Musik an sich


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Trebor - Solage - de Casserta u. a. (Young, C.)

Figures of Harmony


Info
Musikrichtung: Mittelater Ensemble

VÖ: 6.2.2015

(Arcana / Note 1 4 CD / DDD / 1995-2010 / Best. Nr. A 382)

Gesamtspielzeit: 260:01



LYRISCHES STRÖMEN

Vorliegende 4-CD-Edition fasst lange vergriffene Aufnahmen des Ferrara Ensemble mit Kompositionen vornehmlich aus dem Codex Chantilly in einer preiswerten Box zusammen. Die jüngste Produktion erschien 2010 unter dem Titel Corps Feminin, die früheste, Balades a III chains, im Jahr 1995. Überblickt man die Einspielungen, so fällt die gleichbleibend hohe und einheitliche Qualität der Interpretationen auf, die gewissermaßen ebenso zeitlos schön und vollendet sind wie das eingespielte Repertoire.

Die Stücke aus dem Codex Chantilly und benachbarter Quellen reflektieren die Einflüsse der sogenannten Ars Subtilior, einer verfeinerten Kompositionskunst, die in Frankreich und Italien im späten 14. Jahrhundert aufkam und vor allem in der weltlichen Musik ihren Ausdruck fand. An den Höfen wetteiferten Komponisten wie Trebor, Matteo da Perugia, Philipoctus de Caserta, Johannes Ciconia, Solage oder Jacob de Senleches darum, die Ars Nova der alten Meister wie Guillaume de Machaut zu übertreffen. Dies geschah vornehmenlich auf dem Gebeit der rhythmischen und metrischen Verkomplizierung. Was in der Notation außerordentlich kompliziert aussieht, klingt allerdings betörend und sehr 'natürlich': Der Wechsel der Mensuren, die polyrhthmische Schichtungen sowie die Verwendung von duolischen, triolischen oder quintolischen Werten sorgt für einen freischwebenden, lyrisch sich verströmenden Klang. Im Grunde verschwindet der Puls der Musik im labyrinthischen Geflecht der Stimmen. Das Bild eines ruhig fließenden Gewässers mit vielen Ober- oder Unterströmungen, kleinen Wasserwirbeln und gelegentlichen Kaskaden kommt einenm beim Hören in den Sinn. Die modale Harmonik ist dagegen viel archaischer und wirkt durch ihre Begrenztheit als Gegengewicht zur den rhythmischen Komplikationen (einige harmonisch besonders experimentelle Stücke aus dem Codex wie Solages Fumeux fume par fumée finden sich auf Aufnahmen anderer Ensembles).

Es überwiegen Besetzungen von ein bis zwei Singstimmen mit ein bis zwei Instrumentalstimmen (Zupf- und Streichinstrumente), seltener sind reine, dreistimmige Vokalbesetzungen, die aber teilweise recht ungewöhnlich sind, z. B. wenn tiefe Register bevorzugt werden, was dem Klang eine bronzene Tönung und Wärme verleiht. In allen Fällen hat Crawford Young, Lautenist und Leiter des Ferrara-Ensembles, die Stücke stilkundig arrangiert. Die Tempi sind ausnahmslos ruhig, gemessen. Instrumentale Interemezzi mit Werken aus anderen Quellen sorgen für eine gewisse Abwechslung im Programm. Jede CD steht unter einem programmatischen Titel, nach dem die Stücke ausgewählt sind, um eine bestimmte musikalische Situation oder Kultur bzw. 'Landschaft' zu porträtieren. Die ursprünglichen Einführungstexte sind auf Französisch und Englisch zusammen mit den altfranzösischen Texten der Lieder im Booklet wiedergegeben; die deutsche Fassung soll auf der Homepage von Outhere Music zur Verfügung gestellt werden.

Es ist verständlich, dass die unter der Leitung von Crawford Young entstandenen Aufnahmen als exemplarisch für dieses Repertoire gelten und gesuchte Sammlerstücke sind. Obwohl es seitdem eine ganze Reihe von erfolgreichen Versuchen gegeben hat, dieses spezielle Repertoire wieder zum Klingen zu bringen, zeichnet sich die Kunst des Ferrara-Ensembles durch eine große Ruhe, ja Gelassenheit und Unangestrengtheit aus. Die Musik atmet und klingt sehr organisch. Auch darum ist die Wiederveröffentlichung der Ferrara-Aufnahmen sehr willkommen.



Georg Henkel



Trackliste
CD I Balades a III chains 58:20
CD II Fleurs de Vertus 73:20
CD III En doulz chastel de pavie 60:35
CD IV Corps Feminin 67:46
Besetzung

Ferrara-Ensemble

Crawford Young: Zupfinstrumente & Arragements und Leitung


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