tableau kreiert – nicht nur mit Alberts geistig-moralisch-poetischen Unterhaltungs- und Erbauungsstücken auf die Texte seiner Dichterfreunde, sondern überdies mit Stücken von Zeitgenossen wie eben Heinrich Schütz oder Samuel Scheidt. Die Epoche des Dreißigjährigen Krieges hat in der Musik dieser Zeit vielfältige Spuren hinterlassen: Zahllos sind die Klagegesänge und Hoffnungsmusiken angesichts der Bedrängnisse; Lebenslust und Todesangst liegen da oft nahe beieinander. Trauer, Verzweiflung, Kriegslärm, vergängliche Sinnes- und Liebesfreuden finden in den von Albert vertonten Texten einen oft erstaunlich frischen und spontan wirkenden Ausdruck: Man ist gleichsam dabei, wenn die deutsche Dichtung ihre eigene Stimme findet.
Überschrieben sind die verschiedenen Tableaus mit Titeln wie „Krieg“, „Fragiler Waffenstillstand“ oder „Deutschland schreit nach Frieden“; darunter findet sich jeweils eine passende Mischung aus Alberts Liedern, instrumentalen Zwischenspielen (meist Tänze aus der Sammlung "Ludi Musici" von Scheidt) und weiteren Vokalwerken anderer Komponisten. Dabei vollziehen sich die Wechsel oft so selbstverständlich, als seien diese „Suiten“ immer schon so gedacht gewesen.
Alberts Kompositionen sind dreistimmig für Stimme und Begleitung gesetzt. Um aber die zum Teil ganz unterschiedlich und auch für größere Vokalformationen komponierten Stücke (z. B. Motetten von Johann Bach und Schütz) mit einer Singstimme ausführen zu können, wurden sie eigens bearbeitet – auch im 17. Jahrhundert eine gängige Praxis, zumal es in Kriegszeiten oft an Sängern, aber auch Instrumentalisten, fehlte.
Auf der vorliegenden Aufnahme übernehmen die Instrumente daher gelegentlich die zusätzlichen oder auch sämtliche Vokalpartien. Es bleibt dann die Oberstimme, die mit dem farbigen und wandlungsfähigen Sopran von Dorothee Mields sehr ansprechend besetzt ist. Ob nun ein dramatischer, melancholischer, frommer oder auch koketter und humorvoller Ton gefordert ist, Mields findet immer den rechten Zugang zu den Werken. Insbesondere Alberts Lieder, so kurz sie oft sind, decken ein breites Spektrum an Affekten und Stimmungen ab, die Mields sehr überzeugend realisiert.
Das Hathor Consort bietet eine farbige frühbarocke Ensemblebesetzung auf: Mit Zink, Gambenconsort, Harfe und Orgel hat man für alle Anlässe das richtige Instrumentarium parat. Der Ton ist angenehm ungekünstelt und direkt und findet in der Begijnhofkerk Sint-Truiden in Belgien einen natürlich klingenden Resonanzraum.
So entsteht ein faszinierendes Epochenporträt, das die Kunst Heinrich Albert im Kontext seiner Zeit bestens illustriert. Viel zum Verständnis trägt auch der profunde Booklettext von Annika Loges bei.
Georg Henkel
Besetzung |
Dorothee Mields, Sopran
Hathor Consort
Romina Lischka, Sopran-Gambe und Leitung
|
|
|
|