Musik an sich


Reviews
Marais, M. (Joubert-Caillet, F.)

Pièces favorites


Info
Musikrichtung: Barock Kammermusik Gambe

VÖ: 05.02.2016

(Riccercar / CD / DDD / 2014-2015/ Best. Nr. Ric 364)

Gesamtspielzeit: 75:53



VERHEISSUNGSVOLLE OUVERTÜRE

Über 600 Kompositionen für Viola da Gamba hat Marin Marais in seinen fünf Büchern hinterlassen. Das ist ein ganzer Kosmos, geschaffen im Laufe von 40 Jahren. Kein Wunder, dass es dem Gambisten François Joubert-Caillet zunächst die Sprache verschlug, als ihm der Leiter des Lables Riccercar, Jérôme Lejeune, angeboten hat, erstmals eine vollständige Gesamteinspielung zu unternehmen. Schließlich aber konnte er dann doch nicht widerstehen. Das Projekt wird einige Jahre in Anspruch nehmen.

Marais Lebenswerk ist trotz der Beschränkung auf ein (Haupt)Instrument sehr inspiriert, unerschöpflich in seiner Fantasie und voller Überraschungen. Das kann man schon bei dieser Auftaktaufnahme zu dem Mammutprojekt erleben. Es ist ein Art Ouvertüre aus Lieblingsstücken, Pièces favorites, die man zum Teil auch schon aus vergleichbaren Zusammenstellungen und nicht zuletzt aus dem Soundtrack zum Film "Die siebente Saite" (1991, Musik eingespielt von Jordi Savall) kennt.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass François Joubert-Caillet und seine Mitmusiker von L'Achéron eine vorzügliche Interpretation vorgelegt haben, die sowohl von den spieltechnischen Fertigkeiten des Primarius wie auch der fantasievollen Arrangments durch die "Begleiter" profitiert und für rund 80 Minuten einen in keinem Moment durch Langeweile getrübten Hörgenuss beschert.
Ob es sich um eine ergreifendes Solo, um Tänze oder malerische Charakterstücke handelt, stets frappiert der schöne, dunkle und reich modulierte Ton von Joubert-Caillets Gambe. Durch eine weitere Gambe, durch Cembalo, Erzlaute oder Gitarre werden Stimmungen herausgearbeitet und die Kontraste geschärft. So darf man sich mitunter wie Ludwig XIV. bei einer festlich-intimen kammermusikalischen Darbietung in Versailles fühlen, dann wieder durchstreift man die Schlossgärten und Wälder, tanzt eine Sarabende auf einem Ball oder fühlt sich in die Oper veresetzt, in der gerade ein musikalische Sturmimpression über die Bühne weht ... Marais Genie offenbart sich stets und man versteht sofort, warum das Zeitalter des Sonnenkönigs, das 17. Jahrhundert, für die Künste in Frankreich ein Goldenes Zeitalter war!

Nachdem das Ensemble gerade noch eine vorzügliche Einspielung von Samuel Scheidts Ludi Musici vorgelegt hat, darf man dem neuen großen Vorhaben mit viel Vorfreude entgegensehen.



Georg Henkel



Trackliste
Prelude en harpegement; L'Arabesque; La Reveuxe; La Polonaise; Grand Ballet; La Guitare; Tombeau pour M' de Sainte Colombe; Tourbillon; Le Badinage; Couplets de folies; Les Voix humaines; Fest champetre u. a.
Besetzung

François Joubert-Caillet: Bassgambe

Andreas Lino, Sarah van Oudenhove: Bassgamben
Miguel Henry: Theorbe
Vincent Flückiger: Gitarre und Erzlaute
Philippe Grisvard: Cembalo


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