Heinz Rudolf Kunze
Deutschland
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Zufall! Aber fast gleichzeitig liegen aktuelle CDs von zwei Musikern auf dem Tisch, die je in ihrer Weise in den 80ern Sprachrohr einer ganzen Generation waren. Das Überraschende: Der Rocker rockt nur noch dezent, überzeugt aber mit seinen Texten, während der Liedermacher textlich oft relativ plakativ aufgestellt ist, dafür aber musikalisch mächtig punktet.
Der Kölsch-Rocker Wolfgang Niedecken wurde bereits in der letzten Ausgabe verarztet. Jetzt ist Heinz Rudolf Kunze an der Reihe.
Klasse, wie der alte Herr mit einem echten Power Blues einsteigt, mit „Das Paradies ist hier“ als Power Pop überzeugt, im Titelsong basslastig groovt oder „Die Letzten unserer Art“ mit verzerrten Gitarren eröffnet, die auch von den Scorpions stammen könnten.
Auch textlich hat er Trümpfe auf der Hand. Sehr schön ist zum Beispiel die detailreiche Erinnerung an eine Kindheit im deutsch-holländischen Grenzgebiet in der unmittelbaren Nachkriegszeit („In der alten Piccardie“). Ähnlich die National-Skizze „Deutschland“.
Ein Schwachpunkte ist „Jeder bete für sich allein“, das vordergründig wie ein Aufruf zu religiösen Toleranz wirkt, letztlich aber die Forderung stellt, dass Religionen schlicht die Klappe zu halten haben, in einer Weise, die vermuten lässt, dass der Sänger vom Wesen der Religion wenig verstanden hat.
Wie schwach Kunze teilweise ist, merkt man da, wo ein direkter Vergleich mit Niedecken möglich ist. „Immer noch besser als Arbeiten“ ist ein kritischer Blick auf die Reichen, Politiker, aber auch auf die erfolgreichen Sänger. Mit ausgestrecktem Zeigefinger setzt Kunze diese „Absahner“ moralisch unter Druck, indem er sie als Egoisten da stehen lässt, die vor allem eins nicht wollen - nämlich arbeiten. Dazu gehören auch marktbewusste Musiker – zu denen er selber natürlich nicht gehört.
Wie anders kommt da Wolfgang Niedecken, der in „Dä Herrjott meint et joot met mir“ sehr offen dazu steht, dass er ein Privileg genießt, eine derartige Karriere als erfolgreicher Musiker genießen zu können.
Letztlich bleibt Kunze damit aber nur seiner Rolle als Oberlehrer der Nation treu, die er eingenommen hat, als der examinierte Lehrer den Platz hinter dem Lehrertisch gegen den auf der Bühne eingetauscht hat. Und lernen kann man von ihm auch heute noch!
Norbert von Fransecky
Trackliste |
1 | Es ist in ihm drin | 3:37 |
2 |
Zu früh für den Regen | 4:43 |
3 |
In der alten Piccardie | 6:11 |
4 |
Nur eine Fotographie | 3:54 |
5 |
Das Paradies ist hier | 3:32 |
6 |
Jeder bete für sich allein | 4:35 |
7 |
Setz Dich her | 4:04 |
8 |
Mund-zu-Mund-Beatmung | 4:26 |
9 |
Immer noch besser als Arbeiten | 3:37 |
10 |
Deutschland | 5:09 |
11 |
Die letzten unserer Art | 4:09 |
12 |
Auf meine Mutter | 3:20 |
13 |
Ich möchte anders sein | 3:08 |
14 |
Ein fauler Trick | 2:44 |
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