Musik an sich


Reviews
Vinci, L. (Florio)

La Partenope (DVD)


Info
Musikrichtung: Barockoper

VÖ: 23.1.2013

(Dynamic / Klassik Center Kassel / 2 DVD / 2011, live / Best. Nr. 33686)

Gesamtspielzeit: 168:00

Internet:

I Turchini



ALLES WIE DAMALS?

Leonardo Vinci komponierte seine Vertonung des in Neapel besonders populären Partenope-Stoffes 1725 offenbar in großer Eile. Dies wird nicht zuletzt daran erkennbar, dass er die Rezitative komplett aus einer früheren Version der Oper seines Kollegen Domenico Sarro übernahm und die Arien zu einem erheblichen Teil aus eigenen anderen Werken entlehnte. So nimmt es nicht Wunder, dass „La Partenope“ nicht unbedingt als stärkstes Bühnenwerk des Komponisten gelten darf, der momentan gerade als lange vergessener Meister wiederentdeckt wird. Dennoch handelt es sich um mehr als bloße Massenware und so manch hörenswerte Arie findet sich durchaus in dem Stück, das zusammen mit den zugehörigen Intermezzi – launigen Einlagen als Gegengewicht zur schweren Koste der Opera Seria – rund 170 Minuten dauert.

An sich also durchaus nachvollziehbar, dass man sich 2012 im spanischen Murcia für eine Inszenierung dieser Oper entschied. Regisseur Gustavo Tambascio wollte dabei endlich alles „richtig“ machen und versuchte sich an einer historisierenden Rekonstruktion der Aufführungspraxis des 18. Jahrhunderts: Bühnenbild, Tänze, Schlachten – möglichst alles sollte in diesem Sinne erscheinen. Indes: Wir wissen wenig darüber, wie es damals wirklich auf der Bühne zuging. Bilder, Skizzen und Briefe geben zwar Anhaltspunkte, aber das Repertoire der Gesten, die Bewegungsabläufe, sie bleiben uns im Detail verschlossen. Und zudem wirkte all dies in den wohl eher schummrig beleuchteten Theatersälen der Vorzeit gewiss komplett anders als auf den mit moderner Technik ausgeleuchteten Bühnen und auf den Großaufnahmen für die DVD. Vielleicht liegt es hieran, dass Tambascios Rekonstruktion über weite Strecken (unbeabsichtigt) ins Parodistische abgleitet. Oft wirken die Bewegungen nicht einfach nur gekünstelt, was man als Reminiszenz gelten lassen könnte, sondern unentschlossen oder unpassend. Die Personenführung im Hintergrund, die Umsetzung der Tanzeinlagen wollen sich nicht zu einem organischen Ganz fügen. Den Akteuren ist daher auch jederzeit die Unsicherheit auf der Bühne anzumerken, worüber die prächtigen Kostüme kaum hinwegtäuschen können.

In musikalischer Hinsicht hinterlässt die Produktion einen gemischten Eindruck: Sonia Prina dominiert in der Titelrolle das Geschehen. Dank ihres in der tiefen Lage erstaunlich dunklen Timbres und einer volumenreichen Stimme verleiht sie der Partenope amazonenhafte Züge. Ja, sie verfügt über eine derart starke Bühnenpräsenz, dass daneben die anderen Sänger notwendig verblassen müssen. Lediglich Maria Grazia Schiavo und Maria Ercolano vermögen hiergegen noch mit erstaunlicher Koloratursicherheit zu punkten. Stefano Ferrari wirkt stimmlich deutlich indisponiert und kraftlos. Eufemia Tufano verkörpert den Emilio mit einer in der Höhe unangenehm engen, angestrengt wirkenden Stimme.
Unter der Leitung von Antonio Florio musizieren I Turchini präzise und transparent, jedoch eher souverän als inspiriert und teilweise sogar unnötig mechanisch.

Selbst eingefleischte Fans der Barockoper dürften daher hier mit gewissen Längen zu kämpfen haben und sich bisweilen das sonst so oft geschmähte Regietheater zurückwünschen. Die launigen Intermezzi, die nicht zuletzt durch die schrillen Auftritte von Giuseppe de Vittorio in erstaunliche Nähe zum „Käfig voller Narren“ rücken, machen vor diesem Hintergrund durchaus Sinn.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Sonia Prina - Partenope
Maria Grazia Schiavo - Rosmira
Maria Ercolano - Arsace
Eufemia Tufano - Emilio
Stefano Ferrari - Armindo
Charles do Santos – Ormonte

Orchestra I Turchini di Antonio Florio

Antonio Florio: Ltg.

Gustavo Tambascio: Regie


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