Beethoven, L. v. (Bezuidenhout, K. - Heras-Casado, P)

Klavierkonzerte Nr.2 & 5


Info
Musikrichtung: Klassik Klavierkonzert

VÖ: 31.01.2020

(Alpha / CD / DDD / 2019 / Best. Nr. HMM 902411)

Gesamtspielzeit: 62:00



FESTLICH UND SPIELERISCH!

"Emperor" - diesen Beinamen hat Ludwig van Beethovens füntes und letztes Klavierkonzert. "Emperor" - das gemahnt an fürstliche Macht und Pracht und Herrlichkeit und tatsächlich ist das Werk 1811 vom österreichischen Erzherzog Rudolph, einem Gönner Beethovens, uraufgeführt worden. Gewiss hat auch die "heldische Tonart" Es-Dur, die Beethoven für vergleichbare Kontexte - z. B. die 3. Sinfonie oder die Eroica-Variationen benutzte - ihren Anteil an der Namensgebung.

Aber in dieser Neueinspielung mit Kristian Bezuidenhout und dem Freiburger Barockorchster unter Pablo Heras-Casado ist Beethovens Musik ganz frei von pompös-herrischen Gesten. Alles "Herrschaftliche" oder "Heldische", so es denn dem Stück überhaupt einkomponiert wurde, ist nach dem kraftvoll-akkordischen Beginn ins Festliche, ins Freudig-Spielerische gewendet.
Die Spannungen im ersten Satz haben nichts von "Krisen", die überwunden werden, sondern von einem souveränen musikalischen Hochseilakt, der die Hörenden das Staunen lehrt. Der Klavierpart klingt auf dem Nachbau eines historischen Graf-Flügels von 1824 quecksilbrig-perlend, auftrumpfend burlesk, auch kunstvoll-akrobatisch und dann wieder ungemein zart und intim.
Die Freiburger, die schon lange ihrem ursprünglichen barocken Repertoire entwachsen und weit in die klassisch-romantischen Regionen vorgedrungen sind, "begleiten" unter ihrem Dirigenten auf Augenhöhe: ein warm und farbsatt leuchtendes Orchester, das die Musik generös aufblühen lässt und den organischen, tänzerisch-schwingenden Gesamteindruck nie durch irgendwelche Härten trübt.
In den vielen kammermusikalischen, introvertierten Momenten und vor allem im langsamen 2. Satz agiert man zusammen mit dem Solisten wie ein freundschaftlich eingespieltes Consort. Wieviel Hochklassik - und vielleicht auch noch letzte Ahungen einer verklungenen Rokoko-Welt - stecken in dieser Musik! Und wie viel an ungewöhnlichen Einfällen und Wendungen, die die Musik in die romantische Zukunft dieses Reperoire katapultiert, kann man hier schon hören! Im 2. Satz grüßt Chopin ja nicht nur von Ferne ...
Man erlebt auch, wie Bezuidenhout die Partitur quellenkritisch durchleuchtet, wie er in vielen Details der Phasierung und Artikulation eigene Lösungen anbietet, ohne die Musik mit philologischen Tüfteleien zu überfrachten. Die Musik darf sich bei ihm frei und lebendig ausspielen. Man ahnt auch, dass Beethoven in diesem Werk an eine Grenze geht oder sie sogar überschreitet: Das Fortepiano mag im Live-Konzert unter Druck geraten, es ist kein moderner Steinway - der wiederum klingt in diesem Kontext ja oft allzu breit und wuchtig. Da hat die umsichtige Tontechnik sicherlich für die nötige Balance gesorgt!

Im 2. Klavierkonzert, das eigentlich Beethovens erstes ist, scheint das Kräfteverhältnis entspannter. Die Besetzung ist kleiner und das Klavier steht stets im Vordergrund, wird zwar prächtig, aber weniger vielfarbig und schillernd von Orchester sekundiert. Da konnte der junge Beethoven auftrumpfen und sein Publikum "rocken". Tatsächlich wirkt dieses Konzert herrischer und rasanter im Gestus als das fünfte, ein letztes Wehen des "Sturm-und-Drang" befeuert es und man kann sich gut vorstellen, wie Beethoven die Ohren seines Publikums mit griffigen Themen, kernig gesetzen Akkorden und brillanten Läufen sozusagen "aufs Korn" genommen hat. Mit Erfolg gelingt das auch Bezuidenhout und den Freiburgern!

Ein starker Start ins Beethoven-Jahr bei Harmonia Mundi, dem noch manche Neueispielung folgen soll. Die Klavierkonzerte jedenfalls sind in dieser Besetzung schon alle aufgenommen.



Georg Henkel



Trackliste
101-03 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73
2 04-06 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 19 (Kadenz: Robert D. Levin)
Besetzung

Kristian Bezuidenhout, Fortepiano nach Graf (1824)

Freiburger Barockorchester



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