Tom Robinson
Living in a Boom Time
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Ja! Dieser Tom Robinson ist genau der Tom Robinson, der Ende der 70er die Welt mit Songs wie „2,4,6,8 Motorway“ und „Up against the Wall“ aufgemischt hat. Musikalisch ist von dem damaligen Proto-Punk nichts mehr zu hören. Aber die Wut ist geblieben.
1992 blickt der politisch wache Tom Robinson auf die Thatcher-Dekade zurück und er zieht in den Texten eine vernichtende Bilanz. Hoffnungsvolle Lebensentwürfe verenden in drögen 08/15 Jobs. Einst aufmüpfige Jugendliche verstricken sich in denselben Mustern, die sie anfangs verspottet hatten. Junge Lieben erstarren in Kompromissbeziehungen. Deprimierend!
Da bleibt nichts als die Klappe aufzumachen. Robinson macht das anno 92 fast alleine – in der Regel mit der akustischen Gitarre, einer 12-saitigen, wenn mich das Ohr nicht täuscht. Gelegentlich setzt er sich auch ans Piano. Und zum Ende hin darf Ciaran Wilde als Gast auch mal ins Saxofon blasen.
Das kann mal sehr karg und spröde klingen, wie bei den „Blood Brothers“, die beide verlieren. Der eine begräbt sein Leben in einem 9 to 5 Job; und der andere, der sich dem entzieht, fällt völlig aus dem Raster. In der Regel aber gibt Tom Robinson mit der Gitarre Gas und holt aus ihr so viel Power raus, wie manche Rock-Band nicht aus ihren Verstärkertürmen. Das gilt z.B. gleich beim eröffnenden Titelsong, aber auch bei dem fiebrigen „Rigging it up, Duncannon“.
Auch wenn das Album sich nicht groß als Live-Album verkauft, sind wohl alle Stücke live in unterschiedlichen Clubs aufgenommen worden. Mit den Händen greifbar dicht wird die Stimmung, wenn Robinson „My own sweet Way“ mit einer fast zweiminütigen Ansage einleitet und die Geschichte eines Mannes erzählt, der in einer Gegend Edinburghs aufgewachsen ist, die Gaza-Strip genannt wurde. Die Flucht in die Armee endete in Kriminalität, Drogen und Knast. Am Ende steht die AIDS-Diagnose mit einem halben Jahr Lebenserwartung. Aber plötzlich bekommt der Typ sein Leben auf die Reihe, die Sucht in den Griff und überlebt die Diagnose um Jahre.
Ähnlich ist der Gesamtaufbau des Albums. Am Ende ist ein Silberstreif am Himmel. Das melancholische „War Baby“, das über einen in Depressionen versinkenden Soldaten spricht, steht zwischen einem fröhlichen Spottlied über Brit-Hooligans, die den Ruf ihres Landes europaweit versauen, und einem optimistisch folkigen Rückblick in die guten Jahre, bei dem auch wieder das Sax röhrt.
Klasse Scheibe, die den Test of Time musikalisch und textlich locker bestanden hat.
Norbert von Fransecky
Trackliste |
1 | Intro | 1:00 |
2 |
Living in a Boom Time | 3:55 |
3 |
Blood Brothers | 4:31 |
4 |
More Lives than one | 2:44 |
5 |
Yuppie Scum | 3:05 |
6 |
My own sweet Way | 4:10 |
7 |
Castle Island | 4:24 |
8 |
Rigging it up, Duncannon | 3:26 |
9 |
The Brits come rolling back | 3:18 |
10 |
War Baby | 4:31 |
11 |
Back in the ould Country | 3:48 |
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Besetzung |
Tom Robinson (Voc, Git, Keys)
Gäste:
Ciaran Wilde (Sax <10>)
Peter Stewart (Back Voc <11>)
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